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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Schutzmittel gegen den Bauschwindel

losen Bauunternehmers auf Kosten der Handwerker sichergestellt werden soll. Der
fast typische Feldzugsplan des mit keinerlei Gewissensballast beschwerten Spe¬
kulanten ist der, daß er irgend einen Mann von der Straße hernimmt, der
nichts sein eigen nennt als das, was er auf dem Leibe hat, und "geschäft¬
lichen" Bedenken irgend welcher Art unzugänglich ist. Diesem verkauft er ohne
einen Pfennig Anzahlung seine Baustelle im wahren Wert von 20000 Mark
für den Preis von 50000 Mark, läßt sich diesen Kaufpreis an erster Stelle
eintragen und versieht den Käufer mit einem je nach dem Fortschreiten des
Baues in Raten zahlbaren Baugelde von etwa 60000 Mark, obwohl das auf
die Stelle zu Setzende Gebäude nicht unter 100000 Mark herzustellen ist. Nach¬
dem der "Bauherr" die Handwerker mit Versprechungen aller Art, insbesondre
mit dem Hinweis auf deu in nebelhaften Hintergrunde stehenden "reichen
Mann" geködert, durch Teilzahlungen hingehalten und schließlich hineingelegt
hat, kauft der Spekulant das Grundstück, mit dem Gebäude besetzt, zu einem
hinter seinem jetzigen Werte weit zurückbleibenden Preise in der Subhastation
zurück. Denn die hinterher unter Benutzung des gesetzlichen Pfandrechtstitels
von deu Handwerkern zwangsweise erwirkten Eintragungen werden durch den
den wahren Wert der frühern kahlen Baustelle übersteigenden Teil des Kauf¬
preises von 30 000 Mark "auf den Telephondraht" zurückgedrängt und
fallen aus.

Wo liegt da die Quelle des Bauschwindels? Beim Bauunternehmer oder
beim Baustelleneigentümer? Wenn es auch richtig ist, daß der "Bauherr" dem
Spekulanten die Hineinlegung der Handwerker ermöglicht, um zugleich seiner¬
seits während der Bauzeit von den Baugeldern zu leben, vielleicht sie auch
teilweise vorsorglich für magere Zeiten in Sicherheit zu bringen, so verdankt
er seine Existenz doch überhaupt nur dem Grnndstückspelulanten. Er ist für
diesen immer nur das Mittel zum Zweck. Die Fäden des Schwindels laufen
schließlich fast immer in der Hand des hinter der Bühne arbeitenden Speku¬
lanten zusammen.

Welchen Erfolg darf sich angesichts dieser Sachlage die Hildesheimer Re¬
solution versprechen? Sie macht vor dem Grnndstückspekulantcn halt, augen¬
scheinlich weil sie unter dem Drucke der Furcht vor der Erschütterung des
Realkredits steht, die bekanntlich auch den Reformvorschlägen Bührs als Haupt¬
bedenken entgegengesetzt wurden. Die Resolution würde, in die Praxis über¬
setzt, die Handwerker nicht um einen Schritt weiter bringen. Während Bähr
ohne Rücksicht auf die voreingetragnen Hypotheken den Handwerkern den Wert¬
zuwachs, den die Baustelle durch die Errichtung des Neubaues erfahren hat,
zur Sicherung ihrer Forderungen vorbehalten will, sollen nach der Hildesheimer
Resolution die dinglichen Belastungen, die vor Erteilung der Baukonzession
eingetragen sind, dem Vorzugsrechte vorangehen. Damit läßt sie aber gerade
das Hindernis stehen, über das die Handwerker stürzen. Was würde denn


Schutzmittel gegen den Bauschwindel

losen Bauunternehmers auf Kosten der Handwerker sichergestellt werden soll. Der
fast typische Feldzugsplan des mit keinerlei Gewissensballast beschwerten Spe¬
kulanten ist der, daß er irgend einen Mann von der Straße hernimmt, der
nichts sein eigen nennt als das, was er auf dem Leibe hat, und „geschäft¬
lichen" Bedenken irgend welcher Art unzugänglich ist. Diesem verkauft er ohne
einen Pfennig Anzahlung seine Baustelle im wahren Wert von 20000 Mark
für den Preis von 50000 Mark, läßt sich diesen Kaufpreis an erster Stelle
eintragen und versieht den Käufer mit einem je nach dem Fortschreiten des
Baues in Raten zahlbaren Baugelde von etwa 60000 Mark, obwohl das auf
die Stelle zu Setzende Gebäude nicht unter 100000 Mark herzustellen ist. Nach¬
dem der „Bauherr" die Handwerker mit Versprechungen aller Art, insbesondre
mit dem Hinweis auf deu in nebelhaften Hintergrunde stehenden „reichen
Mann" geködert, durch Teilzahlungen hingehalten und schließlich hineingelegt
hat, kauft der Spekulant das Grundstück, mit dem Gebäude besetzt, zu einem
hinter seinem jetzigen Werte weit zurückbleibenden Preise in der Subhastation
zurück. Denn die hinterher unter Benutzung des gesetzlichen Pfandrechtstitels
von deu Handwerkern zwangsweise erwirkten Eintragungen werden durch den
den wahren Wert der frühern kahlen Baustelle übersteigenden Teil des Kauf¬
preises von 30 000 Mark „auf den Telephondraht" zurückgedrängt und
fallen aus.

