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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Kapital von Karl Marx

"Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt
ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten." Aber nicht die
besondre Art der Arbeit kommt sür den Tauschwert in Betracht, etwa daß
die Ware ein Produkt der Tischlerarbeit oder der Spinnarbeit ist, sondern
nur, daß überhaupt menschliche Arbeit drin steckt, "Verausgabung menschlicher
Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung. . . . Ein Ge¬
brauchswert oder Gut hat also nur Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in
ihm vergegenständlicht oder mcitericilisirt ist. Wie nun die Größe seines Wertes
messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen wertbildenden Sub¬
stanz, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich an ihrer Zeit¬
dauer, wie Stunde, Tag u. s. w. Es könnte demnach scheinen, daß, je fauler
oder ungeschickter ein Mann W, desto wertvoller seine Ware swäre^, weil
er desto mehr Zeit zu ihrer Verfertigung braucht. Die Arbeit jedoch, welche
die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung
derselben menschlichen Arbeitskraft. Die gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft,
die sich in den Werten der Warenwelt darstellt, gilt hier als eine und die¬
selbe menschliche Arbeitskraft, obgleich sie aus zahllose" individuellen Arbeits¬
kräften besteht. Jede dieser individuellen Arbeitskräfte ist dieselbe menschliche
Arbeitskraft wie die andre, soweit sie den Charakter einer gesellschaftlichen
Durchschnittsarbeitskraft besitzt und als solche wirkt, also in der Produktion
einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich not¬
wendige Arbeitszeit braucht. Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeits¬
zeit, erheischt, um irgend einen Gebrauchswert mit den vorhandnen gesell¬
schaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durch¬
schnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen. Nach der
Einführung des Dampfwebstuhls in England z. B. genügte vielleicht halb so
viel Arbeit als vorher, um ein gegebnes Quantum Garn in Gewebe zu ver¬
wandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Verwandlung in der
That nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen
Arbeitsstunde stellte jetzt uur noch eine halbe gesellschaftliche Arbeitsstunde
dar und fiel daher auf die Hälfte seines frühern Wertes. ... Ein Ding kann
Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein
Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jung¬
fräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz. Ein Ding kann
nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch
sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert,
aber nicht Ware. Um Ware zu Produziren, muß er nicht nur Gebrauchs¬
wert Produziren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftlichen Gebrauchs¬
wert. >Hierzu bemerkt Engels: nicht für andre schlechthin. Der mittelalter¬
liche Bauer produzirte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkvrn
für den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehntkorn wurden dadurch


Das Kapital von Karl Marx

„Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt
ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten." Aber nicht die
besondre Art der Arbeit kommt sür den Tauschwert in Betracht, etwa daß
die Ware ein Produkt der Tischlerarbeit oder der Spinnarbeit ist, sondern
nur, daß überhaupt menschliche Arbeit drin steckt, „Verausgabung menschlicher
Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung. . . . Ein Ge¬
brauchswert oder Gut hat also nur Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in
ihm vergegenständlicht oder mcitericilisirt ist. Wie nun die Größe seines Wertes
messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen wertbildenden Sub¬
stanz, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich an ihrer Zeit¬
dauer, wie Stunde, Tag u. s. w. Es könnte demnach scheinen, daß, je fauler
oder ungeschickter ein Mann W, desto wertvoller seine Ware swäre^, weil
er desto mehr Zeit zu ihrer Verfertigung braucht. Die Arbeit jedoch, welche
die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung
derselben menschlichen Arbeitskraft. Die gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft,
die sich in den Werten der Warenwelt darstellt, gilt hier als eine und die¬
selbe menschliche Arbeitskraft, obgleich sie aus zahllose» individuellen Arbeits¬
kräften besteht. Jede dieser individuellen Arbeitskräfte ist dieselbe menschliche
Arbeitskraft wie die andre, soweit sie den Charakter einer gesellschaftlichen
Durchschnittsarbeitskraft besitzt und als solche wirkt, also in der Produktion
einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich not¬
wendige Arbeitszeit braucht. Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeits¬
zeit, erheischt, um irgend einen Gebrauchswert mit den vorhandnen gesell¬
schaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durch¬
schnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen. Nach der
Einführung des Dampfwebstuhls in England z. B. genügte vielleicht halb so
viel Arbeit als vorher, um ein gegebnes Quantum Garn in Gewebe zu ver¬
wandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Verwandlung in der
That nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen
Arbeitsstunde stellte jetzt uur noch eine halbe gesellschaftliche Arbeitsstunde
dar und fiel daher auf die Hälfte seines frühern Wertes. ... Ein Ding kann
Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein
Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jung¬
fräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz. Ein Ding kann
nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch
sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert,
aber nicht Ware. Um Ware zu Produziren, muß er nicht nur Gebrauchs¬
wert Produziren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftlichen Gebrauchs¬
wert. >Hierzu bemerkt Engels: nicht für andre schlechthin. Der mittelalter¬
liche Bauer produzirte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkvrn
für den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehntkorn wurden dadurch


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[0031] Das Kapital von Karl Marx „Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten." Aber nicht die besondre Art der Arbeit kommt sür den Tauschwert in Betracht, etwa daß die Ware ein Produkt der Tischlerarbeit oder der Spinnarbeit ist, sondern nur, daß überhaupt menschliche Arbeit drin steckt, „Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung. . . . Ein Ge¬ brauchswert oder Gut hat also nur Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder mcitericilisirt ist. Wie nun die Größe seines Wertes messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen wertbildenden Sub¬ stanz, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich an ihrer Zeit¬ dauer, wie Stunde, Tag u. s. w. Es könnte demnach scheinen, daß, je fauler oder ungeschickter ein Mann W, desto wertvoller seine Ware swäre^, weil er desto mehr Zeit zu ihrer Verfertigung braucht. Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft. Die gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft, die sich in den Werten der Warenwelt darstellt, gilt hier als eine und die¬ selbe menschliche Arbeitskraft, obgleich sie aus zahllose» individuellen Arbeits¬ kräften besteht. Jede dieser individuellen Arbeitskräfte ist dieselbe menschliche Arbeitskraft wie die andre, soweit sie den Charakter einer gesellschaftlichen Durchschnittsarbeitskraft besitzt und als solche wirkt, also in der Produktion einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich not¬ wendige Arbeitszeit braucht. Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeits¬ zeit, erheischt, um irgend einen Gebrauchswert mit den vorhandnen gesell¬ schaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durch¬ schnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen. Nach der Einführung des Dampfwebstuhls in England z. B. genügte vielleicht halb so viel Arbeit als vorher, um ein gegebnes Quantum Garn in Gewebe zu ver¬ wandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Verwandlung in der That nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen Arbeitsstunde stellte jetzt uur noch eine halbe gesellschaftliche Arbeitsstunde dar und fiel daher auf die Hälfte seines frühern Wertes. ... Ein Ding kann Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jung¬ fräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz. Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu Produziren, muß er nicht nur Gebrauchs¬ wert Produziren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftlichen Gebrauchs¬ wert. >Hierzu bemerkt Engels: nicht für andre schlechthin. Der mittelalter¬ liche Bauer produzirte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkvrn für den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehntkorn wurden dadurch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/31>, abgerufen am 28.06.2024.