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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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dentender Gebrauch gemacht. Manche Ledernrbeiten, wie die Portemouuaie-
fabrikation, sind von Anfang an Fnbriksache gewesen, andre, wie die Koffer-
und Taschenfabrikation, sind es geworden, das Anfertigen von Satteln und
Riemzeug bleibt Handarbeit, aus welchem Grunde, sieht jeder, wenn er diese
Gegenstände ins Auge faßt. Was beim Wagenbau zum Großbetrieb führt,
ist die Größe der herzustellenden Gegenstände, die von vornherein eine große
Werkstatt notwendig macht (bei Eisenbahnwagen kann von handwerksmäßigen
Betriebe gar keine Rede sein), und der Umstand, daß sich mindestens vier
Handwerker: der Stellmacher, der Schmied, der Polsterer und der Lackirer
zum Bau eines Kutschwagens vereinigen müssen. Offenbar kann nnr eine
ständige Vereinigung der vier Zusammenwirkenden den glatten Gang der Fa¬
brikation verbürgen, und da ist es doch das einfachste, daß ein kapitalkräftiger
Wagenbauer einen oder mehrere Vertreter der Hilfsgewcrbe in seinen Dienst
nimmt; damit ist die Fabrik gegeben. Die Möbelfabrikation aber ist in ihrer
Entwicklung von dem Geschmack des vornehmen Käufers abhängig, der immer
höhere Anforderungen stellt und bei steigendem Reichtum die Mittel hat, sie
zu befriedigen, und wenn er diese Mittel nicht hat, sich wenigstens stellt, als
hätte er sie, um so seinen Platz in der Gesellschaft zu behaupten. Die Dame
von Stand, die ihre Tochter verheiratet, giebt ihr nicht, wie früher, ein Fuder
Betten und einige Truhen voll Leinzeng mit, und deu guten Rat, zu den
paar Geräten, die sie und der Bräutigam zusammen haben, je nach dein Staude
des Kassenüberschusses alljährlich ein oder das andre Stück hiuzuzukaufen,
sondern sie kauft der Tochter eine vollständige und möglichst "stilvolle" Ein¬
richtung. Diesem Geschmack kommen die großen Dekorations- und Möbel¬
geschäfte entgegen, indem sie in ihren Riesenläden gleich ganze Salons, Speise-
und Schlafzimmer mit allem Zubehör an Möbeln, Teppichen, Vorhängen,
Kronleuchtern Herrichten, sodaß sich der Kunde eine der vorrätigen Einrich¬
tungen aussuchen oder im Anschluß daran eine nach seinem besondern Geschmack
zu entwerfende bestellen kann. Inhaber eines solchen Geschäfts kann ein Händler
oder ein Mvbelfabrikant sein, jedenfalls setzt es das Zusammenwirken mehrerer
Gewerbe voraus. Und die Möbelfabrik wiederum ist nicht etwa durch die
Notwendigkeit geboten, Maschinen zu benutzen oder eine weitgehende Arbeits¬
teilung durchzuführen, sondern nnr dadurch, daß der einzelne Kleinmeister,
selbst wenn er das Geschick dazu hätte, unmöglich in wenigen Wochen eine
große Ausstattung fertigbringen könnte, die Bestellung aber unter mehrere
kleine Meister zu, verteilen, viel Mühe und Ärger verursachen und den Erfolg
in Frage stellen würde. Natürlich nimmt die Fabrik, sobald sie einmal da ist,
die Maschinentechnik zu Hilfe, läßt vou einer Dampfmaschine allerlei Sägen,
Bohrer, Fräsen und Hobel in Bewegung setzen. Aber diese Maschinen spielen
im ganzen doch eine bescheidne Rolle. Sie werden meistens nur dazu benutzt,
die Werkstücke: Bretter, Säulen, Kanten, Füße vorzubereiten; die Hand muß


