Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Die Lage des Handwerks die Fabrik genommen, der Schlosserei insbesondre die Arbeit, von der sie den Ausbesserer und Händler sind die gewöhnlichen Uhrmacher von Anfang Verfolgen wir die Entwicklung des Tapeziergewerbes nach der Seite hin, Die Lage des Handwerks die Fabrik genommen, der Schlosserei insbesondre die Arbeit, von der sie den Ausbesserer und Händler sind die gewöhnlichen Uhrmacher von Anfang Verfolgen wir die Entwicklung des Tapeziergewerbes nach der Seite hin, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221104"/> <fw type="header" place="top"> Die Lage des Handwerks</fw><lb/> <p xml:id="ID_406" prev="#ID_405"> die Fabrik genommen, der Schlosserei insbesondre die Arbeit, von der sie den<lb/> Namen hat: nur noch den vierten Teil der Schlösser, die der Schlosser an¬<lb/> schlägt, fertigt er selbst. Überhaupt hat ihm und dem Klempner die Fabrik<lb/> ein sehr bedeutendes Gebiet geraubt: dem Schlosser z. B. die Fabrikation der<lb/> eisernen Öfen, der Ofenthüren, der Roste, dem Klempner die Anfertigung der<lb/> meisten Blechwaren. Doch sind sie nicht ohne Entschädigung geblieben. Der<lb/> Schlosser findet sie im Wiederaufleben der alten Schmiedeeisentechnik. Gu߬<lb/> eiserne Gitter sind aus der Mode gekommen; fchmiedeeiserne Gitter, Treppen,<lb/> Kronleuchter, Glockenzuge in Form von Blumenguirlanden, Kleiderständer,<lb/> Kleiderhaken, Ofenvorsätze, Tischleuchter, Blumentische, Schirmständer werden<lb/> in so großer Zahl verlangt, daß „das Schlossergewerbe zur Zeit einen goldnen<lb/> Boden hat," wie Sorget wenigstens für Nürnberg sagt. Der Klempner ent¬<lb/> schädigt sich durch den Handel mit Fabrikware, doch lohnt die Anfertigung<lb/> einzelner Artikel, wie der Gießkannen und Badewannen, im Kleinbetrieb immer<lb/> noch. Die Lampenfabrikation freilich ist ein eigner großartiger Gewerbszweig<lb/> geworden, aber man kann wohl kaum sagen, daß sie ein Raub am Klempner<lb/> sei; solche Lampen, wie wir sie heute in den Schaufenstern sehen, könnte doch<lb/> der Klempner nicht machen. Dann ist beiden Gewerben das neue Gebiet der<lb/> „Installationen" zugewachsen, in das sie sich so geteilt haben, daß die<lb/> Schlosser mehr die Gasanlagen, die Klempner die Wasserleitung und die Des¬<lb/> infektion übernehmen. Endlich treibt die heutige Technik täglich neue In¬<lb/> dustriezweige hervor, die den Metallgewerben zu thun geben: Fahrräder, Bier¬<lb/> druckapparate, Zinkornamente, elektrische Haustelegraphen, chirurgische und<lb/> zahnarztliche Apparate und Instrumente u. s. w. Auch sind alle diese Ge¬<lb/> werbe zugleich Reparaturgewerbe.</p><lb/> <p xml:id="ID_407"> Ausbesserer und Händler sind die gewöhnlichen Uhrmacher von Anfang<lb/> an gewesen, weil Uhren nur bei weitgehender Arbeitsteilung, also nur an ein¬<lb/> zelnen Mauufakturstätten gebaut werden können, wenn sie nicht unerschwing¬<lb/> lich teuer sein sollen. Was die Uhrmacher gewesen sind, bleiben sie heute<lb/> und werden sie stets bleiben, weil sie unentbehrlich sind. In dieselbe Klasse<lb/> hat die neuere Entwicklung des Fabrikwesens die Goldarbeiterei und die Hut-<lb/> macherei gedrängt; die kleinen Büchsenmacher haben wohl schon vor fünfzig<lb/> Jahren keine neue Ware mehr gemacht. Als eine Herabdrückung wird man<lb/> diesen Wandel kaum bezeichne» können, da die Meister dieser Gewerbe dadurch<lb/> weder am Einkommen noch am Ansehen eine Einbuße erlitten haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_408" next="#ID_409"> Verfolgen wir die Entwicklung des Tapeziergewerbes nach der Seite hin,<lb/> wo es sich mit der Sattlerei verbindet, so geraten wir freilich in den Gro߬<lb/> betrieb hinein, aber nicht die Maschine ist es, was die großen Dekorations¬<lb/> geschäfte, die Möbelfabriken und Wagenbauanstalten hervorgerufen oder möglich<lb/> gemacht hat. Die Maschine polstert nicht, das thut nur die Hand; selbst in<lb/> den größten Sattlereien und Wagenbauanstalten wird von Maschinen kein be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Die Lage des Handwerks
