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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Dcis Petroleum

Na'an spricht sogar schon, wenn auch vorläufig noch etwas scherzhaft, von
Seiner Majestät Rothschild, statt von S. M. Rothschild in London, und vom
König Stumm.

Was verschafft ihnen diese Macht? Etwa ihre Intelligenz? Seitdem der
Pariser Rothschild dem Figaro seine berühmt gewordnen Eheleien verzapft
hat, wäre eine solche Behauptung doch geradezu lächerlich. Vom blinden
Stumm wollen wir gar nicht erst reden. Weshalb zahlt die zivilisirte und
die unzivilisirte Welt einer Handvoll Petroleummäuuern Tribute, die zehnmal
so groß sind, als sie ragende Herrscher vergangner Jahrhunderte in blutigen
Schlachten durch Reihen von Siege für sich erzwangen? Diese Leute haben
nichts gethan, gar nichts für alle die Fortschritte, die ihre Erfolge ermöglicht
haben: keiner von ihnen ist ein Chemiker, der ein neues Verfahren entdeckt
hätte, in keinem ihrer Köpfe ist der Gedanke geboren worden, das Rossi durch
Röhrenleitungen zu pumpen, keiner von ihnen hat den Tcinkdampfer erfunden.
Nein, wieder einmal macht die Pfiffigkeit ihren Weg, und wieder einmal be¬
sorgen die Herrscher die Geschäfte ihrer großen und kleinen Hausmeier. Man
hat leicht sagen: Chlodwigs Enkel waren thöricht. Wir erleben, daß eine
Handvoll Kniffe, eine Geschäftspraxis, gegen die Naubrittertum eine noble
Passion und Pfcrdediebstahl ein anständiger Handel ist, genügen, die ganze
Menschheit einigen Männern zinsbar zu machen, und keiner vou deu Herrschern
merkt auch nur die Gefahr, die ihnen droht.

Vor einem Menschenalter etwa betritt der Schotte Rockefeller den nord-
amerikanischen Boden; nüchtern, streng kirchlich fromm und völlig ruchlos,
steigt er binnen fünfundzwanzig Jahren über Berge vernichteter Existenzen zur
Höhe des Milliardärs empor, als einzige Waffe das führend, was sie drüben
Wiu,re.nöW und was wir auf gut deutsch Gerissenheit nennen.

Bor einem Menschenalter etwa drischt ein junger stellenloser "Reisender"
in Beermanns Hotel in Bremerhaven Skat; er spielt gut Skat: er soll sich
damals damit hauptsächlich seinen Lebensunterhalt "verdient" haben. Ein
guter Freund macht ihn darauf aufmerksam, daß von Amerika seit einiger Zeit
eine Art Vrennöl ankomme von so übelin Geruch, daß es keiner lagern wolle.
Man borgt ihm ein paar tausend Thaler, und er wird Petrvleumlcigerhalter in
Geestemünde. Die Bedeutung des neuen Öls schwillt lawinenhaft an. Derselbe
Spediteur übernimmt später die Petroleumlagernng in Hamburg, er ist der
Vertrauensmann aller deutschen Händler an Elbe und Weser, sieht in ihre
See- und Flußkonnossemente, in ihre Frachtbriefe, in alle ihre Verbindungen
hinein und -- ist an einem großen Petroleum Hause zur Hälfte beteiligt, ohne daß
jemand eine Ahnung davon hat. Der junge Mann, der so erfolgreich Skat
spielte, ist heute Vorstand der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft und
Kommerzienrat. Seit Windthorst, die kleine hannoversche Exzellenz, gestorben
ist, zu dem sich der lange Herr, wenn sie Arm in Arm zusammen durch


Dcis Petroleum

Na'an spricht sogar schon, wenn auch vorläufig noch etwas scherzhaft, von
Seiner Majestät Rothschild, statt von S. M. Rothschild in London, und vom
König Stumm.

Was verschafft ihnen diese Macht? Etwa ihre Intelligenz? Seitdem der
Pariser Rothschild dem Figaro seine berühmt gewordnen Eheleien verzapft
hat, wäre eine solche Behauptung doch geradezu lächerlich. Vom blinden
Stumm wollen wir gar nicht erst reden. Weshalb zahlt die zivilisirte und
die unzivilisirte Welt einer Handvoll Petroleummäuuern Tribute, die zehnmal
so groß sind, als sie ragende Herrscher vergangner Jahrhunderte in blutigen
Schlachten durch Reihen von Siege für sich erzwangen? Diese Leute haben
nichts gethan, gar nichts für alle die Fortschritte, die ihre Erfolge ermöglicht
haben: keiner von ihnen ist ein Chemiker, der ein neues Verfahren entdeckt
hätte, in keinem ihrer Köpfe ist der Gedanke geboren worden, das Rossi durch
Röhrenleitungen zu pumpen, keiner von ihnen hat den Tcinkdampfer erfunden.
Nein, wieder einmal macht die Pfiffigkeit ihren Weg, und wieder einmal be¬
sorgen die Herrscher die Geschäfte ihrer großen und kleinen Hausmeier. Man
hat leicht sagen: Chlodwigs Enkel waren thöricht. Wir erleben, daß eine
Handvoll Kniffe, eine Geschäftspraxis, gegen die Naubrittertum eine noble
Passion und Pfcrdediebstahl ein anständiger Handel ist, genügen, die ganze
Menschheit einigen Männern zinsbar zu machen, und keiner vou deu Herrschern
merkt auch nur die Gefahr, die ihnen droht.

