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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Verhältnisse wesentlich beschleunigt. Die Hauptarbeit hat aber die trotz des
tropischen Klimas unverwüstliche Energie der Pflanzer, Techniker und Kauf¬
leute geleistet, fast alles Engländer.

Wenn schon Ceylon ein wichtiges Auswandernngsgebiet sür das über¬
völkerte Indien ist, so hat England noch viel größere in seinen Besitzungen
am Indischen Ozean zu bieten. Es ist das ein Vorteil der englischen Herr¬
schaft, der von weitsichtigen Jndiern gewürdigt wird. In Natal sind neben
43 000 Weißen 33000 Kuli, fast alle Jndier. Mauritius wird allmählich
eine indische Insel; schon jetzt sind zwei Drittel seiner dichten Bevölkerung
Jndier. Britisch-Gujana hat 65 000 indische Kukis. Für Sansibar werden
7000 Jndier angegeben. Weiter leben ein paar tausend in Deutsch-Ostafrika und
an der Somaliküste, auf Sokotra und in Südafrika, und sie werden sich immer noch
vermehren. Als Beherrscherin Indiens hat England einen Vorsprung in Afrika,
den man nicht hoch genug anschlagen kann. Der Einfluß der indischen Kaufleute
in Deutsch-Ostafrika und Sansibar, wo sie die eigentliche Kapitalmacht bilden
ist bekannt. Als Arbeiter sind sie in Natal unentbehrlich. Das britisch¬
zentralafrikanische Schutzgebiet ist mit indischen Soldaten (Sikhs) erobert und
festgehalten worden. Der dortige Administrator Johnson hat indischen Händlern
große Vorteile angeboten, wenn sie nach dem Nyasfaland auswandern wollen,
und sieht die Zukunft dieses weiten Gebiets durch seine Aussteige zum indischen
Auswanderung^- und Kolonisationsgebiet gesichert. An dem auffallend raschen
Aufblühen der Kaffeekultur in der Gegend von Vlantyre u. a. ist indische
Arbeit beteiligt. Wie sich diese indische Einwanderung politisch verwenden
läßt, zeigt die jüngst veröffentlichte Beschwerde der Jndier in der südafri¬
kanischen Republik. Sie beanspruchen dort dieselben Rechte "wie andre Unter¬
thanen der Kaiserin," wollen vor allem nicht als Farbige auf eine Stufe mit
den Negern gestellt werden und sind besonders entrüstet über die Bezeichnung
^boriA'iinzs ol' ^sia. Auch Deutschland, durch Deutsch-Ostafrika zum Nachbar
Indiens geworden, hat Grund, darauf zu achten, daß es in dem System
Englands liegt, die Jndier außerhalb Indiens als Werkzeuge seiner Wcltpvlitik
zu benutzen, mit dem Nebenvorteil, sie ihre untergeordnete Stellung in In¬
dien selbst darüber vergessen zu lasten.




Grenzboten III 189564

Verhältnisse wesentlich beschleunigt. Die Hauptarbeit hat aber die trotz des
tropischen Klimas unverwüstliche Energie der Pflanzer, Techniker und Kauf¬
leute geleistet, fast alles Engländer.

