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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Satzes zuzugeben, daß die Zukunft des Einflusses der Holländer in Südafrika
in der Englands aufgehen müsse. Wir mögen den richtigen Augenblick verpaßt
haben; aber wir haben doch Fuß gefaßt in Südafrika, und aus den bloßen
Sympathien, die in den ersten achtziger Jahren dem Präsidenten Krüger einen
so warmen Empfang in Berlin verschafften, ist seitdem eine selbstverständliche
Interessengemeinschaft geworden.

Als Besitzer von Südwestafrika, einer Kolonie, die anderthalbmal so groß
als Deutschland und viel reicher an Hilfsquellen ist, als man allgemein glaubt,
und die einst taufenden von deutschen Auswandrern eine Heimat bieten wird,
haben auch wir Deutschen uns jeder Hemmung und Störung durch England zu
versehen und müssen uns klar machen, daß jeder Schritt, den England an
unsrer Grenze und in den Burenrepnbliken thut, immer mit dem Hinter¬
gedanken gemacht wird, daß Südafrika englisch werden müsse. Kaum hatte
neulich der Transvaalprüsident Krüger ein paar freundliche Worte über
Deutschland am Geburtstag unsers Kaisers gesagt, als ein früherer Kollege
von Rhodes, Herr Merrimcm, in einer politischen Rede in Craddock sich ge¬
müßigt sah, zu verkünden, daß trotz aller innern Zwiste die Südafrikaner sehr
bald ein einig Volk von Brüdern sein würden. "Wir können unsre Zwistig-
keiten selbst ordnen. Wir haben nichts gegen die Ausländer, wenn aber
Frankreich oder Deutschland die Absicht bekunden sollten, sich in unsre Händel
zu mischen, so gewinnt die Sache ein andres Ansehen." Eine auswärtige
Macht in die Zwistigkeiten der Buren und Engländer hineinziehen zu wollen,
sei frevelhaft. Deutschland ist aber in Südafrika gar keine auswärtige Macht,
es beherrscht dieselben Hottentotten, Buschmänner und Neger im Westen wie
die Kapkolonie im Osten und ist schon durch die geographische Lage seines
Gebiets zwischen englischem und portugiesischem ein natürlicher Verbündeter
der Buren, die wir, trotz amtlich-ängstlicher Bedenken, gern in größerer
Zahl auf unserm Boden sich ansiedeln sehen möchten.

Die Engländer behandeln mit bewußter Geringschätzung die Portugiesen
in Südafrika als eine Größe, mit der man nicht zu rechnen braucht. Aber
die portugiesischen Gebiete umfassen von der Delagoabai bis zur Grenze
Deutsch-Ostafrikas auf einem Raum, der fast der doppelte Deutschlands ist,
so bedeutende Punkte wie die Delagoabai, die Mündungen des Limpopo,
Sambesi und Rovuma und gehen landeinwärts bis zum Nyassasee und keil¬
förmig in das englische Sambesigebiet hinein. Es sind fruchtbare und zum
Teil goldreiche Stufenländer mit gefunden Höhenlandschaften. Politisch sind
sie das Bindeglied zwischen Deutsch-Ostafrika und den Burenstaaten, und in
Deutschland erkennt man diesen Wert. Wir sind die natürlichen Freunde
und Beschützer der Portugiesen wie der Buren in Süd- und Ostafrika.

Der Gegensatz zwischen den beiden germanischen Völkern in Südafrika
erhält aber noch mehr Schärfe, als ihm kraft seiner Entwicklung eigen ist,


Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Satzes zuzugeben, daß die Zukunft des Einflusses der Holländer in Südafrika
in der Englands aufgehen müsse. Wir mögen den richtigen Augenblick verpaßt
haben; aber wir haben doch Fuß gefaßt in Südafrika, und aus den bloßen
Sympathien, die in den ersten achtziger Jahren dem Präsidenten Krüger einen
so warmen Empfang in Berlin verschafften, ist seitdem eine selbstverständliche
Interessengemeinschaft geworden.

Als Besitzer von Südwestafrika, einer Kolonie, die anderthalbmal so groß
als Deutschland und viel reicher an Hilfsquellen ist, als man allgemein glaubt,
und die einst taufenden von deutschen Auswandrern eine Heimat bieten wird,
haben auch wir Deutschen uns jeder Hemmung und Störung durch England zu
versehen und müssen uns klar machen, daß jeder Schritt, den England an
unsrer Grenze und in den Burenrepnbliken thut, immer mit dem Hinter¬
gedanken gemacht wird, daß Südafrika englisch werden müsse. Kaum hatte
neulich der Transvaalprüsident Krüger ein paar freundliche Worte über
Deutschland am Geburtstag unsers Kaisers gesagt, als ein früherer Kollege
von Rhodes, Herr Merrimcm, in einer politischen Rede in Craddock sich ge¬
müßigt sah, zu verkünden, daß trotz aller innern Zwiste die Südafrikaner sehr
bald ein einig Volk von Brüdern sein würden. „Wir können unsre Zwistig-
keiten selbst ordnen. Wir haben nichts gegen die Ausländer, wenn aber
Frankreich oder Deutschland die Absicht bekunden sollten, sich in unsre Händel
zu mischen, so gewinnt die Sache ein andres Ansehen." Eine auswärtige
Macht in die Zwistigkeiten der Buren und Engländer hineinziehen zu wollen,
sei frevelhaft. Deutschland ist aber in Südafrika gar keine auswärtige Macht,
es beherrscht dieselben Hottentotten, Buschmänner und Neger im Westen wie
die Kapkolonie im Osten und ist schon durch die geographische Lage seines
Gebiets zwischen englischem und portugiesischem ein natürlicher Verbündeter
der Buren, die wir, trotz amtlich-ängstlicher Bedenken, gern in größerer
Zahl auf unserm Boden sich ansiedeln sehen möchten.

Die Engländer behandeln mit bewußter Geringschätzung die Portugiesen
in Südafrika als eine Größe, mit der man nicht zu rechnen braucht. Aber
die portugiesischen Gebiete umfassen von der Delagoabai bis zur Grenze
Deutsch-Ostafrikas auf einem Raum, der fast der doppelte Deutschlands ist,
so bedeutende Punkte wie die Delagoabai, die Mündungen des Limpopo,
Sambesi und Rovuma und gehen landeinwärts bis zum Nyassasee und keil¬
förmig in das englische Sambesigebiet hinein. Es sind fruchtbare und zum
Teil goldreiche Stufenländer mit gefunden Höhenlandschaften. Politisch sind
sie das Bindeglied zwischen Deutsch-Ostafrika und den Burenstaaten, und in
Deutschland erkennt man diesen Wert. Wir sind die natürlichen Freunde
und Beschützer der Portugiesen wie der Buren in Süd- und Ostafrika.

Der Gegensatz zwischen den beiden germanischen Völkern in Südafrika
erhält aber noch mehr Schärfe, als ihm kraft seiner Entwicklung eigen ist,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/20>, abgerufen am 27.07.2024.