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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Andre Wege, die sich von der Festsetzung eines Vorzugsrechts für die
Handwerker irgend welcher Art überhaupt abwenden, wollte die Mehrheit einer
in Schöneberg bei Berlin abgehaltnen Versammlung gehen, zu der eine
von dem dortigen Grundbesitzervereiu eingesetzte Kommission die Vanhand-
werker und Bauintcressenten eingeladen hatte. Die Vorschläge dieser Kom¬
mission, die von dem Direktor der "Berlinischen Bodenkrcditgesellschaft," Haber¬
land, erläutert und zur Annahme empfohlen wurden, waren von diesem Herrn
schon in einer kurz vorher erschienenen Broschüre dargelegt und von der
hauptstädtischen Tagespresse zum Gegenstande von Erörterungen gemacht wordeu
und hatten meistenteils das Lob "ruhiger Sachlichkeit" und "Verständigkeit"
erhalten. Diese Vorschläge wollen dem Bauschwindel in zweifacher Weise zu
Leibe gehen, nämlich durch Privathilfe und durch die Gesetzgebung.

I" ersterer Richtung wird die Bildung von Handwerkerkammern und von
Baugenossenschaften vorgeschlagen. Den Kammern wird im wesentlichen die
Aufgabe zugewiesen, Material über die finanzielle Zuverlässigkeit und den Cha¬
rakter der Bauunternehmer zu sammeln und den Handwerkern zugänglich zu
macheu, und zu diesem Zwecke eine Statistik über Wechselproteste, Znhlungs-
stockungen und Subhastationen zu führen, während sich die Baugenossenschaften
mit der Ausführung von Bauten für eigne Rechnung befassen und in Sub¬
hastationen, bei denen die Genossenschafter ihre Forderungen infolge unzu¬
reichender Kapitalien nicht selbst herausbieten können, die zum Zwangsverkauf
stehenden Grundstücke, wenn hierbei nicht Verluste zu befürchten sind, erwerben
sollen. In gesetzgeberischer Richtung wurden Bestimmungen verlangt, wonach
die Bauunternehmer gesetzlich als Kaufleute zu betrachten sein, als solche sich
in das Handelsregister eintragen lassen, diese Eintragung aber nur im Falle
des Nachweises eines Barvermögens von mindestens fünftausend Mark er¬
langen sollen. Von der Eintragung sollen stets die Frauen zahluugsunfühiger
Bauunternehmer und Minderjährige ausgeschlossen sein. Die Verwendung des
Bargeldes zu andern Zwecken als denen des Baues soll als Unterschlagung
betrachtet werden, die Cession von Baugeldern überhaupt unzulässig und der
Vaugeldgeber verpflichtet sein, die Handwerkerkammer auf Verlangen über den
Stand des Kontos des Bauunternehmens zu unterrichten. Endlich soll eine
Auslassung des Vaugrundstückes vor der Gebrauchsabnahme unzulässig sein.

Die Hildesheimer sowohl wie die Schöneberger Vorschläge beruhen auf
eiuer seltsamen und fast unbegreiflichen Verkennung der Ursachen des Übels,
dem sie steuern wollen; in der Praxis würde bald ihre völlige Wirkungslosig-
keit zu Tage treten. Die Wurzel des Banschwindels liegt nicht eigentlich in
dem Bauunternehmer-, sondern in dem Grundstückspekulantentum, das sich uicht
mit angemessenen Verdienst zufrieden giebt, wie ihn die jeweilige Konjunktur
gewähren kann, sondern möglichst schnell Reichtümer schaffen will durch un¬
ehrliche Manipulationen, deren finanzieller Erfolg durch Vorschiebung des Mittel-


Andre Wege, die sich von der Festsetzung eines Vorzugsrechts für die
Handwerker irgend welcher Art überhaupt abwenden, wollte die Mehrheit einer
in Schöneberg bei Berlin abgehaltnen Versammlung gehen, zu der eine
von dem dortigen Grundbesitzervereiu eingesetzte Kommission die Vanhand-
werker und Bauintcressenten eingeladen hatte. Die Vorschläge dieser Kom¬
mission, die von dem Direktor der „Berlinischen Bodenkrcditgesellschaft," Haber¬
land, erläutert und zur Annahme empfohlen wurden, waren von diesem Herrn
schon in einer kurz vorher erschienenen Broschüre dargelegt und von der
hauptstädtischen Tagespresse zum Gegenstande von Erörterungen gemacht wordeu
und hatten meistenteils das Lob „ruhiger Sachlichkeit" und „Verständigkeit"
erhalten. Diese Vorschläge wollen dem Bauschwindel in zweifacher Weise zu
Leibe gehen, nämlich durch Privathilfe und durch die Gesetzgebung.

I» ersterer Richtung wird die Bildung von Handwerkerkammern und von
Baugenossenschaften vorgeschlagen. Den Kammern wird im wesentlichen die
Aufgabe zugewiesen, Material über die finanzielle Zuverlässigkeit und den Cha¬
rakter der Bauunternehmer zu sammeln und den Handwerkern zugänglich zu
macheu, und zu diesem Zwecke eine Statistik über Wechselproteste, Znhlungs-
stockungen und Subhastationen zu führen, während sich die Baugenossenschaften
mit der Ausführung von Bauten für eigne Rechnung befassen und in Sub¬
hastationen, bei denen die Genossenschafter ihre Forderungen infolge unzu¬
reichender Kapitalien nicht selbst herausbieten können, die zum Zwangsverkauf
stehenden Grundstücke, wenn hierbei nicht Verluste zu befürchten sind, erwerben
sollen. In gesetzgeberischer Richtung wurden Bestimmungen verlangt, wonach
die Bauunternehmer gesetzlich als Kaufleute zu betrachten sein, als solche sich
in das Handelsregister eintragen lassen, diese Eintragung aber nur im Falle
des Nachweises eines Barvermögens von mindestens fünftausend Mark er¬
langen sollen. Von der Eintragung sollen stets die Frauen zahluugsunfühiger
Bauunternehmer und Minderjährige ausgeschlossen sein. Die Verwendung des
Bargeldes zu andern Zwecken als denen des Baues soll als Unterschlagung
betrachtet werden, die Cession von Baugeldern überhaupt unzulässig und der
Vaugeldgeber verpflichtet sein, die Handwerkerkammer auf Verlangen über den
Stand des Kontos des Bauunternehmens zu unterrichten. Endlich soll eine
Auslassung des Vaugrundstückes vor der Gebrauchsabnahme unzulässig sein.

Die Hildesheimer sowohl wie die Schöneberger Vorschläge beruhen auf
eiuer seltsamen und fast unbegreiflichen Verkennung der Ursachen des Übels,
dem sie steuern wollen; in der Praxis würde bald ihre völlige Wirkungslosig-
keit zu Tage treten. Die Wurzel des Banschwindels liegt nicht eigentlich in
dem Bauunternehmer-, sondern in dem Grundstückspekulantentum, das sich uicht
mit angemessenen Verdienst zufrieden giebt, wie ihn die jeweilige Konjunktur
gewähren kann, sondern möglichst schnell Reichtümer schaffen will durch un¬
ehrliche Manipulationen, deren finanzieller Erfolg durch Vorschiebung des Mittel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/546>, abgerufen am 22.12.2024.