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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zur Änderung der Rechtsanwaltsordnung
Gugen Josef von

in 19. Mürz 1894 erließ der damalige preußische Justizminister
von Schelling an die Oberlandesgerichtspräsidenten eine Ver¬
fügung, durch die er eine Beschränkung der Zulassung zur Nechts-
anwaltschaft in Aussicht stellte, weil von der durch die Nechts-
anwciltsvrduung eingeführten unbeschränkten Freizügigkeit der
Rechtsanwaltschaft Gefahren für den Anwaltsstand und hiermit zugleich für
die gesamte Rechtspflege zu befürchten seien. Von den hierüber befragten
Vorständen der preußischen Anwaltskammern haben sich nur vier (Naumburg,
Celle, Hamm und Kassel) für die vom Minister in erster Linie vorgeschlagne
Einführung einer beschränkten Anzahl ausgesprochen; die weitern Vorschläge
des Ministers regen an, ob nicht die Zulassung zur Nechtsanwaltschaft vou
einem mehrjährigen Vorbereitungsdienst als Gcrichtsassessor und die Zulassung
bei einem Kollegialgericht von einer mehrjährigen Zulassung bei einem Amts¬
gericht abhängig gemacht werden solle. Ob und welche gesetzgeberische Schritte
in der gedachten Richtung zu erwarten sind, steht nach dem Rücktritt des
Ministers von Schelling nicht fest; auf jeden Fall handelt es sich um eine
für die bürgerliche Rechtspflege außerordentlich wichtige Frage, die auch
Wilmowski im zwanzigsten Bande der Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß
beleuchtet hat.") Der Umstand, daß sich hier eins der hervorragendsten Mit¬
glieder des deutschen Anwaltsstandes über diese wichtige Frage geäußert hat,
rechtfertigt wohl eine nochmalige Erörterung vom entgegengesetzten Stand¬
punkte aus.

Wilmowski verkennt nicht, "daß seit der Geltung der Rechtsanwaltuugs-
ordnung in die Nechtsanwaltschaft eine große Zahl von Leuten eingedrungen
sei, deren Fernbleiben im Interesse des Publikums, der Gerichte und der
Rechtsanwälte wünschenswert gewesen wäre," und die "wesentlich dazu bei¬
getragen haben, das Ansehen des Anwaltstandes gegenüber dem Zustande,
wie er namentlich in Preußen bis zum Oktober 1879 bestand, herabzudrücken."



*) Auch als Sonderdruck erschienen (Berlin, Heymcm").


Zur Änderung der Rechtsanwaltsordnung
Gugen Josef von

in 19. Mürz 1894 erließ der damalige preußische Justizminister
von Schelling an die Oberlandesgerichtspräsidenten eine Ver¬
fügung, durch die er eine Beschränkung der Zulassung zur Nechts-
anwaltschaft in Aussicht stellte, weil von der durch die Nechts-
anwciltsvrduung eingeführten unbeschränkten Freizügigkeit der
Rechtsanwaltschaft Gefahren für den Anwaltsstand und hiermit zugleich für
die gesamte Rechtspflege zu befürchten seien. Von den hierüber befragten
Vorständen der preußischen Anwaltskammern haben sich nur vier (Naumburg,
Celle, Hamm und Kassel) für die vom Minister in erster Linie vorgeschlagne
Einführung einer beschränkten Anzahl ausgesprochen; die weitern Vorschläge
des Ministers regen an, ob nicht die Zulassung zur Nechtsanwaltschaft vou
einem mehrjährigen Vorbereitungsdienst als Gcrichtsassessor und die Zulassung
bei einem Kollegialgericht von einer mehrjährigen Zulassung bei einem Amts¬
gericht abhängig gemacht werden solle. Ob und welche gesetzgeberische Schritte
in der gedachten Richtung zu erwarten sind, steht nach dem Rücktritt des
Ministers von Schelling nicht fest; auf jeden Fall handelt es sich um eine
für die bürgerliche Rechtspflege außerordentlich wichtige Frage, die auch
Wilmowski im zwanzigsten Bande der Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß
beleuchtet hat.") Der Umstand, daß sich hier eins der hervorragendsten Mit¬
glieder des deutschen Anwaltsstandes über diese wichtige Frage geäußert hat,
rechtfertigt wohl eine nochmalige Erörterung vom entgegengesetzten Stand¬
punkte aus.

Wilmowski verkennt nicht, „daß seit der Geltung der Rechtsanwaltuugs-
ordnung in die Nechtsanwaltschaft eine große Zahl von Leuten eingedrungen
sei, deren Fernbleiben im Interesse des Publikums, der Gerichte und der
Rechtsanwälte wünschenswert gewesen wäre," und die „wesentlich dazu bei¬
getragen haben, das Ansehen des Anwaltstandes gegenüber dem Zustande,
wie er namentlich in Preußen bis zum Oktober 1879 bestand, herabzudrücken."



*) Auch als Sonderdruck erschienen (Berlin, Heymcm»).
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[0120] [Abbildung] Zur Änderung der Rechtsanwaltsordnung Gugen Josef von in 19. Mürz 1894 erließ der damalige preußische Justizminister von Schelling an die Oberlandesgerichtspräsidenten eine Ver¬ fügung, durch die er eine Beschränkung der Zulassung zur Nechts- anwaltschaft in Aussicht stellte, weil von der durch die Nechts- anwciltsvrduung eingeführten unbeschränkten Freizügigkeit der Rechtsanwaltschaft Gefahren für den Anwaltsstand und hiermit zugleich für die gesamte Rechtspflege zu befürchten seien. Von den hierüber befragten Vorständen der preußischen Anwaltskammern haben sich nur vier (Naumburg, Celle, Hamm und Kassel) für die vom Minister in erster Linie vorgeschlagne Einführung einer beschränkten Anzahl ausgesprochen; die weitern Vorschläge des Ministers regen an, ob nicht die Zulassung zur Nechtsanwaltschaft vou einem mehrjährigen Vorbereitungsdienst als Gcrichtsassessor und die Zulassung bei einem Kollegialgericht von einer mehrjährigen Zulassung bei einem Amts¬ gericht abhängig gemacht werden solle. Ob und welche gesetzgeberische Schritte in der gedachten Richtung zu erwarten sind, steht nach dem Rücktritt des Ministers von Schelling nicht fest; auf jeden Fall handelt es sich um eine für die bürgerliche Rechtspflege außerordentlich wichtige Frage, die auch Wilmowski im zwanzigsten Bande der Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß beleuchtet hat.") Der Umstand, daß sich hier eins der hervorragendsten Mit¬ glieder des deutschen Anwaltsstandes über diese wichtige Frage geäußert hat, rechtfertigt wohl eine nochmalige Erörterung vom entgegengesetzten Stand¬ punkte aus. Wilmowski verkennt nicht, „daß seit der Geltung der Rechtsanwaltuugs- ordnung in die Nechtsanwaltschaft eine große Zahl von Leuten eingedrungen sei, deren Fernbleiben im Interesse des Publikums, der Gerichte und der Rechtsanwälte wünschenswert gewesen wäre," und die „wesentlich dazu bei¬ getragen haben, das Ansehen des Anwaltstandes gegenüber dem Zustande, wie er namentlich in Preußen bis zum Oktober 1879 bestand, herabzudrücken." *) Auch als Sonderdruck erschienen (Berlin, Heymcm»).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/120>, abgerufen am 24.07.2024.