Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Schutzmittel gegen den Bauschwindel

und kann dadurch mit Sicherheit ermitteln, ob vorzugsberechtigte Handwerker¬
forderungen vorhanden sind oder nicht. Auch deren Höhe würde das Grund¬
buch ergeben. Was bleibt also übrig? Doch nur die verschwindend kleine
Zahl von Hypotheken, die auf Baustellen gegeben werden, vielleicht ein Prozent
der ausgeliehenen Hypotheken überhaupt. Und hier ist zunächst wieder zwischen
der Hypothek des ehrlichen und der des unehrlichen Geldgebers scharf zu
unterscheiden. Der eine wird die Baustelle höchstens bis zu ihrem Werte be¬
leihen, in den meisten Fällen weit hinter dieser Grenze zurückbleiben, während
der andre, der von vornherein nach unehrlichen Verdienste ausschaut, wenn
auch nicht mit barem Gelde, so doch mit dem rückständigen Kaufpreise über
den Wert der Baustelle hinausgehen wird. So weit aber eine solche Hypothek
den Kaufpreis übersteigt, ist sie im ausdrücklichen oder stillschweigenden Ein¬
verständnis mit dem Bauunternehmer von vornherein nicht als eine wahre,
ihren Wert in sich selbst tragende Hypothek gewollt, Sie soll vielmehr lediglich
als Mittel zur Benachteiligung der Handwerker dienen und erst durch das
Gebäude auf Kosten der Handwerker ihren Wert erhalten. Insoweit ist sie
aber des Gesetzesschutzes unwürdig, schon weil sie aus Mangel irgend welcher
Gegenleistungen in sich keine wirtschaftliche Berechtigung trügt. Geht eine
Differenz zwischen dem wahren Werte der Baustelle und dem ciusbedungnen
Kaufpreise verloren, so ist dem Spekulanten in Wahrheit kein Nachteil er¬
wachsen, sondern nur ein Gewinn entgangen, auf den er moralisch und wirt¬
schaftlich keinen Anspruch hatte. Soweit aber der vom Unternehmer für die
Baustelle bewilligte Preis den Wert des Kaufobjekts nicht übersteigt, droht
ihm auch durch das Vorzugsrecht der Handwerker keine Gefahr, weil nach dem
Bührschen Vorschlage bei der etwaigen Versteigerung der durch Sachverständige
zu ermittelnde Wert der Baustelle von dem Vorzugsrechte nicht ergriffen wird.
Im übrigen werden sich aber sowohl die gewerbsmäßigen Baugeldgeber wie
die Baubanken ihr Geld dadurch selbst sichern können, daß sie es sich an¬
gelegen sein lassen, daß das Baugeld nicht in den Händen des Unternehmers
hängen bleibt, sondern seiner Bestimmung gemäß an die Handwerker gezahlt
wird. Sie haben den Unternehmer infolge seiner vollkommnen Abhängigkeit
von ihnen in der Hand und sind deshalb sehr wohl in der Lage, die Verwen¬
dung des Baugeldes zu überwachen. Zeigt er sich unzuverlässig, so dürfen sie,
ohne sich dem Unternehmer gegenüber der Gefahr nochmaliger Zahlungspflicht
auszusetzen, den Handwerkern selbst zahlen. Denn wer dem Gläubiger seines
Gläubigers zahlt, befreit sich dadurch von seiner Schuld.

