Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.aber sie wurden mit fortgerissen, und dieser elementare Durchbruch der Be¬ Die meinen wir nicht. Wir meinen die, die klug und kühl oben gestanden Nein, zwei Dinge machen diese Bismarckianer von heute. Das sind die Es ist Zusammenhang zwischen diesen Dingen und dem Schimpf, den aber sie wurden mit fortgerissen, und dieser elementare Durchbruch der Be¬ Die meinen wir nicht. Wir meinen die, die klug und kühl oben gestanden Nein, zwei Dinge machen diese Bismarckianer von heute. Das sind die Es ist Zusammenhang zwischen diesen Dingen und dem Schimpf, den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221234"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_822" prev="#ID_821"> aber sie wurden mit fortgerissen, und dieser elementare Durchbruch der Be¬<lb/> geisterung hat nur gezeigt, wie tief doch die Anhänglichkeit an diesen größten<lb/> Mann Deutschlands in den deutschen Herzen wurzelt, wie er hineingewachsen<lb/> ist trotz eines Menschenlebens voll Feindschaft und Anfechtung von allen Seiten.<lb/> Es giebt noch tausende von Herzen, die bei des Fürsten Namen erzittern, die<lb/> es wissen, wem Deutschland seine Größe zu verdanken hat, und tausende von<lb/> Herzen sind ihm damals, von drückenden Zweifeln befreit, zugeflogen, als es<lb/> schien, daß sich die Kluft zwischen Kaiser und Altkauzler überbrücken wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_823"> Die meinen wir nicht. Wir meinen die, die klug und kühl oben gestanden<lb/> haben über der Menge; die ihre Schachzüge gezogen haben mit nüchternem<lb/> Verstände, die keine Begeisterung kannten, nur ihren Vorteil und dabei den<lb/> Haß des beiseitegeschobnen und an die Wand gedrückten. Sie finden wir jetzt<lb/> um ihn geschart. Woher diese merkwürdige Wandlung jetzt, wo der Fürst<lb/> ohne Macht scheint, ohne Einfluß, ein Einsiedler dort hinten im Sachsenwalde?<lb/> Ist ihnen plötzlich ein Licht aufgegangen über seine Größe, hat sie wirklich<lb/> sein Geist gefangen genommen?</p><lb/> <p xml:id="ID_824"> Nein, zwei Dinge machen diese Bismarckianer von heute. Das sind die<lb/> Furcht vor der Gährung im Volke, die den Großgrundbesitz und die Industrie,<lb/> den Kapitalismus überhaupt einzudämmen und um seine politische Herrschaft zu<lb/> bringen droht; und das Streben, sich die Krone dienstbar zu machen. Was<lb/> ist denn diese tendenziöse Bismarckverherrlichung anders als Frondiren nach<lb/> dieser Seite? Man sucht seinen Rückhalt bei dem Fürsten, weil man von ihm<lb/> weiß, daß ihn nichts versöhnt, daß er nichts vergißt, und weil man sieht, daß<lb/> er dem, was im Volke vor sich geht, fremd und mißtrauisch gegenübersteht.<lb/> Man sucht ihn vor seinen Wagen zu spannen. In dem elenden Interessenkampf,<lb/> den diese Leute für die eigne Macht und den eignen Besitz führen, ist es ihnen<lb/> nicht zu schlecht, hinter dem Schilde des Fürsten gegen den Thron, den sie<lb/> zu stützen vorgeben, zu frondiren und sich zugleich wie ein Keil und eine Wand<lb/> zwischen ihn und das Volk zu drängen.</p><lb/> <p xml:id="ID_825"> Es ist Zusammenhang zwischen diesen Dingen und dem Schimpf, den<lb/> man uns anzuthun versucht. Ist es nicht auffällig, daß es gerade die Presse<lb/> ist, die sich als bismarckisch geberdet und dafür gilt, die uns auf ihrer<lb/> ganzen Linie mit ihren fortgesetzten Angriffen beehrt? Und ist es nicht zu¬<lb/> gleich die „konservative" Presse xar exoellenotZ, die Presse des Agraricrtums,<lb/> die gegen uns hetzt, wie sie gegen die Regierung hetzt, wenn es Vorteil ver¬<lb/> spricht? Diese Leute waren unsre Gegner damals, als „bismarckisch" noch<lb/> ein Schimpfwort war, und hente wird diese Devise gegen uns ausgespielt,<lb/> weil wir auch heute, wo uns die sozialen Fragen unsern eignen Weg geführt<lb/> haben, die Zukunft des Vaterlandes in etwas anderm sehen als sie. Sie glauben<lb/> in dem blinden Zorn, zu dem sie unsre offne und vorurteilsfreie Sprache hinreißt,<lb/> uns rötlich zu treffen. Sie irren sich!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
aber sie wurden mit fortgerissen, und dieser elementare Durchbruch der Be¬
geisterung hat nur gezeigt, wie tief doch die Anhänglichkeit an diesen größten
Mann Deutschlands in den deutschen Herzen wurzelt, wie er hineingewachsen
ist trotz eines Menschenlebens voll Feindschaft und Anfechtung von allen Seiten.