Grenzbote" IV 1895 16

dentender Gebrauch gemacht. Manche Ledernrbeiten, wie die Portemouuaie-
fabrikation, sind von Anfang an Fnbriksache gewesen, andre, wie die Koffer-
und Taschenfabrikation, sind es geworden, das Anfertigen von Satteln und
Riemzeug bleibt Handarbeit, aus welchem Grunde, sieht jeder, wenn er diese
Gegenstände ins Auge faßt. Was beim Wagenbau zum Großbetrieb führt,
ist die Größe der herzustellenden Gegenstände, die von vornherein eine große
Werkstatt notwendig macht (bei Eisenbahnwagen kann von handwerksmäßigen
Betriebe gar keine Rede sein), und der Umstand, daß sich mindestens vier
Handwerker: der Stellmacher, der Schmied, der Polsterer und der Lackirer
zum Bau eines Kutschwagens vereinigen müssen. Offenbar kann nnr eine
ständige Vereinigung der vier Zusammenwirkenden den glatten Gang der Fa¬
brikation verbürgen, und da ist es doch das einfachste, daß ein kapitalkräftiger
Wagenbauer einen oder mehrere Vertreter der Hilfsgewcrbe in seinen Dienst
nimmt; damit ist die Fabrik gegeben. Die Möbelfabrikation aber ist in ihrer
Entwicklung von dem Geschmack des vornehmen Käufers abhängig, der immer
höhere Anforderungen stellt und bei steigendem Reichtum die Mittel hat, sie
zu befriedigen, und wenn er diese Mittel nicht hat, sich wenigstens stellt, als
hätte er sie, um so seinen Platz in der Gesellschaft zu behaupten. Die Dame
von Stand, die ihre Tochter verheiratet, giebt ihr nicht, wie früher, ein Fuder
Betten und einige Truhen voll Leinzeng mit, und deu guten Rat, zu den
paar Geräten, die sie und der Bräutigam zusammen haben, je nach dein Staude
des Kassenüberschusses alljährlich ein oder das andre Stück hiuzuzukaufen,
sondern sie kauft der Tochter eine vollständige und möglichst „stilvolle" Ein¬
richtung. Diesem Geschmack kommen die großen Dekorations- und Möbel¬
geschäfte entgegen, indem sie in ihren Riesenläden gleich ganze Salons, Speise-
und Schlafzimmer mit allem Zubehör an Möbeln, Teppichen, Vorhängen,
Kronleuchtern Herrichten, sodaß sich der Kunde eine der vorrätigen Einrich¬
tungen aussuchen oder im Anschluß daran eine nach seinem besondern Geschmack
zu entwerfende bestellen kann. Inhaber eines solchen Geschäfts kann ein Händler
oder ein Mvbelfabrikant sein, jedenfalls setzt es das Zusammenwirken mehrerer
Gewerbe voraus. Und die Möbelfabrik wiederum ist nicht etwa durch die
Notwendigkeit geboten, Maschinen zu benutzen oder eine weitgehende Arbeits¬
teilung durchzuführen, sondern nnr dadurch, daß der einzelne Kleinmeister,
selbst wenn er das Geschick dazu hätte, unmöglich in wenigen Wochen eine
große Ausstattung fertigbringen könnte, die Bestellung aber unter mehrere
kleine Meister zu, verteilen, viel Mühe und Ärger verursachen und den Erfolg
in Frage stellen würde. Natürlich nimmt die Fabrik, sobald sie einmal da ist,
die Maschinentechnik zu Hilfe, läßt vou einer Dampfmaschine allerlei Sägen,
Bohrer, Fräsen und Hobel in Bewegung setzen. Aber diese Maschinen spielen
im ganzen doch eine bescheidne Rolle. Sie werden meistens nur dazu benutzt,
die Werkstücke: Bretter, Säulen, Kanten, Füße vorzubereiten; die Hand muß


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[0129] dentender Gebrauch gemacht. Manche Ledernrbeiten, wie die Portemouuaie- fabrikation, sind von Anfang an Fnbriksache gewesen, andre, wie die Koffer- und Taschenfabrikation, sind es geworden, das Anfertigen von Satteln und Riemzeug bleibt Handarbeit, aus welchem Grunde, sieht jeder, wenn er diese Gegenstände ins Auge faßt. Was beim Wagenbau zum Großbetrieb führt, ist die Größe der herzustellenden Gegenstände, die von vornherein eine große Werkstatt notwendig macht (bei Eisenbahnwagen kann von handwerksmäßigen Betriebe gar keine Rede sein), und der Umstand, daß sich mindestens vier Handwerker: der Stellmacher, der Schmied, der Polsterer und der Lackirer zum Bau eines Kutschwagens vereinigen müssen. Offenbar kann nnr eine ständige Vereinigung der vier Zusammenwirkenden den glatten Gang der Fa¬ brikation verbürgen, und da ist es doch das einfachste, daß ein kapitalkräftiger Wagenbauer einen oder mehrere Vertreter der Hilfsgewcrbe in seinen Dienst nimmt; damit ist die Fabrik gegeben. Die Möbelfabrikation aber ist in ihrer Entwicklung von dem Geschmack des vornehmen Käufers abhängig, der immer höhere Anforderungen stellt und bei steigendem Reichtum die Mittel hat, sie zu befriedigen, und wenn er diese Mittel nicht hat, sich wenigstens stellt, als hätte er sie, um so seinen Platz in der Gesellschaft zu behaupten. Die Dame von Stand, die ihre Tochter verheiratet, giebt ihr nicht, wie früher, ein Fuder Betten und einige Truhen voll Leinzeng mit, und deu guten Rat, zu den paar Geräten, die sie und der Bräutigam zusammen haben, je nach dein Staude des Kassenüberschusses alljährlich ein oder das andre Stück hiuzuzukaufen, sondern sie kauft der Tochter eine vollständige und möglichst „stilvolle" Ein¬ richtung. Diesem Geschmack kommen die großen Dekorations- und Möbel¬ geschäfte entgegen, indem sie in ihren Riesenläden gleich ganze Salons, Speise- und Schlafzimmer mit allem Zubehör an Möbeln, Teppichen, Vorhängen, Kronleuchtern Herrichten, sodaß sich der Kunde eine der vorrätigen Einrich¬ tungen aussuchen oder im Anschluß daran eine nach seinem besondern Geschmack zu entwerfende bestellen kann. Inhaber eines solchen Geschäfts kann ein Händler oder ein Mvbelfabrikant sein, jedenfalls setzt es das Zusammenwirken mehrerer Gewerbe voraus. Und die Möbelfabrik wiederum ist nicht etwa durch die Notwendigkeit geboten, Maschinen zu benutzen oder eine weitgehende Arbeits¬ teilung durchzuführen, sondern nnr dadurch, daß der einzelne Kleinmeister, selbst wenn er das Geschick dazu hätte, unmöglich in wenigen Wochen eine große Ausstattung fertigbringen könnte, die Bestellung aber unter mehrere kleine Meister zu, verteilen, viel Mühe und Ärger verursachen und den Erfolg in Frage stellen würde. Natürlich nimmt die Fabrik, sobald sie einmal da ist, die Maschinentechnik zu Hilfe, läßt vou einer Dampfmaschine allerlei Sägen, Bohrer, Fräsen und Hobel in Bewegung setzen. Aber diese Maschinen spielen im ganzen doch eine bescheidne Rolle. Sie werden meistens nur dazu benutzt, die Werkstücke: Bretter, Säulen, Kanten, Füße vorzubereiten; die Hand muß Grenzbote» IV 1895 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/129>, abgerufen am 24.07.2024.