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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Lindrücke

Von diesen Verhältnissen wird das Aussehen der italienischen Landschaft
ganz wesentlich mit bestimmt. Die Gegensätze sind groß, obwohl bei weitem
nicht so groß wie in Deutschland. Im Norden breitet sich zwischen Alpen
und Apenninen die weite, einförmige Poebne, in ihrem östlichen Teile nur
selten von isolirten Höhen, wie den anmutigen Euganeen und den Monti Berici,
unterbrochen, aber für das Auge weithin beherrscht von den Steilwänden der
Alpen mit ihren leuchtenden Schneelauinen oder von den laugen Rücken der
Apenninen. Zwischen hohen Dämmen zieht langsam der mächtige, aber wenig
belebte Po dahin, in höherer Lage als die Ebne; in breitem, größtenteils mit
Geröllmassen ausgefüllten und trockenliegendem Bett schießt die graugrünliche
Flut der von den Alpen und dem Apennin herabrinnenden Flüsse dem Po
oder dem Meere zu, rasch anschwellend zu zerstörender Höhe, wenn ihnen die
Schneeschmelze oder Regengüsse plötzlich die Wassermassen aus den nackten Kalk¬
gebirgen zuführen. Breit in der Ebne hingestreckt, oft, wie z. B. Padua und
Ferrara, von Kanälen durchzogen, liegen die Städte; dazwischen ist das tisch¬
flache Land mit zahllosem Einzelhöfen übersät und von Feldern bedeckt, und auf
ihnen ziehen sich in endlosen, geraden Reihen die eigentümlich zugestutztem
Maulbeerbäume und Pappeln hin, zwischen denen sich die Weinranken schlingen.
Dann und wann taucht auch ein Herrensitz mit üppigen Parkanlagen auf,
während eigentlicher Wald völlig fehlt. Im Osten, nach der Adria hin, dehnen
sich weite, offne, sumpfige Flüchen und tiefe Wassergräben, in denen abends
die Frösche unermüdlich konzertiren. Gegenüber dieser in ihren großen Zügen
immer gleichförmigen Landschaft bietet die eigentliche Halbinsel ein viel mannich-
faltigeres Bild. Überall zeigen sich näher oder ferner die langgestreckten Züge
des Apennin, oft zerrissen und zackig, die höchsten Teile selbst im Süden
noch Anfang Mai mit Schnee bedeckt, davor Ausläufer und isolirte Höhen¬
züge, dazwischen engere und weitere Thalebnen, jedes Stück verschieden von
dem andern, die Flüsse auch hier, selbst im Westen, ziemlich raschen Laufs,
aber in geschlossenem Bett, zuweilen nicht unansehnlich, aber wenig oder gar nicht
schiffbar; die uralten Städte oft hvchthronend auf Bergesrücken, nicht selten
noch umgeben von ihren Mauern aus römischer oder gar etruskischer Zeit,
von hohen Kastellen noch überragt, höchst unbequem gelegen für den modernen
Verkehr, der seine Eisenstraßen möglichst in der Ebne führt und sie daher
beiseite läßt, das platte Land bald, obwohl gut bebaut, doch auf lange Strecken
scheinbar fast menschenleer, wie z. B. zwischen Rom und der alten neapoli¬
tanischen Grenze, weil die Bewirtschaftung von den Städten ausgeht, bald
von Dörfern und Einzelhöfen dicht besetzt, wie z. B. in der herrlichen Land¬
schaft am Südfuße des Apennin zwischen Pisa und Pistoja und im ganzen
nördlichen Toscmia, in Umbrien und in der Terra ti lavoro. Alles steht hier
ini reichsten Anbau, nirgends reicher als auf dem tiefschwarzen vulkanischen
Boden der gesegneten Campagna felice, wo über kleinen Getreidefeldern und