Es giebt noch tausende von Herzen, die bei des Fürsten Namen erzittern, die
es wissen, wem Deutschland seine Größe zu verdanken hat, und tausende von
Herzen sind ihm damals, von drückenden Zweifeln befreit, zugeflogen, als es
schien, daß sich die Kluft zwischen Kaiser und Altkauzler überbrücken wollte.
Die meinen wir nicht. Wir meinen die, die klug und kühl oben gestanden
haben über der Menge; die ihre Schachzüge gezogen haben mit nüchternem
Verstände, die keine Begeisterung kannten, nur ihren Vorteil und dabei den
Haß des beiseitegeschobnen und an die Wand gedrückten. Sie finden wir jetzt
um ihn geschart. Woher diese merkwürdige Wandlung jetzt, wo der Fürst
ohne Macht scheint, ohne Einfluß, ein Einsiedler dort hinten im Sachsenwalde?
Ist ihnen plötzlich ein Licht aufgegangen über seine Größe, hat sie wirklich
sein Geist gefangen genommen?
Nein, zwei Dinge machen diese Bismarckianer von heute. Das sind die
Furcht vor der Gährung im Volke, die den Großgrundbesitz und die Industrie,
den Kapitalismus überhaupt einzudämmen und um seine politische Herrschaft zu
bringen droht; und das Streben, sich die Krone dienstbar zu machen. Was
ist denn diese tendenziöse Bismarckverherrlichung anders als Frondiren nach
dieser Seite? Man sucht seinen Rückhalt bei dem Fürsten, weil man von ihm
weiß, daß ihn nichts versöhnt, daß er nichts vergißt, und weil man sieht, daß
er dem, was im Volke vor sich geht, fremd und mißtrauisch gegenübersteht.
Man sucht ihn vor seinen Wagen zu spannen. In dem elenden Interessenkampf,
den diese Leute für die eigne Macht und den eignen Besitz führen, ist es ihnen
nicht zu schlecht, hinter dem Schilde des Fürsten gegen den Thron, den sie
zu stützen vorgeben, zu frondiren und sich zugleich wie ein Keil und eine Wand
zwischen ihn und das Volk zu drängen.
Es ist Zusammenhang zwischen diesen Dingen und dem Schimpf, den
man uns anzuthun versucht. Ist es nicht auffällig, daß es gerade die Presse
ist, die sich als bismarckisch geberdet und dafür gilt, die uns auf ihrer
ganzen Linie mit ihren fortgesetzten Angriffen beehrt? Und ist es nicht zu¬
gleich die „konservative" Presse xar exoellenotZ, die Presse des Agraricrtums,
die gegen uns hetzt, wie sie gegen die Regierung hetzt, wenn es Vorteil ver¬
spricht? Diese Leute waren unsre Gegner damals, als „bismarckisch" noch
ein Schimpfwort war, und hente wird diese Devise gegen uns ausgespielt,
weil wir auch heute, wo uns die sozialen Fragen unsern eignen Weg geführt
haben, die Zukunft des Vaterlandes in etwas anderm sehen als sie. Sie glauben
in dem blinden Zorn, zu dem sie unsre offne und vorurteilsfreie Sprache hinreißt,
uns rötlich zu treffen. Sie irren sich!
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