Wie wenig aber selbst in diesen doch nur als Ausnahme zu betrachtenden
Fällen berechtigten Hypotheken Gefahr droht, zeigt die Erfahrung, daß ein
Teil der Handwerkerforderungen von dem Unternehmer immer gezahlt wird,
weil sonst überhaupt nicht weitergebaut werden würde. Das hat aber not¬
wendig zur Folge, daß die Sicherheit des Baugeldes auch bei dem Bührschen


Schutzmittel gegen den Bauschwindel

und kann dadurch mit Sicherheit ermitteln, ob vorzugsberechtigte Handwerker¬
forderungen vorhanden sind oder nicht. Auch deren Höhe würde das Grund¬
buch ergeben. Was bleibt also übrig? Doch nur die verschwindend kleine
Zahl von Hypotheken, die auf Baustellen gegeben werden, vielleicht ein Prozent
der ausgeliehenen Hypotheken überhaupt. Und hier ist zunächst wieder zwischen
der Hypothek des ehrlichen und der des unehrlichen Geldgebers scharf zu
unterscheiden. Der eine wird die Baustelle höchstens bis zu ihrem Werte be¬
leihen, in den meisten Fällen weit hinter dieser Grenze zurückbleiben, während
der andre, der von vornherein nach unehrlichen Verdienste ausschaut, wenn
auch nicht mit barem Gelde, so doch mit dem rückständigen Kaufpreise über
den Wert der Baustelle hinausgehen wird. So weit aber eine solche Hypothek
den Kaufpreis übersteigt, ist sie im ausdrücklichen oder stillschweigenden Ein¬
verständnis mit dem Bauunternehmer von vornherein nicht als eine wahre,
ihren Wert in sich selbst tragende Hypothek gewollt, Sie soll vielmehr lediglich
als Mittel zur Benachteiligung der Handwerker dienen und erst durch das
Gebäude auf Kosten der Handwerker ihren Wert erhalten. Insoweit ist sie
aber des Gesetzesschutzes unwürdig, schon weil sie aus Mangel irgend welcher
Gegenleistungen in sich keine wirtschaftliche Berechtigung trügt. Geht eine
Differenz zwischen dem wahren Werte der Baustelle und dem ciusbedungnen
Kaufpreise verloren, so ist dem Spekulanten in Wahrheit kein Nachteil er¬
wachsen, sondern nur ein Gewinn entgangen, auf den er moralisch und wirt¬
schaftlich keinen Anspruch hatte. Soweit aber der vom Unternehmer für die
Baustelle bewilligte Preis den Wert des Kaufobjekts nicht übersteigt, droht
ihm auch durch das Vorzugsrecht der Handwerker keine Gefahr, weil nach dem
Bührschen Vorschlage bei der etwaigen Versteigerung der durch Sachverständige
zu ermittelnde Wert der Baustelle von dem Vorzugsrechte nicht ergriffen wird.
Im übrigen werden sich aber sowohl die gewerbsmäßigen Baugeldgeber wie
die Baubanken ihr Geld dadurch selbst sichern können, daß sie es sich an¬
gelegen sein lassen, daß das Baugeld nicht in den Händen des Unternehmers
hängen bleibt, sondern seiner Bestimmung gemäß an die Handwerker gezahlt
wird. Sie haben den Unternehmer infolge seiner vollkommnen Abhängigkeit
von ihnen in der Hand und sind deshalb sehr wohl in der Lage, die Verwen¬
dung des Baugeldes zu überwachen. Zeigt er sich unzuverlässig, so dürfen sie,
ohne sich dem Unternehmer gegenüber der Gefahr nochmaliger Zahlungspflicht
auszusetzen, den Handwerkern selbst zahlen. Denn wer dem Gläubiger seines
Gläubigers zahlt, befreit sich dadurch von seiner Schuld.

