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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Eiserne Brücken

dehnung des Gleises erforderlichen Zwischenräume außerhalb der Spannweiten
auf die festen Pfeiler gelegt werden. Auf diese Weise könnte ein starrer, fast
homogener Schienenstrang geschaffen und jeder beim Dariiberfahren der Bahn¬
züge an den Schienenwechseln entstehende Stoß auf das geringste Maß zurück¬
geführt werden. So lange ein ähnliches Mittel nicht gefunden ist, müßten,
genau genommen, auch die einzelnen Teile der Brücken und insbesondre die
Hauptträger nach bestimmten Zeiträumen gegen neue ausgetauscht oder durch
neue verstärkt werden, eine Arbeit, die umständlich und gefahrvoll wäre, wenn,
wie es meistens der Fall sein wird, der Betrieb der Brücke nicht unterbrochen
werden dürfte.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß mit der Verwendung des Eisens zum
Brückenbau mancherlei Mißstände verbunden sind, die beiSteinbrücken --passendes
Material und richtige Konstruktion vorausgesetzt -- ganz wegfallen, da Stein¬
gewölbe irgend welchen Veränderungen von Bedeutung nicht unterworfen sind
und daher eine weit größere Bürgschaft für Festigkeit und Dauer geben. (Selbst
Holzbrücken zeigen unter Umständen außerordentliche Dauer. Der Unterbau
der alten Römerbrücke bei Koblenz, der im Dezember v. I. versteigert wurde,
hatte ein Alter von 1600 Jahren. Allerdings waren dazu Eichenhölzer von
130 Centimeter Durchmesser verwendet worden.) Außerdem läßt sich die Stärke
der Steingewölbe einfacher aus dem Druck berechnen, den sie auszuhalten haben,
wobei noch eine mehrfache Sicherheit gegeben werden kann, während die Eisen¬
konstruktionen, die bisher nicht immer den Gewölben nachgebildet, sondern teils
als Blech- oder Gitterträger, teils als Hängewerke oder als Sprengwerke
oder aus beiden zugleich hergestellt wurden und mit Verstärkungen und Ver¬
steifungen versehen werden mußten, weit schwieriger zu berechnen sind. Aber
die Spannweite der Steinbogen ist eng begrenzt. Man würde Brücken mit
Spannweiten von Hunderten von Metern, wie sie jetzt in wenigen Jahren aus
Eisen aufgeführt werden, nur mit einem ganz ungeheuern Aufwand von Zeit
und Geld zu stände bringen, wenn sie aus Stein hergestellt werden sollten
und ihre Ausführung überhaupt möglich wäre. Zeit und Geld sind aber auch
hier wie überall die Mächte, denen sich jedes Bedenken über das "trügerische
Material" unterordnen muß.

Und dennoch könnte die Bruchgefahr eiserner Brücken annähernd bis zu
der der Steindrucken vermindert werden, wenn bei den Eisenkonstruktionen
durchweg nach dem Grundsatze verfahren würde, daß die tragenden Teile nur
"auf Druck beansprucht" werden (d. h., daß ihnen nur Druck nach der Richtung
ihrer Längenachse zugemutet werden darf), wodurch die Moleküle sozusagen ver¬
dichtet werden, und daß die "Beanspruchung auf Zug" oder Biegung, wodurch
die Moleküle von einander entfernt werden, mithin das Eisen gelockert wird,
thunlichst vermieden wird. Mit andern Worten: bei eisernen Brücken wird die
höchste Stabilität und Dauerhaftigkeit dadurch erreicht, daß ihre Hauptträger,


Eiserne Brücken

dehnung des Gleises erforderlichen Zwischenräume außerhalb der Spannweiten
auf die festen Pfeiler gelegt werden. Auf diese Weise könnte ein starrer, fast
homogener Schienenstrang geschaffen und jeder beim Dariiberfahren der Bahn¬
züge an den Schienenwechseln entstehende Stoß auf das geringste Maß zurück¬
geführt werden. So lange ein ähnliches Mittel nicht gefunden ist, müßten,
genau genommen, auch die einzelnen Teile der Brücken und insbesondre die
Hauptträger nach bestimmten Zeiträumen gegen neue ausgetauscht oder durch
neue verstärkt werden, eine Arbeit, die umständlich und gefahrvoll wäre, wenn,
wie es meistens der Fall sein wird, der Betrieb der Brücke nicht unterbrochen
werden dürfte.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß mit der Verwendung des Eisens zum
Brückenbau mancherlei Mißstände verbunden sind, die beiSteinbrücken —passendes
Material und richtige Konstruktion vorausgesetzt — ganz wegfallen, da Stein¬
gewölbe irgend welchen Veränderungen von Bedeutung nicht unterworfen sind
und daher eine weit größere Bürgschaft für Festigkeit und Dauer geben. (Selbst
Holzbrücken zeigen unter Umständen außerordentliche Dauer. Der Unterbau
der alten Römerbrücke bei Koblenz, der im Dezember v. I. versteigert wurde,
hatte ein Alter von 1600 Jahren. Allerdings waren dazu Eichenhölzer von
130 Centimeter Durchmesser verwendet worden.) Außerdem läßt sich die Stärke
der Steingewölbe einfacher aus dem Druck berechnen, den sie auszuhalten haben,
wobei noch eine mehrfache Sicherheit gegeben werden kann, während die Eisen¬
konstruktionen, die bisher nicht immer den Gewölben nachgebildet, sondern teils
als Blech- oder Gitterträger, teils als Hängewerke oder als Sprengwerke
oder aus beiden zugleich hergestellt wurden und mit Verstärkungen und Ver¬
steifungen versehen werden mußten, weit schwieriger zu berechnen sind. Aber
die Spannweite der Steinbogen ist eng begrenzt. Man würde Brücken mit
Spannweiten von Hunderten von Metern, wie sie jetzt in wenigen Jahren aus
Eisen aufgeführt werden, nur mit einem ganz ungeheuern Aufwand von Zeit
und Geld zu stände bringen, wenn sie aus Stein hergestellt werden sollten
und ihre Ausführung überhaupt möglich wäre. Zeit und Geld sind aber auch
hier wie überall die Mächte, denen sich jedes Bedenken über das „trügerische
Material" unterordnen muß.

