Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches sich die Leute über die Fortschritte ihrer Kinder im Deutschen; seitdem aber ihre Ein schlesisches Blatt, wenn wir uns recht erinnern die Breslauer Zeitung, Maßgebliches und Unmaßgebliches sich die Leute über die Fortschritte ihrer Kinder im Deutschen; seitdem aber ihre Ein schlesisches Blatt, wenn wir uns recht erinnern die Breslauer Zeitung, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221279"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_950" prev="#ID_949"> sich die Leute über die Fortschritte ihrer Kinder im Deutschen; seitdem aber ihre<lb/> Muttersprache verpönt ist, sagen sie: Nu gerade nicht! Wenn den Zentrumsleuten<lb/> vorgehalten wird: Das habt ihr um von eurer Unterstützung des Polentums, er¬<lb/> widern sie: Wo sind denn die Erfolge eurer Zwangsgermauisntivu? Doch die<lb/> Hauptursache ist eine sozialistisch angehauchte demokratische Bewegung. Die Schle-<lb/> sische Zeitung, die seit Wochen sorgfältig alle die Wahl betreffenden Preßttußerungeu<lb/> zusammengetragen hat, ist derselben Ansicht, und sie hebt hervor, daß die jüngere<lb/> Geistlichkeit vielfach so denke wie Pfarrer Ring in Nicolai, der erklärt habe: „Es<lb/> ist eine heilige Wahrheit, daß mehr auf das Volk Rücksicht zu nehmen ist als auf<lb/> die paar Herren, die im Wahlkreise wohnen." Gegen Hume hat das Polenorgan<lb/> Katvlik angeführt, er habe das volksfreundliche Wildschadengefetz des frühern Ab¬<lb/> geordnete» Conrad verstümmelt, sein Verhalten in der Frage der „Bismarckehrung"<lb/> habe das ganze Zentrum mit Entrüstung erfüllt; er sei für Beschränkung des bäuer¬<lb/> lichen Erbrechts und der bäuerliche» Wechselfähigkeit (was alles nicht ganz richtig ist),<lb/> er sei ein großer Herr, habe daher andre Interessen als die kleinen Leute und<lb/> kenne deren Leiden nicht, er kenne insbesondre die büreaukratischen Plackereien nicht,<lb/> die die Grenzbewohner beim Viehgeschüft zu erdulden hätte«, sowie die ungerechte<lb/> Verteilung der Schnllasten zwischen Gutsbezirken und Gemeinden; endlich sei er<lb/> gegen den weitern Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung. Ein Berichterstatter des<lb/> Vorwärts hat im oberschlesischen Judustriebezirk die Arbeiter, unbeschadet ihrer<lb/> unerschütterten Gläubigkeit und Frömmigkeit, voll Erbitterung gegen die Geistlichkeit<lb/> gefunden, die es mit den Herren halte: insbesondre soll die Lage der Arbeiter in<lb/> den Gruben des Zentrumsführers Grafen Ballestrem sehr schlimm, auf den könig¬<lb/> lichen Gruben und Hütten dagegen viel besser sein. Man sieht, im Osten wie<lb/> im Südwesten fällt es der Zentrumspartei immer schwerer, den aristokratischen und<lb/> den demokratischen Flügel zusammenzuhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_951" next="#ID_952"> Ein schlesisches Blatt, wenn wir uns recht erinnern die Breslauer Zeitung,<lb/> wollte erfahren haben, daß auch der im benachbarten Teschen eingekerkerte I'. Sto-<lb/> jalvwski eingewirkt habe. Und es ist wohl möglich, daß die Verfolgung eines<lb/> Vauernheilands jenseits der Grenze die Leute erbittert hat, es ist auch möglich,<lb/> daß die Wellen der galizischen Bauernbewegung selbst über die Grenze geschlagen<lb/> haben. Dem genannten apostolischen Manne, dem sein exiseopus proprius, der<lb/> Erzbischof von Antivari, das beste, und der geistliche Beherrscher feines gegen¬<lb/> wärtigen Aufenthaltsorts, der Kardinal Kopp, kein schlechtes Zeugnis ausgestellt<lb/> hat, ist bekanntlich am 9. Oktober der am 8. Oktober nach telegraphischer Ver¬<lb/> ständigung Badenis mit dem Vatikan ausgefertigte Ausweisungsbefehl des Nuntius<lb/> -lglinrdi dnrch den k. k. Polizeikommissar Baumes aus Krakau in den Kerker gebracht<lb/> worden. Diese Ausweisung eines österreichischen Unterthanen aus Österreich dnrch<lb/> einen päpstliche» Nuntius, die Polouisirung der österreichischen Regierung und die<lb/> unerhörten Gewaltthaten, die bei den letzten galizischen Landtagswahlen nnter dem<lb/> Schutze des damaligen Statthalters von Galizien und jetzigen Regenten von Öster¬<lb/> reich verübt worden' sind, haben unsre, den genannten Ländern benachbarten Blätter<lb/> lauter abessynischeu. madagassischen und südwestafrikanischen Geschichten immer<lb/> noch nicht zu würdigen Zeit gefunden, auch die nicht, zu deren Spezialitäten sonst<lb/> die Schilderung der polnischen Wirtschaft in Galizien gehörte. Den österreichischen<lb/> glattem gegenüber, die sich mit der Sache beschäftigen, beobachtet Badeui das<lb/> denkbar einfachste Verfahren; er läßt sie koufisziren, aber der Staatsanwalt unter-<lb/> 'ißt die für solche Fälle vorgeschriebne gerichtliche Verfolgung, sodaß es zu keiner<lb/> Erörterung der heikeln Sachen vor Gericht kommt. Am 24. haben die Abgeordneten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
