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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Schutzmittel gegen den Bauschwiudel

seine geschäftliche Unzuverlcissigkeit sehr nahe. Der letzte Vorschlag endlich,
Baugenossenschaften zu begründen, mit dem Zwecke, sich mit der Ausführung
von Bauten auf eigne Rechnung zu befassen und, wo für die Kapitalanlage
keine Gefahr droht, Grundstücke, an denen die Handwerker mit Forderungen
hängen geblieben sind, zu erwerben, ist überaus gefährlich, weil er die Hand¬
werker in Unternehmungen hineinziehen würde, die außerhalb des Rahmens
des Handwerkbetriebes liegen und sie wirtschaftlich zu Spekulanten machen
würde. Ebenso wenig wie dem soliden Bauspekulanten, der wirklich für eigne
Rechnung baut, eine Gewähr gegen Verluste gegeben werden kann, könnte sie
den Baugenossenschaften gegeben werden.

So verfehlt hiernach alle diese Borschläge sind, weil sie den Bauschwindel
nicht an der Wurzel sassen, sondern vor dem Spekulanten Halt machen, so
haben sie doch das Gute, daß sie immer wieder auf die Bührschen Vorschläge
hinweisen, als die, die -- bisher wenigstens -- allein unter Schonung berech¬
tigter Interessen andrer den Handwerkerforderungen ein Vorzugsrecht vor
den übrigen Hypotheken eingeräumt wissen wollen, mit der Einschränkung, daß
die Wirksamkeit dieses Vorzugsrechts um die Eintragung binnen drei Monaten
nach der -- im Grundbuche zu vermerkenden -- Gebrauchsabnahme gebunden ist.

Die Furcht vor der Erschütterung des Realkredits ist unbegründet, min¬
destens sehr übertrieben. In den kleinen Städten ist im Hinblick auf die
kleinen und durchsichtigen geschäftlichen Verhältnisse und die sich daraus er¬
gebende leicht zu beurteilende Kreditwürdigkeit des Bauherrn für das betrü¬
gerische Unternehmer- und Spekulantentum kein Raum. Wer dort baut, baut
nicht zu Spekulationszwecken und bezahlt die Handwerker, sodaß ihre For¬
derungen, weil nicht mehr vorhanden oder doch dnrch das übrige Vermögen
des Bauunternehmers gesichert, die Hypothek nicht bedrohen. Überdies wird,
wer auf ein unfertiges Haus Geld hergiebt, dort leicht durch Nachfrage fest¬
stellen können, ob und in welcher Höhe Handwerkerforderungen, die ihm seine
Priorität schmälern könnten, rückständig sind.

Ins Auge zu fassen wären also nur die Hypotheken, die auf Grundstücke
der Großstadt bereits gegeben sind oder erst gegeben werden sollen. Hier wird
von den Gegnern der Bührschen Vorschlüge zunächst der wichtigste Punkt
übersehen, nämlich der, daß in neunundneunzig von hundert Füllen die Hypo¬
theken von Privatleuten und großen Geldinstituten -- wir sehen hier von Bau¬
banken ab -- gegeben werden, und von diesen nicht auf Baustellen, sondern
auf längst fertige und vermietete Hausgrundstücke. Hier können aber Hand¬
werkerforderungen, die der Hypothek ihre Prioritüt streitig machen könnten,
nicht mehr vorhanden sein, weil deren Deckung ja vorzugsweise davon ab¬
hängig gemacht werden soll, daß sie binnen drei Monaten nach der Gebrauchs¬
abnahme eingetragen werden. Der Hypothekengläubiger braucht also nur aus
dem Grundbuche festzustellen, wann die Gebrauchsabnahme stattgefunden hat


Schutzmittel gegen den Bauschwiudel

seine geschäftliche Unzuverlcissigkeit sehr nahe. Der letzte Vorschlag endlich,
Baugenossenschaften zu begründen, mit dem Zwecke, sich mit der Ausführung
von Bauten auf eigne Rechnung zu befassen und, wo für die Kapitalanlage
keine Gefahr droht, Grundstücke, an denen die Handwerker mit Forderungen
hängen geblieben sind, zu erwerben, ist überaus gefährlich, weil er die Hand¬
werker in Unternehmungen hineinziehen würde, die außerhalb des Rahmens
des Handwerkbetriebes liegen und sie wirtschaftlich zu Spekulanten machen
würde. Ebenso wenig wie dem soliden Bauspekulanten, der wirklich für eigne
Rechnung baut, eine Gewähr gegen Verluste gegeben werden kann, könnte sie
den Baugenossenschaften gegeben werden.

So verfehlt hiernach alle diese Borschläge sind, weil sie den Bauschwindel
nicht an der Wurzel sassen, sondern vor dem Spekulanten Halt machen, so
haben sie doch das Gute, daß sie immer wieder auf die Bührschen Vorschläge
hinweisen, als die, die — bisher wenigstens — allein unter Schonung berech¬
tigter Interessen andrer den Handwerkerforderungen ein Vorzugsrecht vor
den übrigen Hypotheken eingeräumt wissen wollen, mit der Einschränkung, daß
die Wirksamkeit dieses Vorzugsrechts um die Eintragung binnen drei Monaten
nach der — im Grundbuche zu vermerkenden — Gebrauchsabnahme gebunden ist.