Und dennoch könnte die Bruchgefahr eiserner Brücken annähernd bis zu
der der Steindrucken vermindert werden, wenn bei den Eisenkonstruktionen
durchweg nach dem Grundsatze verfahren würde, daß die tragenden Teile nur
„auf Druck beansprucht" werden (d. h., daß ihnen nur Druck nach der Richtung
ihrer Längenachse zugemutet werden darf), wodurch die Moleküle sozusagen ver¬
dichtet werden, und daß die „Beanspruchung auf Zug" oder Biegung, wodurch
die Moleküle von einander entfernt werden, mithin das Eisen gelockert wird,
thunlichst vermieden wird. Mit andern Worten: bei eisernen Brücken wird die
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[0123] Eiserne Brücken dehnung des Gleises erforderlichen Zwischenräume außerhalb der Spannweiten auf die festen Pfeiler gelegt werden. Auf diese Weise könnte ein starrer, fast homogener Schienenstrang geschaffen und jeder beim Dariiberfahren der Bahn¬ züge an den Schienenwechseln entstehende Stoß auf das geringste Maß zurück¬ geführt werden. So lange ein ähnliches Mittel nicht gefunden ist, müßten, genau genommen, auch die einzelnen Teile der Brücken und insbesondre die Hauptträger nach bestimmten Zeiträumen gegen neue ausgetauscht oder durch neue verstärkt werden, eine Arbeit, die umständlich und gefahrvoll wäre, wenn, wie es meistens der Fall sein wird, der Betrieb der Brücke nicht unterbrochen werden dürfte. Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß mit der Verwendung des Eisens zum Brückenbau mancherlei Mißstände verbunden sind, die beiSteinbrücken —passendes Material und richtige Konstruktion vorausgesetzt — ganz wegfallen, da Stein¬ gewölbe irgend welchen Veränderungen von Bedeutung nicht unterworfen sind und daher eine weit größere Bürgschaft für Festigkeit und Dauer geben. (Selbst Holzbrücken zeigen unter Umständen außerordentliche Dauer. Der Unterbau der alten Römerbrücke bei Koblenz, der im Dezember v. I. versteigert wurde, hatte ein Alter von 1600 Jahren. Allerdings waren dazu Eichenhölzer von 130 Centimeter Durchmesser verwendet worden.) Außerdem läßt sich die Stärke der Steingewölbe einfacher aus dem Druck berechnen, den sie auszuhalten haben, wobei noch eine mehrfache Sicherheit gegeben werden kann, während die Eisen¬ konstruktionen, die bisher nicht immer den Gewölben nachgebildet, sondern teils als Blech- oder Gitterträger, teils als Hängewerke oder als Sprengwerke oder aus beiden zugleich hergestellt wurden und mit Verstärkungen und Ver¬ steifungen versehen werden mußten, weit schwieriger zu berechnen sind. Aber die Spannweite der Steinbogen ist eng begrenzt. Man würde Brücken mit Spannweiten von Hunderten von Metern, wie sie jetzt in wenigen Jahren aus Eisen aufgeführt werden, nur mit einem ganz ungeheuern Aufwand von Zeit und Geld zu stände bringen, wenn sie aus Stein hergestellt werden sollten und ihre Ausführung überhaupt möglich wäre. Zeit und Geld sind aber auch hier wie überall die Mächte, denen sich jedes Bedenken über das „trügerische Material" unterordnen muß. Und dennoch könnte die Bruchgefahr eiserner Brücken annähernd bis zu der der Steindrucken vermindert werden, wenn bei den Eisenkonstruktionen durchweg nach dem Grundsatze verfahren würde, daß die tragenden Teile nur „auf Druck beansprucht" werden (d. h., daß ihnen nur Druck nach der Richtung ihrer Längenachse zugemutet werden darf), wodurch die Moleküle sozusagen ver¬ dichtet werden, und daß die „Beanspruchung auf Zug" oder Biegung, wodurch die Moleküle von einander entfernt werden, mithin das Eisen gelockert wird, thunlichst vermieden wird. Mit andern Worten: bei eisernen Brücken wird die höchste Stabilität und Dauerhaftigkeit dadurch erreicht, daß ihre Hauptträger,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/123>, abgerufen am 28.07.2024.