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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Kapital von Karl Marx

darüber abzugeben ist sowohl möglich, als auch Pflicht. Wir wollen uns
dieser Pflicht entledigen, so gut es in dem engen Rahmen eines Zeitschriften-
anfsatzes geht, indem wir zunächst die im ersten Bande entwickelten Haupt-
grundlchre", dann ein paar wichtige Stellen des dritten Bandes beleuchten.

Die erste Grundlehre Marxens ist seine Theorie des Tauschwerth. Schon
Smith und Ricardo hatten die Ansicht ausgesprochen, daß es die in den
Waren steckende Arbeit sei, was ihnen einen größern oder geringern Tausch¬
wert verleihe. Marx hat diese Ansicht sehr scharfsinnig durchgearbeitet und
zur Grundlage des ganzen Systems gemacht. Wir stellen die Hauptsätze des
ersten Kapitels, das davon handelt, zusammen. "Die Nützlichkeit eines Dinges
macht es zum Gebrauchswert. Aber diese Nützlichkeit schwebt nicht in der
Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkörpers bedingt, existirt sie nicht
ohne diese. . . . Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch oder
der Konsumtion. Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums,
welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrach¬
tenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Träger des Tausch-
werth. Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis,
die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte
andrer Art austauschen, ein Verhältnis, das beständig mit Zeit und Ort
wechselt.... Nehmen wir zwei Waren, z.B. Weizen und Eisen. Welches
immer ihr Austauschverhältnis sei, es ist stets darstellbar in einer Gleichung,
worin ein gegebnes Quantum Weizen irgend einem Quantum Eisen gleich¬
gesetzt wird, z. B. 1 Quarter Weizen s, Zentner Eisen. Was besagt diese
Gleichung? Daß ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiednen
Dingen existirt, in 1 Qnarter Weizen und ebenfalls in u, Zentnern Eisen.
Beide sind also gleich einem dritten, das an und für sich weder das eine noch
das andre ist. Jedes der beiden, soweit es Tauschwert W, muß also auf
dieses dritte reduzirbar sein. Ein einfaches geometrisches Beispiel veranschau¬
liche dies. Um den Flücheninhalt aller geradlinigen Figuren zu bestimmen
und zu vergleichen, löst man sie in Dreiecke auf. Das Dreieck selbst reduzirt
man auf einen von seiner sichtbaren Figur ganz verschiednen Ausdruck -- das
halbe Produkt seiner Grundlinie mit seiner Höhe. Ebenso sind die Tausch¬
werte zu reduziren auf ein Gemeinsames, wovon sie ein Mehr oder Minder
darstellen. Das Gemeinsame kann nicht eine geometrische, physikalische, che¬
mische oder sonstige natürliche Eigenschaft der Waren sein. Die körperlichen
Eigenschaften kommen überhaupt nur in Betracht, soweit selbe sie nutzbar
machen, also zu Gebrauchswerte". Andrerseits aber ist es gerade die Abstrak¬
tion von ihren Gebrauchswerten, was das Austauschverhältnis der Waren
augenscheinlich charakterifirt. Innerhalb desselben gilt ein Gebrauchswert ge¬
rade so viel wie jeder andre, wenn er nur in gehöriger Proportion vor¬
handen ist."


Das Kapital von Karl Marx

darüber abzugeben ist sowohl möglich, als auch Pflicht. Wir wollen uns
dieser Pflicht entledigen, so gut es in dem engen Rahmen eines Zeitschriften-
anfsatzes geht, indem wir zunächst die im ersten Bande entwickelten Haupt-
grundlchre», dann ein paar wichtige Stellen des dritten Bandes beleuchten.

Die erste Grundlehre Marxens ist seine Theorie des Tauschwerth. Schon
Smith und Ricardo hatten die Ansicht ausgesprochen, daß es die in den
Waren steckende Arbeit sei, was ihnen einen größern oder geringern Tausch¬
wert verleihe. Marx hat diese Ansicht sehr scharfsinnig durchgearbeitet und
zur Grundlage des ganzen Systems gemacht. Wir stellen die Hauptsätze des
ersten Kapitels, das davon handelt, zusammen. „Die Nützlichkeit eines Dinges
macht es zum Gebrauchswert. Aber diese Nützlichkeit schwebt nicht in der
Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkörpers bedingt, existirt sie nicht
ohne diese. . . . Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch oder
der Konsumtion. Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums,
welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrach¬
tenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Träger des Tausch-
werth. Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis,
die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte
andrer Art austauschen, ein Verhältnis, das beständig mit Zeit und Ort
wechselt.... Nehmen wir zwei Waren, z.B. Weizen und Eisen. Welches
immer ihr Austauschverhältnis sei, es ist stets darstellbar in einer Gleichung,
worin ein gegebnes Quantum Weizen irgend einem Quantum Eisen gleich¬
gesetzt wird, z. B. 1 Quarter Weizen s, Zentner Eisen. Was besagt diese
Gleichung? Daß ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiednen
Dingen existirt, in 1 Qnarter Weizen und ebenfalls in u, Zentnern Eisen.
Beide sind also gleich einem dritten, das an und für sich weder das eine noch
das andre ist. Jedes der beiden, soweit es Tauschwert W, muß also auf
dieses dritte reduzirbar sein. Ein einfaches geometrisches Beispiel veranschau¬
liche dies. Um den Flücheninhalt aller geradlinigen Figuren zu bestimmen
und zu vergleichen, löst man sie in Dreiecke auf. Das Dreieck selbst reduzirt
man auf einen von seiner sichtbaren Figur ganz verschiednen Ausdruck — das
halbe Produkt seiner Grundlinie mit seiner Höhe. Ebenso sind die Tausch¬
werte zu reduziren auf ein Gemeinsames, wovon sie ein Mehr oder Minder
darstellen. Das Gemeinsame kann nicht eine geometrische, physikalische, che¬
mische oder sonstige natürliche Eigenschaft der Waren sein. Die körperlichen
Eigenschaften kommen überhaupt nur in Betracht, soweit selbe sie nutzbar
machen, also zu Gebrauchswerte«. Andrerseits aber ist es gerade die Abstrak¬
tion von ihren Gebrauchswerten, was das Austauschverhältnis der Waren
augenscheinlich charakterifirt. Innerhalb desselben gilt ein Gebrauchswert ge¬
rade so viel wie jeder andre, wenn er nur in gehöriger Proportion vor¬
handen ist."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/30>, abgerufen am 27.07.2024.