Die Furcht vor der Erschütterung des Realkredits ist unbegründet, min¬
destens sehr übertrieben. In den kleinen Städten ist im Hinblick auf die
kleinen und durchsichtigen geschäftlichen Verhältnisse und die sich daraus er¬
gebende leicht zu beurteilende Kreditwürdigkeit des Bauherrn für das betrü¬
gerische Unternehmer- und Spekulantentum kein Raum. Wer dort baut, baut
nicht zu Spekulationszwecken und bezahlt die Handwerker, sodaß ihre For¬
derungen, weil nicht mehr vorhanden oder doch dnrch das übrige Vermögen
des Bauunternehmers gesichert, die Hypothek nicht bedrohen. Überdies wird,
wer auf ein unfertiges Haus Geld hergiebt, dort leicht durch Nachfrage fest¬
stellen können, ob und in welcher Höhe Handwerkerforderungen, die ihm seine
Priorität schmälern könnten, rückständig sind.

Ins Auge zu fassen wären also nur die Hypotheken, die auf Grundstücke
der Großstadt bereits gegeben sind oder erst gegeben werden sollen. Hier wird
von den Gegnern der Bührschen Vorschlüge zunächst der wichtigste Punkt
übersehen, nämlich der, daß in neunundneunzig von hundert Füllen die Hypo¬
theken von Privatleuten und großen Geldinstituten — wir sehen hier von Bau¬
banken ab — gegeben werden, und von diesen nicht auf Baustellen, sondern
auf längst fertige und vermietete Hausgrundstücke. Hier können aber Hand¬
werkerforderungen, die der Hypothek ihre Prioritüt streitig machen könnten,
nicht mehr vorhanden sein, weil deren Deckung ja vorzugsweise davon ab¬
hängig gemacht werden soll, daß sie binnen drei Monaten nach der Gebrauchs¬
abnahme eingetragen werden. Der Hypothekengläubiger braucht also nur aus
dem Grundbuche festzustellen, wann die Gebrauchsabnahme stattgefunden hat


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[0549] Schutzmittel gegen den Bauschwiudel seine geschäftliche Unzuverlcissigkeit sehr nahe. Der letzte Vorschlag endlich, Baugenossenschaften zu begründen, mit dem Zwecke, sich mit der Ausführung von Bauten auf eigne Rechnung zu befassen und, wo für die Kapitalanlage keine Gefahr droht, Grundstücke, an denen die Handwerker mit Forderungen hängen geblieben sind, zu erwerben, ist überaus gefährlich, weil er die Hand¬ werker in Unternehmungen hineinziehen würde, die außerhalb des Rahmens des Handwerkbetriebes liegen und sie wirtschaftlich zu Spekulanten machen würde. Ebenso wenig wie dem soliden Bauspekulanten, der wirklich für eigne Rechnung baut, eine Gewähr gegen Verluste gegeben werden kann, könnte sie den Baugenossenschaften gegeben werden. So verfehlt hiernach alle diese Borschläge sind, weil sie den Bauschwindel nicht an der Wurzel sassen, sondern vor dem Spekulanten Halt machen, so haben sie doch das Gute, daß sie immer wieder auf die Bührschen Vorschläge hinweisen, als die, die — bisher wenigstens — allein unter Schonung berech¬ tigter Interessen andrer den Handwerkerforderungen ein Vorzugsrecht vor den übrigen Hypotheken eingeräumt wissen wollen, mit der Einschränkung, daß die Wirksamkeit dieses Vorzugsrechts um die Eintragung binnen drei Monaten nach der — im Grundbuche zu vermerkenden — Gebrauchsabnahme gebunden ist. Die Furcht vor der Erschütterung des Realkredits ist unbegründet, min¬ destens sehr übertrieben. In den kleinen Städten ist im Hinblick auf die kleinen und durchsichtigen geschäftlichen Verhältnisse und die sich daraus er¬ gebende leicht zu beurteilende Kreditwürdigkeit des Bauherrn für das betrü¬ gerische Unternehmer- und Spekulantentum kein Raum. Wer dort baut, baut nicht zu Spekulationszwecken und bezahlt die Handwerker, sodaß ihre For¬ derungen, weil nicht mehr vorhanden oder doch dnrch das übrige Vermögen des Bauunternehmers gesichert, die Hypothek nicht bedrohen. Überdies wird, wer auf ein unfertiges Haus Geld hergiebt, dort leicht durch Nachfrage fest¬ stellen können, ob und in welcher Höhe Handwerkerforderungen, die ihm seine Priorität schmälern könnten, rückständig sind. Ins Auge zu fassen wären also nur die Hypotheken, die auf Grundstücke der Großstadt bereits gegeben sind oder erst gegeben werden sollen. Hier wird von den Gegnern der Bührschen Vorschlüge zunächst der wichtigste Punkt übersehen, nämlich der, daß in neunundneunzig von hundert Füllen die Hypo¬ theken von Privatleuten und großen Geldinstituten — wir sehen hier von Bau¬ banken ab — gegeben werden, und von diesen nicht auf Baustellen, sondern auf längst fertige und vermietete Hausgrundstücke. Hier können aber Hand¬ werkerforderungen, die der Hypothek ihre Prioritüt streitig machen könnten, nicht mehr vorhanden sein, weil deren Deckung ja vorzugsweise davon ab¬ hängig gemacht werden soll, daß sie binnen drei Monaten nach der Gebrauchs¬ abnahme eingetragen werden. Der Hypothekengläubiger braucht also nur aus dem Grundbuche festzustellen, wann die Gebrauchsabnahme stattgefunden hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/549>, abgerufen am 22.12.2024.