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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Kapital von Karl Marx

muß, wenn er überhaupt Arbeit haben will, setzt diesen in Stand, eine zwölf-
stündige Arbeitszeit zu erzwingen und sich das Produkt der zweiten sechs
Stunden als Mehrwert anzueignen. Dieser Mehrwert ist nun freilich noch
kein Reingewinn, denn er hat ihn mit dem Kapitalisten, der ihm Geld leiht,
mit dem Kaufmann, der seine Fabrikate vertreibt, und mit dem Grundrentner
zu teilen. Die Thatsachen sind unbestreitbar, aber Marx sündigt dadurch,
daß er um dieser Thatsachen willen, die sich doch nun einmal nicht ändern
lassen, solange die Produktionsvrdnung so bleibt, wie sie ist, den Unternehmer
einen Ausbeuter schilt. Zwar sagt er selbst ausdrücklich, daß dieser Zustand
ein ohne alle bewußte Absicht der Beteiligten gcwordnes Ergebnis eines ge¬
schichtlichen Prozesses sei, aber er gießt doch bei jeder Gelegenheit grimmen
gehässigen Spott über diese unglückliche Klasse der "Ausbeuter" aus. Es
giebt welche, die es sind, und die verdienen Tadel. An und für sich aber
sind sie es nicht, sondern geistige Mitarbeiter in dem arbeitsteiligen Produktions¬
prozeß, die ihren Lebensunterhalt und die Mittel zur Fortführung ihres Unter¬
nehmens auf keine andre Weise erlangen können, als daß sie ihren Arbeitern
nicht das ganze Arbeitsprodukt lasse", das ja auch gar nicht einmal das aus¬
schließliche Produkt der Thätigkeit dieser Arbeiter ist. da die Erbauer der
Maschinen, deren sie sich bedienen, die Ingenieure und tausenderlei Arbeiter,
die sich gar nicht alle ermitteln lassen, ihren Anteil daran habend)

Kapitalistisch nennt Marx diese unsre heutige Produktionsordnuug. Unter
Kapital aber versteht er Grundstücke, Arbeitswerkzeugc, Materialien (oder in
solchen angelegtes Geld) und Arbeitslöhne, die von einem Unternehmer dazu
verwendet werden, aus Arbeitern Mehrwert herauszuschlagen. In diesem Punkte
nun stimmen wir Knies bei, der sich darüber in dem oben angeführten Buche
ungefähr folgendermaßen ausläßt. Während für gewöhnlich bei Begriffsbestim¬
mungen der Gegenstand, den man definiren will, feststeht, und die Meinungen
höchstens darüber auseinandergehen, welche Merkmale des Gegenstandes in die
Erklärung aufzunehmen seien, haben bei dem Worte Kapital die Erklärer ganz
verschiedne Gegenstände im Sinn. So gut wie andre, hat nun auch Marx das
Recht, unter Kapital zu verstehen, was er will, aber wenn er die Erklärungen
andrer Unsinn nennt, dann haben diese andern auch das Recht, die seine Un¬
sinn zu nennen. Wir unsrerseits nennen, abweichend von Marx, die Gesamt¬
heit der Arbeitsmittel auch dann Kapital, wenn sie sich, wie das Grundstück
des Kleinbauern, im Besitz und Eigentum des Arbeitenden befinden. Aber
aus jenem von Knies richtig beschriebnen Zustande folgt die Regel, daß, wenn
sich zwei über das Kapital unterhalten wollen, jeder von beiden vorher genan