Wenn schon Ceylon ein wichtiges Auswandernngsgebiet sür das über¬
völkerte Indien ist, so hat England noch viel größere in seinen Besitzungen
am Indischen Ozean zu bieten. Es ist das ein Vorteil der englischen Herr¬
schaft, der von weitsichtigen Jndiern gewürdigt wird. In Natal sind neben
43 000 Weißen 33000 Kuli, fast alle Jndier. Mauritius wird allmählich
eine indische Insel; schon jetzt sind zwei Drittel seiner dichten Bevölkerung
Jndier. Britisch-Gujana hat 65 000 indische Kukis. Für Sansibar werden
7000 Jndier angegeben. Weiter leben ein paar tausend in Deutsch-Ostafrika und
an der Somaliküste, auf Sokotra und in Südafrika, und sie werden sich immer noch
vermehren. Als Beherrscherin Indiens hat England einen Vorsprung in Afrika,
den man nicht hoch genug anschlagen kann. Der Einfluß der indischen Kaufleute
in Deutsch-Ostafrika und Sansibar, wo sie die eigentliche Kapitalmacht bilden
ist bekannt. Als Arbeiter sind sie in Natal unentbehrlich. Das britisch¬
zentralafrikanische Schutzgebiet ist mit indischen Soldaten (Sikhs) erobert und
festgehalten worden. Der dortige Administrator Johnson hat indischen Händlern
große Vorteile angeboten, wenn sie nach dem Nyasfaland auswandern wollen,
und sieht die Zukunft dieses weiten Gebiets durch seine Aussteige zum indischen
Auswanderung^- und Kolonisationsgebiet gesichert. An dem auffallend raschen
Aufblühen der Kaffeekultur in der Gegend von Vlantyre u. a. ist indische
Arbeit beteiligt. Wie sich diese indische Einwanderung politisch verwenden
läßt, zeigt die jüngst veröffentlichte Beschwerde der Jndier in der südafri¬
kanischen Republik. Sie beanspruchen dort dieselben Rechte „wie andre Unter¬
thanen der Kaiserin," wollen vor allem nicht als Farbige auf eine Stufe mit
den Negern gestellt werden und sind besonders entrüstet über die Bezeichnung
^boriA'iinzs ol' ^sia. Auch Deutschland, durch Deutsch-Ostafrika zum Nachbar
Indiens geworden, hat Grund, darauf zu achten, daß es in dem System
Englands liegt, die Jndier außerhalb Indiens als Werkzeuge seiner Wcltpvlitik
zu benutzen, mit dem Nebenvorteil, sie ihre untergeordnete Stellung in In¬
dien selbst darüber vergessen zu lasten.




Grenzboten III 189564
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[0513] Verhältnisse wesentlich beschleunigt. Die Hauptarbeit hat aber die trotz des tropischen Klimas unverwüstliche Energie der Pflanzer, Techniker und Kauf¬ leute geleistet, fast alles Engländer. Wenn schon Ceylon ein wichtiges Auswandernngsgebiet sür das über¬ völkerte Indien ist, so hat England noch viel größere in seinen Besitzungen am Indischen Ozean zu bieten. Es ist das ein Vorteil der englischen Herr¬ schaft, der von weitsichtigen Jndiern gewürdigt wird. In Natal sind neben 43 000 Weißen 33000 Kuli, fast alle Jndier. Mauritius wird allmählich eine indische Insel; schon jetzt sind zwei Drittel seiner dichten Bevölkerung Jndier. Britisch-Gujana hat 65 000 indische Kukis. Für Sansibar werden 7000 Jndier angegeben. Weiter leben ein paar tausend in Deutsch-Ostafrika und an der Somaliküste, auf Sokotra und in Südafrika, und sie werden sich immer noch vermehren. Als Beherrscherin Indiens hat England einen Vorsprung in Afrika, den man nicht hoch genug anschlagen kann. Der Einfluß der indischen Kaufleute in Deutsch-Ostafrika und Sansibar, wo sie die eigentliche Kapitalmacht bilden ist bekannt. Als Arbeiter sind sie in Natal unentbehrlich. Das britisch¬ zentralafrikanische Schutzgebiet ist mit indischen Soldaten (Sikhs) erobert und festgehalten worden. Der dortige Administrator Johnson hat indischen Händlern große Vorteile angeboten, wenn sie nach dem Nyasfaland auswandern wollen, und sieht die Zukunft dieses weiten Gebiets durch seine Aussteige zum indischen Auswanderung^- und Kolonisationsgebiet gesichert. An dem auffallend raschen Aufblühen der Kaffeekultur in der Gegend von Vlantyre u. a. ist indische Arbeit beteiligt. Wie sich diese indische Einwanderung politisch verwenden läßt, zeigt die jüngst veröffentlichte Beschwerde der Jndier in der südafri¬ kanischen Republik. Sie beanspruchen dort dieselben Rechte „wie andre Unter¬ thanen der Kaiserin," wollen vor allem nicht als Farbige auf eine Stufe mit den Negern gestellt werden und sind besonders entrüstet über die Bezeichnung ^boriA'iinzs ol' ^sia. Auch Deutschland, durch Deutsch-Ostafrika zum Nachbar Indiens geworden, hat Grund, darauf zu achten, daß es in dem System Englands liegt, die Jndier außerhalb Indiens als Werkzeuge seiner Wcltpvlitik zu benutzen, mit dem Nebenvorteil, sie ihre untergeordnete Stellung in In¬ dien selbst darüber vergessen zu lasten. Grenzboten III 189564

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/513>, abgerufen am 23.06.2024.