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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Anm ZVLHrnngskampfe

die unbeschränkte Macht über das Geld habe. Sie sind nicht zweifelhaft darüber,
daß überhaupt ein gesetzliches Wertverhältnis zwischen Silber und Gold auf¬
recht erhalten werden könne, und Dr. Arendt sagt es geradezu: "Wenn die
Anschauung der Bimetallisten richtig ist, so muß eine vertragsmäßige Doppel¬
währung jedes Wertverhültnis, nicht nur ein bestimmtes, fixiren können." (Herr
Reichsbankpräsidcnt Koch und die Währuugsfrcige. Berlin, Hermann Walther.
S. 73.) Dies ist aber eine so unhaltbare, jedem Denken und jeder Erfahrung
widersprechende Ansicht, daß man es erklärlich finden muß, wenn ihre Ver¬
treter die Mängel des Beweises durch absprechender Hochmut zu verdecken
suchen. Wenn durch Übereinkunft der Staaten zwischen zwei Edelmetallen
ganz willkürlich und unabhängig von der Schwierigkeit und der Seltenheit
ihrer Gewinnung jedes beliebige Wertverhältnis festgesetzt werden könnte, dann
müßte es auch möglich sein, durch eine solche Übereinkunft Geldwerte beliebig
zu schaffen, und dann ist nicht abzusehen, weshalb man nicht lieber gleich ver¬
tragsmäßig zu einer internationalen Papierwährung, die mit der geringsten
Mühe die größte Fülle des Geldsegens verbinden würde, übergeht. Mommsen
sagt in seiner Vorrede zur Geschichte des römischen Münzwesens: "Ge¬
eigneter noch als edle Metalle und in der That der an sich beste Wert¬
ausdruck ist das Zeichengeld, das von Eigenwert möglichst frei ist und darum
in seiner schließlichen, freilich noch bei weitem nicht erreichten Entwicklung den
Wert andrer Gegenstände fast so vollkommen messen wird, wie die Uhr die
Zeit und der Zollstvck den Raum. Doch hat allerdings das reine Geldzeichen
immer noch keinen absoluten, sondern nur einen teils durch die Lebhaftigkeit
und die Formen des Verkehrs, teils durch die Gesamtmasse der gleichzeitig
vorhandnen Zeichen bedingten und demgemäß auf- und abschwaukendeu Wert.
Gesetzt, daß alle Kulturvölker dahin gelangt wären, sich ausschließlich deS
gleichen, materiell wertlosen Geldzeichens zu bedienen, so würde dennoch dessen
Wert in der lebhaften Verkehrszeit höher stehen, als in der Gcschäfsstille, und
fallen, wenn die Zeichenmasfe stärker zunähme als das Umsatzbedürfnis, oder
im umgekehrten Falle steigen. Ein absoluter Wertmesser also ist nicht her¬
zustellen." Wenn hier Mommsen von einem Weltpapiergelde spricht, so meint
er sicherlich nicht, daß ein solches Geld, das keinen Eigenwert hat und
dennoch in dem Verhältnis, das es zu einem bestimmten Tauschwerte aus¬
drückt, Wertträger sein soll, frei und unbeschränkt hergestellt werden dürfe;
sein übrigens sonst ganz trefflicher Gedanke scheitert eben daran, daß sich
die Staaten über ihren Anteil an jenem Weltpapiergelde wohl niemals
einigen werden. Die Bimetallisten machen sich nun die Sache viel leichter,
auch sie wollen Geld, dessen Wert auf Übereinkunft beruht, sie lassen aber das
sreie Prägerecht zu und wollen doch nicht anerkennen, daß das ein unlös¬
barer Widerspruch ist, daß jede Übereinkunft, um bindend zu sein, eine be¬
stimmte Kontingentirung zur Voraussetzung haben müßte, und daß sich ein