Italienische Lindrücke

Von diesen Verhältnissen wird das Aussehen der italienischen Landschaft
ganz wesentlich mit bestimmt. Die Gegensätze sind groß, obwohl bei weitem
nicht so groß wie in Deutschland. Im Norden breitet sich zwischen Alpen
und Apenninen die weite, einförmige Poebne, in ihrem östlichen Teile nur
selten von isolirten Höhen, wie den anmutigen Euganeen und den Monti Berici,
unterbrochen, aber für das Auge weithin beherrscht von den Steilwänden der
Alpen mit ihren leuchtenden Schneelauinen oder von den laugen Rücken der
Apenninen. Zwischen hohen Dämmen zieht langsam der mächtige, aber wenig
belebte Po dahin, in höherer Lage als die Ebne; in breitem, größtenteils mit
Geröllmassen ausgefüllten und trockenliegendem Bett schießt die graugrünliche
Flut der von den Alpen und dem Apennin herabrinnenden Flüsse dem Po
oder dem Meere zu, rasch anschwellend zu zerstörender Höhe, wenn ihnen die
Schneeschmelze oder Regengüsse plötzlich die Wassermassen aus den nackten Kalk¬
gebirgen zuführen. Breit in der Ebne hingestreckt, oft, wie z. B. Padua und
Ferrara, von Kanälen durchzogen, liegen die Städte; dazwischen ist das tisch¬
flache Land mit zahllosem Einzelhöfen übersät und von Feldern bedeckt, und auf
ihnen ziehen sich in endlosen, geraden Reihen die eigentümlich zugestutztem
Maulbeerbäume und Pappeln hin, zwischen denen sich die Weinranken schlingen.
Dann und wann taucht auch ein Herrensitz mit üppigen Parkanlagen auf,
während eigentlicher Wald völlig fehlt. Im Osten, nach der Adria hin, dehnen
sich weite, offne, sumpfige Flüchen und tiefe Wassergräben, in denen abends
die Frösche unermüdlich konzertiren. Gegenüber dieser in ihren großen Zügen
immer gleichförmigen Landschaft bietet die eigentliche Halbinsel ein viel mannich-
faltigeres Bild. Überall zeigen sich näher oder ferner die langgestreckten Züge
des Apennin, oft zerrissen und zackig, die höchsten Teile selbst im Süden
noch Anfang Mai mit Schnee bedeckt, davor Ausläufer und isolirte Höhen¬
züge, dazwischen engere und weitere Thalebnen, jedes Stück verschieden von
dem andern, die Flüsse auch hier, selbst im Westen, ziemlich raschen Laufs,
aber in geschlossenem Bett, zuweilen nicht unansehnlich, aber wenig oder gar nicht
schiffbar; die uralten Städte oft hvchthronend auf Bergesrücken, nicht selten
noch umgeben von ihren Mauern aus römischer oder gar etruskischer Zeit,
von hohen Kastellen noch überragt, höchst unbequem gelegen für den modernen
Verkehr, der seine Eisenstraßen möglichst in der Ebne führt und sie daher
beiseite läßt, das platte Land bald, obwohl gut bebaut, doch auf lange Strecken
scheinbar fast menschenleer, wie z. B. zwischen Rom und der alten neapoli¬
tanischen Grenze, weil die Bewirtschaftung von den Städten ausgeht, bald
von Dörfern und Einzelhöfen dicht besetzt, wie z. B. in der herrlichen Land¬
schaft am Südfuße des Apennin zwischen Pisa und Pistoja und im ganzen
nördlichen Toscmia, in Umbrien und in der Terra ti lavoro. Alles steht hier
ini reichsten Anbau, nirgends reicher als auf dem tiefschwarzen vulkanischen
Boden der gesegneten Campagna felice, wo über kleinen Getreidefeldern und


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[0607] Italienische Lindrücke Von diesen Verhältnissen wird das Aussehen der italienischen Landschaft ganz wesentlich mit bestimmt. Die Gegensätze sind groß, obwohl bei weitem nicht so groß wie in Deutschland. Im Norden breitet sich zwischen Alpen und Apenninen die weite, einförmige Poebne, in ihrem östlichen Teile nur selten von isolirten Höhen, wie den anmutigen Euganeen und den Monti Berici, unterbrochen, aber für das Auge weithin beherrscht von den Steilwänden der Alpen mit ihren leuchtenden Schneelauinen oder von den laugen Rücken der Apenninen. Zwischen hohen Dämmen zieht langsam der mächtige, aber wenig belebte Po dahin, in höherer Lage als die Ebne; in breitem, größtenteils mit Geröllmassen ausgefüllten und trockenliegendem Bett schießt die graugrünliche Flut der von den Alpen und dem Apennin herabrinnenden Flüsse dem Po oder dem Meere zu, rasch anschwellend zu zerstörender Höhe, wenn ihnen die Schneeschmelze oder Regengüsse plötzlich die Wassermassen aus den nackten Kalk¬ gebirgen zuführen. Breit in der Ebne hingestreckt, oft, wie z. B. Padua und Ferrara, von Kanälen durchzogen, liegen die Städte; dazwischen ist das tisch¬ flache Land mit zahllosem Einzelhöfen übersät und von Feldern bedeckt, und auf ihnen ziehen sich in endlosen, geraden Reihen die eigentümlich zugestutztem Maulbeerbäume und Pappeln hin, zwischen denen sich die Weinranken schlingen. Dann und wann taucht auch ein Herrensitz mit üppigen Parkanlagen auf, während eigentlicher Wald völlig fehlt. Im Osten, nach der Adria hin, dehnen sich weite, offne, sumpfige Flüchen und tiefe Wassergräben, in denen abends die Frösche unermüdlich konzertiren. Gegenüber dieser in ihren großen Zügen immer gleichförmigen Landschaft bietet die eigentliche Halbinsel ein viel mannich- faltigeres Bild. Überall zeigen sich näher oder ferner die langgestreckten Züge des Apennin, oft zerrissen und zackig, die höchsten Teile selbst im Süden noch Anfang Mai mit Schnee bedeckt, davor Ausläufer und isolirte Höhen¬ züge, dazwischen engere und weitere Thalebnen, jedes Stück verschieden von dem andern, die Flüsse auch hier, selbst im Westen, ziemlich raschen Laufs, aber in geschlossenem Bett, zuweilen nicht unansehnlich, aber wenig oder gar nicht schiffbar; die uralten Städte oft hvchthronend auf Bergesrücken, nicht selten noch umgeben von ihren Mauern aus römischer oder gar etruskischer Zeit, von hohen Kastellen noch überragt, höchst unbequem gelegen für den modernen Verkehr, der seine Eisenstraßen möglichst in der Ebne führt und sie daher beiseite läßt, das platte Land bald, obwohl gut bebaut, doch auf lange Strecken scheinbar fast menschenleer, wie z. B. zwischen Rom und der alten neapoli¬ tanischen Grenze, weil die Bewirtschaftung von den Städten ausgeht, bald von Dörfern und Einzelhöfen dicht besetzt, wie z. B. in der herrlichen Land¬ schaft am Südfuße des Apennin zwischen Pisa und Pistoja und im ganzen nördlichen Toscmia, in Umbrien und in der Terra ti lavoro. Alles steht hier ini reichsten Anbau, nirgends reicher als auf dem tiefschwarzen vulkanischen Boden der gesegneten Campagna felice, wo über kleinen Getreidefeldern und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/607>, abgerufen am 25.08.2024.