sich die Leute über die Fortschritte ihrer Kinder im Deutschen; seitdem aber ihre
Muttersprache verpönt ist, sagen sie: Nu gerade nicht! Wenn den Zentrumsleuten
vorgehalten wird: Das habt ihr um von eurer Unterstützung des Polentums, er¬
widern sie: Wo sind denn die Erfolge eurer Zwangsgermauisntivu? Doch die
Hauptursache ist eine sozialistisch angehauchte demokratische Bewegung. Die Schle-
sische Zeitung, die seit Wochen sorgfältig alle die Wahl betreffenden Preßttußerungeu
zusammengetragen hat, ist derselben Ansicht, und sie hebt hervor, daß die jüngere
Geistlichkeit vielfach so denke wie Pfarrer Ring in Nicolai, der erklärt habe: „Es
ist eine heilige Wahrheit, daß mehr auf das Volk Rücksicht zu nehmen ist als auf
die paar Herren, die im Wahlkreise wohnen." Gegen Hume hat das Polenorgan
Katvlik angeführt, er habe das volksfreundliche Wildschadengefetz des frühern Ab¬
geordnete» Conrad verstümmelt, sein Verhalten in der Frage der „Bismarckehrung"
habe das ganze Zentrum mit Entrüstung erfüllt; er sei für Beschränkung des bäuer¬
lichen Erbrechts und der bäuerliche» Wechselfähigkeit (was alles nicht ganz richtig ist),
er sei ein großer Herr, habe daher andre Interessen als die kleinen Leute und
kenne deren Leiden nicht, er kenne insbesondre die büreaukratischen Plackereien nicht,
die die Grenzbewohner beim Viehgeschüft zu erdulden hätte«, sowie die ungerechte
Verteilung der Schnllasten zwischen Gutsbezirken und Gemeinden; endlich sei er
gegen den weitern Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung. Ein Berichterstatter des
Vorwärts hat im oberschlesischen Judustriebezirk die Arbeiter, unbeschadet ihrer
unerschütterten Gläubigkeit und Frömmigkeit, voll Erbitterung gegen die Geistlichkeit
gefunden, die es mit den Herren halte: insbesondre soll die Lage der Arbeiter in
den Gruben des Zentrumsführers Grafen Ballestrem sehr schlimm, auf den könig¬
lichen Gruben und Hütten dagegen viel besser sein. Man sieht, im Osten wie
im Südwesten fällt es der Zentrumspartei immer schwerer, den aristokratischen und
den demokratischen Flügel zusammenzuhalten.
Ein schlesisches Blatt, wenn wir uns recht erinnern die Breslauer Zeitung,
wollte erfahren haben, daß auch der im benachbarten Teschen eingekerkerte I'. Sto-
jalvwski eingewirkt habe. Und es ist wohl möglich, daß die Verfolgung eines
Vauernheilands jenseits der Grenze die Leute erbittert hat, es ist auch möglich,
daß die Wellen der galizischen Bauernbewegung selbst über die Grenze geschlagen
haben. Dem genannten apostolischen Manne, dem sein exiseopus proprius, der
Erzbischof von Antivari, das beste, und der geistliche Beherrscher feines gegen¬
wärtigen Aufenthaltsorts, der Kardinal Kopp, kein schlechtes Zeugnis ausgestellt
hat, ist bekanntlich am 9. Oktober der am 8. Oktober nach telegraphischer Ver¬
ständigung Badenis mit dem Vatikan ausgefertigte Ausweisungsbefehl des Nuntius
-lglinrdi dnrch den k. k. Polizeikommissar Baumes aus Krakau in den Kerker gebracht
worden. Diese Ausweisung eines österreichischen Unterthanen aus Österreich dnrch
einen päpstliche» Nuntius, die Polouisirung der österreichischen Regierung und die
unerhörten Gewaltthaten, die bei den letzten galizischen Landtagswahlen nnter dem
Schutze des damaligen Statthalters von Galizien und jetzigen Regenten von Öster¬
reich verübt worden' sind, haben unsre, den genannten Ländern benachbarten Blätter
lauter abessynischeu. madagassischen und südwestafrikanischen Geschichten immer
noch nicht zu würdigen Zeit gefunden, auch die nicht, zu deren Spezialitäten sonst
die Schilderung der polnischen Wirtschaft in Galizien gehörte. Den österreichischen
glattem gegenüber, die sich mit der Sache beschäftigen, beobachtet Badeui das
denkbar einfachste Verfahren; er läßt sie koufisziren, aber der Staatsanwalt unter-
'ißt die für solche Fälle vorgeschriebne gerichtliche Verfolgung, sodaß es zu keiner
Erörterung der heikeln Sachen vor Gericht kommt. Am 24. haben die Abgeordneten
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