die Fabrik genommen, der Schlosserei insbesondre die Arbeit, von der sie den
Namen hat: nur noch den vierten Teil der Schlösser, die der Schlosser an¬
schlägt, fertigt er selbst. Überhaupt hat ihm und dem Klempner die Fabrik
ein sehr bedeutendes Gebiet geraubt: dem Schlosser z. B. die Fabrikation der
eisernen Öfen, der Ofenthüren, der Roste, dem Klempner die Anfertigung der
meisten Blechwaren. Doch sind sie nicht ohne Entschädigung geblieben. Der
Schlosser findet sie im Wiederaufleben der alten Schmiedeeisentechnik. Gu߬
eiserne Gitter sind aus der Mode gekommen; fchmiedeeiserne Gitter, Treppen,
Kronleuchter, Glockenzuge in Form von Blumenguirlanden, Kleiderständer,
Kleiderhaken, Ofenvorsätze, Tischleuchter, Blumentische, Schirmständer werden
in so großer Zahl verlangt, daß „das Schlossergewerbe zur Zeit einen goldnen
Boden hat," wie Sorget wenigstens für Nürnberg sagt. Der Klempner ent¬
schädigt sich durch den Handel mit Fabrikware, doch lohnt die Anfertigung
einzelner Artikel, wie der Gießkannen und Badewannen, im Kleinbetrieb immer
noch. Die Lampenfabrikation freilich ist ein eigner großartiger Gewerbszweig
geworden, aber man kann wohl kaum sagen, daß sie ein Raub am Klempner
sei; solche Lampen, wie wir sie heute in den Schaufenstern sehen, könnte doch
der Klempner nicht machen. Dann ist beiden Gewerben das neue Gebiet der
„Installationen" zugewachsen, in das sie sich so geteilt haben, daß die
Schlosser mehr die Gasanlagen, die Klempner die Wasserleitung und die Des¬
infektion übernehmen. Endlich treibt die heutige Technik täglich neue In¬
dustriezweige hervor, die den Metallgewerben zu thun geben: Fahrräder, Bier¬
druckapparate, Zinkornamente, elektrische Haustelegraphen, chirurgische und
zahnarztliche Apparate und Instrumente u. s. w. Auch sind alle diese Ge¬
werbe zugleich Reparaturgewerbe.
Ausbesserer und Händler sind die gewöhnlichen Uhrmacher von Anfang
an gewesen, weil Uhren nur bei weitgehender Arbeitsteilung, also nur an ein¬
zelnen Mauufakturstätten gebaut werden können, wenn sie nicht unerschwing¬
lich teuer sein sollen. Was die Uhrmacher gewesen sind, bleiben sie heute
und werden sie stets bleiben, weil sie unentbehrlich sind. In dieselbe Klasse
hat die neuere Entwicklung des Fabrikwesens die Goldarbeiterei und die Hut-
macherei gedrängt; die kleinen Büchsenmacher haben wohl schon vor fünfzig
Jahren keine neue Ware mehr gemacht. Als eine Herabdrückung wird man
diesen Wandel kaum bezeichne» können, da die Meister dieser Gewerbe dadurch
weder am Einkommen noch am Ansehen eine Einbuße erlitten haben.
Verfolgen wir die Entwicklung des Tapeziergewerbes nach der Seite hin,
wo es sich mit der Sattlerei verbindet, so geraten wir freilich in den Gro߬
betrieb hinein, aber nicht die Maschine ist es, was die großen Dekorations¬
geschäfte, die Möbelfabriken und Wagenbauanstalten hervorgerufen oder möglich
gemacht hat. Die Maschine polstert nicht, das thut nur die Hand; selbst in
den größten Sattlereien und Wagenbauanstalten wird von Maschinen kein be-
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