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die unbeschränkte Macht über das Geld habe. Sie sind nicht zweifelhaft darüber,
daß überhaupt ein gesetzliches Wertverhältnis zwischen Silber und Gold auf¬
recht erhalten werden könne, und Dr. Arendt sagt es geradezu: „Wenn die
Anschauung der Bimetallisten richtig ist, so muß eine vertragsmäßige Doppel¬
währung jedes Wertverhültnis, nicht nur ein bestimmtes, fixiren können." (Herr
Reichsbankpräsidcnt Koch und die Währuugsfrcige. Berlin, Hermann Walther.
S. 73.) Dies ist aber eine so unhaltbare, jedem Denken und jeder Erfahrung
widersprechende Ansicht, daß man es erklärlich finden muß, wenn ihre Ver¬
treter die Mängel des Beweises durch absprechender Hochmut zu verdecken
suchen. Wenn durch Übereinkunft der Staaten zwischen zwei Edelmetallen
ganz willkürlich und unabhängig von der Schwierigkeit und der Seltenheit
ihrer Gewinnung jedes beliebige Wertverhältnis festgesetzt werden könnte, dann
müßte es auch möglich sein, durch eine solche Übereinkunft Geldwerte beliebig
zu schaffen, und dann ist nicht abzusehen, weshalb man nicht lieber gleich ver¬
tragsmäßig zu einer internationalen Papierwährung, die mit der geringsten
Mühe die größte Fülle des Geldsegens verbinden würde, übergeht. Mommsen
sagt in seiner Vorrede zur Geschichte des römischen Münzwesens: „Ge¬
eigneter noch als edle Metalle und in der That der an sich beste Wert¬
ausdruck ist das Zeichengeld, das von Eigenwert möglichst frei ist und darum
in seiner schließlichen, freilich noch bei weitem nicht erreichten Entwicklung den
Wert andrer Gegenstände fast so vollkommen messen wird, wie die Uhr die
Zeit und der Zollstvck den Raum. Doch hat allerdings das reine Geldzeichen
immer noch keinen absoluten, sondern nur einen teils durch die Lebhaftigkeit
und die Formen des Verkehrs, teils durch die Gesamtmasse der gleichzeitig
vorhandnen Zeichen bedingten und demgemäß auf- und abschwaukendeu Wert.
Gesetzt, daß alle Kulturvölker dahin gelangt wären, sich ausschließlich deS
gleichen, materiell wertlosen Geldzeichens zu bedienen, so würde dennoch dessen
Wert in der lebhaften Verkehrszeit höher stehen, als in der Gcschäfsstille, und
fallen, wenn die Zeichenmasfe stärker zunähme als das Umsatzbedürfnis, oder
im umgekehrten Falle steigen. Ein absoluter Wertmesser also ist nicht her¬
zustellen." Wenn hier Mommsen von einem Weltpapiergelde spricht, so meint
er sicherlich nicht, daß ein solches Geld, das keinen Eigenwert hat und
dennoch in dem Verhältnis, das es zu einem bestimmten Tauschwerte aus¬
drückt, Wertträger sein soll, frei und unbeschränkt hergestellt werden dürfe;
sein übrigens sonst ganz trefflicher Gedanke scheitert eben daran, daß sich
die Staaten über ihren Anteil an jenem Weltpapiergelde wohl niemals
einigen werden. Die Bimetallisten machen sich nun die Sache viel leichter,
auch sie wollen Geld, dessen Wert auf Übereinkunft beruht, sie lassen aber das
sreie Prägerecht zu und wollen doch nicht anerkennen, daß das ein unlös¬
barer Widerspruch ist, daß jede Übereinkunft, um bindend zu sein, eine be¬
stimmte Kontingentirung zur Voraussetzung haben müßte, und daß sich ein


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[0596] Anm ZVLHrnngskampfe die unbeschränkte Macht über das Geld habe. Sie sind nicht zweifelhaft darüber, daß überhaupt ein gesetzliches Wertverhältnis zwischen Silber und Gold auf¬ recht erhalten werden könne, und Dr. Arendt sagt es geradezu: „Wenn die Anschauung der Bimetallisten richtig ist, so muß eine vertragsmäßige Doppel¬ währung jedes Wertverhültnis, nicht nur ein bestimmtes, fixiren können." (Herr Reichsbankpräsidcnt Koch und die Währuugsfrcige. Berlin, Hermann Walther. S. 73.) Dies ist aber eine so unhaltbare, jedem Denken und jeder Erfahrung widersprechende Ansicht, daß man es erklärlich finden muß, wenn ihre Ver¬ treter die Mängel des Beweises durch absprechender Hochmut zu verdecken suchen. Wenn durch Übereinkunft der Staaten zwischen zwei Edelmetallen ganz willkürlich und unabhängig von der Schwierigkeit und der Seltenheit ihrer Gewinnung jedes beliebige Wertverhältnis festgesetzt werden könnte, dann müßte es auch möglich sein, durch eine solche Übereinkunft Geldwerte beliebig zu schaffen, und dann ist nicht abzusehen, weshalb man nicht lieber gleich ver¬ tragsmäßig zu einer internationalen Papierwährung, die mit der geringsten Mühe die größte Fülle des Geldsegens verbinden würde, übergeht. Mommsen sagt in seiner Vorrede zur Geschichte des römischen Münzwesens: „Ge¬ eigneter noch als edle Metalle und in der That der an sich beste Wert¬ ausdruck ist das Zeichengeld, das von Eigenwert möglichst frei ist und darum in seiner schließlichen, freilich noch bei weitem nicht erreichten Entwicklung den Wert andrer Gegenstände fast so vollkommen messen wird, wie die Uhr die Zeit und der Zollstvck den Raum. Doch hat allerdings das reine Geldzeichen immer noch keinen absoluten, sondern nur einen teils durch die Lebhaftigkeit und die Formen des Verkehrs, teils durch die Gesamtmasse der gleichzeitig vorhandnen Zeichen bedingten und demgemäß auf- und abschwaukendeu Wert. Gesetzt, daß alle Kulturvölker dahin gelangt wären, sich ausschließlich deS gleichen, materiell wertlosen Geldzeichens zu bedienen, so würde dennoch dessen Wert in der lebhaften Verkehrszeit höher stehen, als in der Gcschäfsstille, und fallen, wenn die Zeichenmasfe stärker zunähme als das Umsatzbedürfnis, oder im umgekehrten Falle steigen. Ein absoluter Wertmesser also ist nicht her¬ zustellen." Wenn hier Mommsen von einem Weltpapiergelde spricht, so meint er sicherlich nicht, daß ein solches Geld, das keinen Eigenwert hat und dennoch in dem Verhältnis, das es zu einem bestimmten Tauschwerte aus¬ drückt, Wertträger sein soll, frei und unbeschränkt hergestellt werden dürfe; sein übrigens sonst ganz trefflicher Gedanke scheitert eben daran, daß sich die Staaten über ihren Anteil an jenem Weltpapiergelde wohl niemals einigen werden. Die Bimetallisten machen sich nun die Sache viel leichter, auch sie wollen Geld, dessen Wert auf Übereinkunft beruht, sie lassen aber das sreie Prägerecht zu und wollen doch nicht anerkennen, daß das ein unlös¬ barer Widerspruch ist, daß jede Übereinkunft, um bindend zu sein, eine be¬ stimmte Kontingentirung zur Voraussetzung haben müßte, und daß sich ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/596>, abgerufen am 26.06.2024.