Einseitigkeit gegen Einseitigkeit! "Der Fabrikherr allein, schreibt H. von Sybel (Die
Begründung des deutschen Reichs VII, 126), ist durch seine geistige, während des ganzen Ver¬
laufs unausgesetzte Arbeit der Schöpfer der Mehrwerte, die demnach von Rechts wegen ihm
allein zufallen."
Das Kapital von Karl Marx

muß, wenn er überhaupt Arbeit haben will, setzt diesen in Stand, eine zwölf-
stündige Arbeitszeit zu erzwingen und sich das Produkt der zweiten sechs
Stunden als Mehrwert anzueignen. Dieser Mehrwert ist nun freilich noch
kein Reingewinn, denn er hat ihn mit dem Kapitalisten, der ihm Geld leiht,
mit dem Kaufmann, der seine Fabrikate vertreibt, und mit dem Grundrentner
zu teilen. Die Thatsachen sind unbestreitbar, aber Marx sündigt dadurch,
daß er um dieser Thatsachen willen, die sich doch nun einmal nicht ändern
lassen, solange die Produktionsvrdnung so bleibt, wie sie ist, den Unternehmer
einen Ausbeuter schilt. Zwar sagt er selbst ausdrücklich, daß dieser Zustand
ein ohne alle bewußte Absicht der Beteiligten gcwordnes Ergebnis eines ge¬
schichtlichen Prozesses sei, aber er gießt doch bei jeder Gelegenheit grimmen
gehässigen Spott über diese unglückliche Klasse der „Ausbeuter" aus. Es
giebt welche, die es sind, und die verdienen Tadel. An und für sich aber
sind sie es nicht, sondern geistige Mitarbeiter in dem arbeitsteiligen Produktions¬
prozeß, die ihren Lebensunterhalt und die Mittel zur Fortführung ihres Unter¬
nehmens auf keine andre Weise erlangen können, als daß sie ihren Arbeitern
nicht das ganze Arbeitsprodukt lasse», das ja auch gar nicht einmal das aus¬
schließliche Produkt der Thätigkeit dieser Arbeiter ist. da die Erbauer der
Maschinen, deren sie sich bedienen, die Ingenieure und tausenderlei Arbeiter,
die sich gar nicht alle ermitteln lassen, ihren Anteil daran habend)

Kapitalistisch nennt Marx diese unsre heutige Produktionsordnuug. Unter
Kapital aber versteht er Grundstücke, Arbeitswerkzeugc, Materialien (oder in
solchen angelegtes Geld) und Arbeitslöhne, die von einem Unternehmer dazu
verwendet werden, aus Arbeitern Mehrwert herauszuschlagen. In diesem Punkte
nun stimmen wir Knies bei, der sich darüber in dem oben angeführten Buche
ungefähr folgendermaßen ausläßt. Während für gewöhnlich bei Begriffsbestim¬
mungen der Gegenstand, den man definiren will, feststeht, und die Meinungen
höchstens darüber auseinandergehen, welche Merkmale des Gegenstandes in die
Erklärung aufzunehmen seien, haben bei dem Worte Kapital die Erklärer ganz
verschiedne Gegenstände im Sinn. So gut wie andre, hat nun auch Marx das
Recht, unter Kapital zu verstehen, was er will, aber wenn er die Erklärungen
andrer Unsinn nennt, dann haben diese andern auch das Recht, die seine Un¬
sinn zu nennen. Wir unsrerseits nennen, abweichend von Marx, die Gesamt¬
heit der Arbeitsmittel auch dann Kapital, wenn sie sich, wie das Grundstück
des Kleinbauern, im Besitz und Eigentum des Arbeitenden befinden. Aber
aus jenem von Knies richtig beschriebnen Zustande folgt die Regel, daß, wenn
sich zwei über das Kapital unterhalten wollen, jeder von beiden vorher genan



Einseitigkeit gegen Einseitigkeit! „Der Fabrikherr allein, schreibt H. von Sybel (Die
Begründung des deutschen Reichs VII, 126), ist durch seine geistige, während des ganzen Ver¬
laufs unausgesetzte Arbeit der Schöpfer der Mehrwerte, die demnach von Rechts wegen ihm
allein zufallen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/38>, abgerufen am 27.07.2024.