Wie wenig aber selbst in diesen doch nur als Ausnahme zu betrachtenden
Fällen berechtigten Hypotheken Gefahr droht, zeigt die Erfahrung, daß ein
Teil der Handwerkerforderungen von dem Unternehmer immer gezahlt wird,
weil sonst überhaupt nicht weitergebaut werden würde. Das hat aber not¬
wendig zur Folge, daß die Sicherheit des Baugeldes auch bei dem Bührschen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220226"/>
          <fw type="header" place="top"> Schutzmittel gegen den Bauschwindel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2168" prev="#ID_2167"> und kann dadurch mit Sicherheit ermitteln, ob vorzugsberechtigte Handwerker¬<lb/>
forderungen vorhanden sind oder nicht. Auch deren Höhe würde das Grund¬<lb/>
buch ergeben. Was bleibt also übrig? Doch nur die verschwindend kleine<lb/>
Zahl von Hypotheken, die auf Baustellen gegeben werden, vielleicht ein Prozent<lb/>
der ausgeliehenen Hypotheken überhaupt. Und hier ist zunächst wieder zwischen<lb/>
der Hypothek des ehrlichen und der des unehrlichen Geldgebers scharf zu<lb/>
unterscheiden. Der eine wird die Baustelle höchstens bis zu ihrem Werte be¬<lb/>
leihen, in den meisten Fällen weit hinter dieser Grenze zurückbleiben, während<lb/>
der andre, der von vornherein nach unehrlichen Verdienste ausschaut, wenn<lb/>
auch nicht mit barem Gelde, so doch mit dem rückständigen Kaufpreise über<lb/>
den Wert der Baustelle hinausgehen wird. So weit aber eine solche Hypothek<lb/>
den Kaufpreis übersteigt, ist sie im ausdrücklichen oder stillschweigenden Ein¬<lb/>
verständnis mit dem Bauunternehmer von vornherein nicht als eine wahre,<lb/>
ihren Wert in sich selbst tragende Hypothek gewollt, Sie soll vielmehr lediglich<lb/>
als Mittel zur Benachteiligung der Handwerker dienen und erst durch das<lb/>
Gebäude auf Kosten der Handwerker ihren Wert erhalten. Insoweit ist sie<lb/>
aber des Gesetzesschutzes unwürdig, schon weil sie aus Mangel irgend welcher<lb/>
Gegenleistungen in sich keine wirtschaftliche Berechtigung trügt. Geht eine<lb/>
Differenz zwischen dem wahren Werte der Baustelle und dem ciusbedungnen<lb/>
Kaufpreise verloren, so ist dem Spekulanten in Wahrheit kein Nachteil er¬<lb/>
wachsen, sondern nur ein Gewinn entgangen, auf den er moralisch und wirt¬<lb/>
schaftlich keinen Anspruch hatte. Soweit aber der vom Unternehmer für die<lb/>
Baustelle bewilligte Preis den Wert des Kaufobjekts nicht übersteigt, droht<lb/>
ihm auch durch das Vorzugsrecht der Handwerker keine Gefahr, weil nach dem<lb/>
Bührschen Vorschlage bei der etwaigen Versteigerung der durch Sachverständige<lb/>
zu ermittelnde Wert der Baustelle von dem Vorzugsrechte nicht ergriffen wird.<lb/>
Im übrigen werden sich aber sowohl die gewerbsmäßigen Baugeldgeber wie<lb/>
die Baubanken ihr Geld dadurch selbst sichern können, daß sie es sich an¬<lb/>
gelegen sein lassen, daß das Baugeld nicht in den Händen des Unternehmers<lb/>
hängen bleibt, sondern seiner Bestimmung gemäß an die Handwerker gezahlt<lb/>
wird. Sie haben den Unternehmer infolge seiner vollkommnen Abhängigkeit<lb/>
von ihnen in der Hand und sind deshalb sehr wohl in der Lage, die Verwen¬<lb/>
dung des Baugeldes zu überwachen. Zeigt er sich unzuverlässig, so dürfen sie,<lb/>
ohne sich dem Unternehmer gegenüber der Gefahr nochmaliger Zahlungspflicht<lb/>
auszusetzen, den Handwerkern selbst zahlen. Denn wer dem Gläubiger seines<lb/>
Gläubigers zahlt, befreit sich dadurch von seiner Schuld.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2169" next="#ID_2170"> Wie wenig aber selbst in diesen doch nur als Ausnahme zu betrachtenden<lb/>