Wo liegt da die Quelle des Bauschwindels? Beim Bauunternehmer oder
beim Baustelleneigentümer? Wenn es auch richtig ist, daß der „Bauherr" dem
Spekulanten die Hineinlegung der Handwerker ermöglicht, um zugleich seiner¬
seits während der Bauzeit von den Baugeldern zu leben, vielleicht sie auch
teilweise vorsorglich für magere Zeiten in Sicherheit zu bringen, so verdankt
er seine Existenz doch überhaupt nur dem Grnndstückspelulanten. Er ist für
diesen immer nur das Mittel zum Zweck. Die Fäden des Schwindels laufen
schließlich fast immer in der Hand des hinter der Bühne arbeitenden Speku¬
lanten zusammen.

Welchen Erfolg darf sich angesichts dieser Sachlage die Hildesheimer Re¬
solution versprechen? Sie macht vor dem Grnndstückspekulantcn halt, augen¬
scheinlich weil sie unter dem Drucke der Furcht vor der Erschütterung des
Realkredits steht, die bekanntlich auch den Reformvorschlägen Bührs als Haupt¬
bedenken entgegengesetzt wurden. Die Resolution würde, in die Praxis über¬
setzt, die Handwerker nicht um einen Schritt weiter bringen. Während Bähr
ohne Rücksicht auf die voreingetragnen Hypotheken den Handwerkern den Wert¬
zuwachs, den die Baustelle durch die Errichtung des Neubaues erfahren hat,
zur Sicherung ihrer Forderungen vorbehalten will, sollen nach der Hildesheimer
Resolution die dinglichen Belastungen, die vor Erteilung der Baukonzession
eingetragen sind, dem Vorzugsrechte vorangehen. Damit läßt sie aber gerade
das Hindernis stehen, über das die Handwerker stürzen. Was würde denn


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[0547] Schutzmittel gegen den Bauschwindel losen Bauunternehmers auf Kosten der Handwerker sichergestellt werden soll. Der fast typische Feldzugsplan des mit keinerlei Gewissensballast beschwerten Spe¬ kulanten ist der, daß er irgend einen Mann von der Straße hernimmt, der nichts sein eigen nennt als das, was er auf dem Leibe hat, und „geschäft¬ lichen" Bedenken irgend welcher Art unzugänglich ist. Diesem verkauft er ohne einen Pfennig Anzahlung seine Baustelle im wahren Wert von 20000 Mark für den Preis von 50000 Mark, läßt sich diesen Kaufpreis an erster Stelle eintragen und versieht den Käufer mit einem je nach dem Fortschreiten des Baues in Raten zahlbaren Baugelde von etwa 60000 Mark, obwohl das auf die Stelle zu Setzende Gebäude nicht unter 100000 Mark herzustellen ist. Nach¬ dem der „Bauherr" die Handwerker mit Versprechungen aller Art, insbesondre mit dem Hinweis auf deu in nebelhaften Hintergrunde stehenden „reichen Mann" geködert, durch Teilzahlungen hingehalten und schließlich hineingelegt hat, kauft der Spekulant das Grundstück, mit dem Gebäude besetzt, zu einem hinter seinem jetzigen Werte weit zurückbleibenden Preise in der Subhastation zurück. Denn die hinterher unter Benutzung des gesetzlichen Pfandrechtstitels von deu Handwerkern zwangsweise erwirkten Eintragungen werden durch den den wahren Wert der frühern kahlen Baustelle übersteigenden Teil des Kauf¬ preises von 30 000 Mark „auf den Telephondraht" zurückgedrängt und fallen aus. Wo liegt da die Quelle des Bauschwindels? Beim Bauunternehmer oder beim Baustelleneigentümer? Wenn es auch richtig ist, daß der „Bauherr" dem Spekulanten die Hineinlegung der Handwerker ermöglicht, um zugleich seiner¬ seits während der Bauzeit von den Baugeldern zu leben, vielleicht sie auch teilweise vorsorglich für magere Zeiten in Sicherheit zu bringen, so verdankt er seine Existenz doch überhaupt nur dem Grnndstückspelulanten. Er ist für diesen immer nur das Mittel zum Zweck. Die Fäden des Schwindels laufen schließlich fast immer in der Hand des hinter der Bühne arbeitenden Speku¬ lanten zusammen. Welchen Erfolg darf sich angesichts dieser Sachlage die Hildesheimer Re¬ solution versprechen? Sie macht vor dem Grnndstückspekulantcn halt, augen¬ scheinlich weil sie unter dem Drucke der Furcht vor der Erschütterung des Realkredits steht, die bekanntlich auch den Reformvorschlägen Bührs als Haupt¬ bedenken entgegengesetzt wurden. Die Resolution würde, in die Praxis über¬ setzt, die Handwerker nicht um einen Schritt weiter bringen. Während Bähr ohne Rücksicht auf die voreingetragnen Hypotheken den Handwerkern den Wert¬ zuwachs, den die Baustelle durch die Errichtung des Neubaues erfahren hat, zur Sicherung ihrer Forderungen vorbehalten will, sollen nach der Hildesheimer Resolution die dinglichen Belastungen, die vor Erteilung der Baukonzession eingetragen sind, dem Vorzugsrechte vorangehen. Damit läßt sie aber gerade das Hindernis stehen, über das die Handwerker stürzen. Was würde denn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/547>, abgerufen am 22.12.2024.