Vor einem Menschenalter etwa betritt der Schotte Rockefeller den nord-
amerikanischen Boden; nüchtern, streng kirchlich fromm und völlig ruchlos,
steigt er binnen fünfundzwanzig Jahren über Berge vernichteter Existenzen zur
Höhe des Milliardärs empor, als einzige Waffe das führend, was sie drüben
Wiu,re.nöW und was wir auf gut deutsch Gerissenheit nennen.

Bor einem Menschenalter etwa drischt ein junger stellenloser „Reisender"
in Beermanns Hotel in Bremerhaven Skat; er spielt gut Skat: er soll sich
damals damit hauptsächlich seinen Lebensunterhalt „verdient" haben. Ein
guter Freund macht ihn darauf aufmerksam, daß von Amerika seit einiger Zeit
eine Art Vrennöl ankomme von so übelin Geruch, daß es keiner lagern wolle.
Man borgt ihm ein paar tausend Thaler, und er wird Petrvleumlcigerhalter in
Geestemünde. Die Bedeutung des neuen Öls schwillt lawinenhaft an. Derselbe
Spediteur übernimmt später die Petroleumlagernng in Hamburg, er ist der
Vertrauensmann aller deutschen Händler an Elbe und Weser, sieht in ihre
See- und Flußkonnossemente, in ihre Frachtbriefe, in alle ihre Verbindungen
hinein und — ist an einem großen Petroleum Hause zur Hälfte beteiligt, ohne daß
jemand eine Ahnung davon hat. Der junge Mann, der so erfolgreich Skat
spielte, ist heute Vorstand der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft und
Kommerzienrat. Seit Windthorst, die kleine hannoversche Exzellenz, gestorben
ist, zu dem sich der lange Herr, wenn sie Arm in Arm zusammen durch


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[0320] Dcis Petroleum Na'an spricht sogar schon, wenn auch vorläufig noch etwas scherzhaft, von Seiner Majestät Rothschild, statt von S. M. Rothschild in London, und vom König Stumm. Was verschafft ihnen diese Macht? Etwa ihre Intelligenz? Seitdem der Pariser Rothschild dem Figaro seine berühmt gewordnen Eheleien verzapft hat, wäre eine solche Behauptung doch geradezu lächerlich. Vom blinden Stumm wollen wir gar nicht erst reden. Weshalb zahlt die zivilisirte und die unzivilisirte Welt einer Handvoll Petroleummäuuern Tribute, die zehnmal so groß sind, als sie ragende Herrscher vergangner Jahrhunderte in blutigen Schlachten durch Reihen von Siege für sich erzwangen? Diese Leute haben nichts gethan, gar nichts für alle die Fortschritte, die ihre Erfolge ermöglicht haben: keiner von ihnen ist ein Chemiker, der ein neues Verfahren entdeckt hätte, in keinem ihrer Köpfe ist der Gedanke geboren worden, das Rossi durch Röhrenleitungen zu pumpen, keiner von ihnen hat den Tcinkdampfer erfunden. Nein, wieder einmal macht die Pfiffigkeit ihren Weg, und wieder einmal be¬ sorgen die Herrscher die Geschäfte ihrer großen und kleinen Hausmeier. Man hat leicht sagen: Chlodwigs Enkel waren thöricht. Wir erleben, daß eine Handvoll Kniffe, eine Geschäftspraxis, gegen die Naubrittertum eine noble Passion und Pfcrdediebstahl ein anständiger Handel ist, genügen, die ganze Menschheit einigen Männern zinsbar zu machen, und keiner vou deu Herrschern merkt auch nur die Gefahr, die ihnen droht. Vor einem Menschenalter etwa betritt der Schotte Rockefeller den nord- amerikanischen Boden; nüchtern, streng kirchlich fromm und völlig ruchlos, steigt er binnen fünfundzwanzig Jahren über Berge vernichteter Existenzen zur Höhe des Milliardärs empor, als einzige Waffe das führend, was sie drüben Wiu,re.nöW und was wir auf gut deutsch Gerissenheit nennen. Bor einem Menschenalter etwa drischt ein junger stellenloser „Reisender" in Beermanns Hotel in Bremerhaven Skat; er spielt gut Skat: er soll sich damals damit hauptsächlich seinen Lebensunterhalt „verdient" haben. Ein guter Freund macht ihn darauf aufmerksam, daß von Amerika seit einiger Zeit eine Art Vrennöl ankomme von so übelin Geruch, daß es keiner lagern wolle. Man borgt ihm ein paar tausend Thaler, und er wird Petrvleumlcigerhalter in Geestemünde. Die Bedeutung des neuen Öls schwillt lawinenhaft an. Derselbe Spediteur übernimmt später die Petroleumlagernng in Hamburg, er ist der Vertrauensmann aller deutschen Händler an Elbe und Weser, sieht in ihre See- und Flußkonnossemente, in ihre Frachtbriefe, in alle ihre Verbindungen hinein und — ist an einem großen Petroleum Hause zur Hälfte beteiligt, ohne daß jemand eine Ahnung davon hat. Der junge Mann, der so erfolgreich Skat spielte, ist heute Vorstand der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft und Kommerzienrat. Seit Windthorst, die kleine hannoversche Exzellenz, gestorben ist, zu dem sich der lange Herr, wenn sie Arm in Arm zusammen durch

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/320>, abgerufen am 21.06.2024.