Fällen berechtigten Hypotheken Gefahr droht, zeigt die Erfahrung, daß ein<lb/>
Teil der Handwerkerforderungen von dem Unternehmer immer gezahlt wird,<lb/>
weil sonst überhaupt nicht weitergebaut werden würde. Das hat aber not¬<lb/>
wendig zur Folge, daß die Sicherheit des Baugeldes auch bei dem Bührschen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0550] Schutzmittel gegen den Bauschwindel und kann dadurch mit Sicherheit ermitteln, ob vorzugsberechtigte Handwerker¬ forderungen vorhanden sind oder nicht. Auch deren Höhe würde das Grund¬ buch ergeben. Was bleibt also übrig? Doch nur die verschwindend kleine Zahl von Hypotheken, die auf Baustellen gegeben werden, vielleicht ein Prozent der ausgeliehenen Hypotheken überhaupt. Und hier ist zunächst wieder zwischen der Hypothek des ehrlichen und der des unehrlichen Geldgebers scharf zu unterscheiden. Der eine wird die Baustelle höchstens bis zu ihrem Werte be¬ leihen, in den meisten Fällen weit hinter dieser Grenze zurückbleiben, während der andre, der von vornherein nach unehrlichen Verdienste ausschaut, wenn auch nicht mit barem Gelde, so doch mit dem rückständigen Kaufpreise über den Wert der Baustelle hinausgehen wird. So weit aber eine solche Hypothek den Kaufpreis übersteigt, ist sie im ausdrücklichen oder stillschweigenden Ein¬ verständnis mit dem Bauunternehmer von vornherein nicht als eine wahre, ihren Wert in sich selbst tragende Hypothek gewollt, Sie soll vielmehr lediglich als Mittel zur Benachteiligung der Handwerker dienen und erst durch das Gebäude auf Kosten der Handwerker ihren Wert erhalten. Insoweit ist sie aber des Gesetzesschutzes unwürdig, schon weil sie aus Mangel irgend welcher Gegenleistungen in sich keine wirtschaftliche Berechtigung trügt. Geht eine Differenz zwischen dem wahren Werte der Baustelle und dem ciusbedungnen Kaufpreise verloren, so ist dem Spekulanten in Wahrheit kein Nachteil er¬ wachsen, sondern nur ein Gewinn entgangen, auf den er moralisch und wirt¬ schaftlich keinen Anspruch hatte. Soweit aber der vom Unternehmer für die Baustelle bewilligte Preis den Wert des Kaufobjekts nicht übersteigt, droht ihm auch durch das Vorzugsrecht der Handwerker keine Gefahr, weil nach dem Bührschen Vorschlage bei der etwaigen Versteigerung der durch Sachverständige zu ermittelnde Wert der Baustelle von dem Vorzugsrechte nicht ergriffen wird. Im übrigen werden sich aber sowohl die gewerbsmäßigen Baugeldgeber wie die Baubanken ihr Geld dadurch selbst sichern können, daß sie es sich an¬ gelegen sein lassen, daß das Baugeld nicht in den Händen des Unternehmers hängen bleibt, sondern seiner Bestimmung gemäß an die Handwerker gezahlt wird. Sie haben den Unternehmer infolge seiner vollkommnen Abhängigkeit von ihnen in der Hand und sind deshalb sehr wohl in der Lage, die Verwen¬ dung des Baugeldes zu überwachen. Zeigt er sich unzuverlässig, so dürfen sie, ohne sich dem Unternehmer gegenüber der Gefahr nochmaliger Zahlungspflicht auszusetzen, den Handwerkern selbst zahlen. Denn wer dem Gläubiger seines Gläubigers zahlt, befreit sich dadurch von seiner Schuld. Wie wenig aber selbst in diesen doch nur als Ausnahme zu betrachtenden Fällen berechtigten Hypotheken Gefahr droht, zeigt die Erfahrung, daß ein Teil der Handwerkerforderungen von dem Unternehmer immer gezahlt wird, weil sonst überhaupt nicht weitergebaut werden würde. Das hat aber not¬ wendig zur Folge, daß die Sicherheit des Baugeldes auch bei dem Bührschen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/550
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/550>, abgerufen am 22.12.2024.