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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der erste Beste

mäßigen Körperkräften ausgerüstet waren, würden sie uns auch nichts genützt
haben. So bestiegen wir denn ungeprügclt und ohne Glocke wieder unsern
Leiterwagen, ich in angeheiterter Stimmung, sah. mit einem lachenden und
einem weinenden Auge.

(Schluß folgt)




Der erste Beste
Veto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)

amselling war in der Küche am großen Herd mit den großen
Töpfen und Kesseln beschäftigt. Am Fenster saß eine Magd und
schalte Kartoffeln.
Wir sind auf der Inspektionsreise, sagte Fritz nach der Be¬
grüßung. Wie ist das mit Ihnen, Mamselling, kommen Sie
mit? Sie wissen, als Minister des Innern sind Sie uns nötig.

Die Befragte warf einen zögernden Blick über ihre Kochtöpfe.

Gott, meinte sie dann, wenn es sein muß, Herr Heilborn; aber lieber
wär mirs heut Nachmittag. Jetzt is es all reichlich spät; es geht auf zehn.
Die Stine, da is kein Verlaß auf mit das Braten, sie lüßts anbrennen. Ich
hab den Hammel doch nu schon im Ofen.

Wann wird denn zu Mittag gegessen? fragte Margarete, die sich einst¬
weilen schweigend in dem großen, hellen Raum umgesehen hatte.

Um zwölf, Frau Heilborn.

So früh? Mein Gott, da hat man ja noch gar keinen Hunger!

Fritz lachte. Warth nur ab. Du wirst ja sehen, wie wir einHauen.
Aus dem Lande hat man bis zwölf Uhr schon eine Masse Tageszeit und Arbeit
hinter sich. Schneider und Nademacher, die schon gegen sechs ihren Kaffee
geschluckt haben und ihr Zehnuhrbrot auf dem Felde verzehren, würden schöne
Gesichter machen, wenn sie bis zwei mit der Suppe warten müßten. Unsre
Kaffeetrinkerei heute war ja beinahe zweites Frühstück. Das lernst du alles
noch kennen. Also, Mamselling, dann bleiben Sie hier ungeschoren. Ich gehe
mit meiner Frau durchs Haus und zeige ihr allenthalben Weg und Steg.
Und heute Nachmittag kriechen Sie dann in alle Winkel mit ihr, ziehen Kisten
und Kasten auf und besehen das Inwendige.

Die Küche nicht zu vergessen, sagte Margarete freundlich. Da muß ich
mich auch erst zurechtfinden lernen. Es ist alles so groß und massig hier,
so riesige Töpfe! Aber Sie zeigen mir alles, nicht wahr?

Gewiß, gewiß, antwortete das Frauchen, das schon wieder mit dem Rühr¬
löffel im Erbsenbrei herumwirtschaftete.


Der erste Beste

mäßigen Körperkräften ausgerüstet waren, würden sie uns auch nichts genützt
haben. So bestiegen wir denn ungeprügclt und ohne Glocke wieder unsern
Leiterwagen, ich in angeheiterter Stimmung, sah. mit einem lachenden und
einem weinenden Auge.

(Schluß folgt)




Der erste Beste
Veto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)

amselling war in der Küche am großen Herd mit den großen
Töpfen und Kesseln beschäftigt. Am Fenster saß eine Magd und
schalte Kartoffeln.
Wir sind auf der Inspektionsreise, sagte Fritz nach der Be¬
grüßung. Wie ist das mit Ihnen, Mamselling, kommen Sie
mit? Sie wissen, als Minister des Innern sind Sie uns nötig.

Die Befragte warf einen zögernden Blick über ihre Kochtöpfe.

Gott, meinte sie dann, wenn es sein muß, Herr Heilborn; aber lieber
wär mirs heut Nachmittag. Jetzt is es all reichlich spät; es geht auf zehn.
Die Stine, da is kein Verlaß auf mit das Braten, sie lüßts anbrennen. Ich
hab den Hammel doch nu schon im Ofen.

Wann wird denn zu Mittag gegessen? fragte Margarete, die sich einst¬
weilen schweigend in dem großen, hellen Raum umgesehen hatte.

Um zwölf, Frau Heilborn.

So früh? Mein Gott, da hat man ja noch gar keinen Hunger!

Fritz lachte. Warth nur ab. Du wirst ja sehen, wie wir einHauen.
Aus dem Lande hat man bis zwölf Uhr schon eine Masse Tageszeit und Arbeit
hinter sich. Schneider und Nademacher, die schon gegen sechs ihren Kaffee
geschluckt haben und ihr Zehnuhrbrot auf dem Felde verzehren, würden schöne
Gesichter machen, wenn sie bis zwei mit der Suppe warten müßten. Unsre
Kaffeetrinkerei heute war ja beinahe zweites Frühstück. Das lernst du alles
noch kennen. Also, Mamselling, dann bleiben Sie hier ungeschoren. Ich gehe
mit meiner Frau durchs Haus und zeige ihr allenthalben Weg und Steg.
Und heute Nachmittag kriechen Sie dann in alle Winkel mit ihr, ziehen Kisten
und Kasten auf und besehen das Inwendige.

Die Küche nicht zu vergessen, sagte Margarete freundlich. Da muß ich
mich auch erst zurechtfinden lernen. Es ist alles so groß und massig hier,
so riesige Töpfe! Aber Sie zeigen mir alles, nicht wahr?

Gewiß, gewiß, antwortete das Frauchen, das schon wieder mit dem Rühr¬
löffel im Erbsenbrei herumwirtschaftete.


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[0536] Der erste Beste mäßigen Körperkräften ausgerüstet waren, würden sie uns auch nichts genützt haben. So bestiegen wir denn ungeprügclt und ohne Glocke wieder unsern Leiterwagen, ich in angeheiterter Stimmung, sah. mit einem lachenden und einem weinenden Auge. (Schluß folgt) Der erste Beste Veto Verdeck Erzählung von (Fortsetzung) amselling war in der Küche am großen Herd mit den großen Töpfen und Kesseln beschäftigt. Am Fenster saß eine Magd und schalte Kartoffeln. Wir sind auf der Inspektionsreise, sagte Fritz nach der Be¬ grüßung. Wie ist das mit Ihnen, Mamselling, kommen Sie mit? Sie wissen, als Minister des Innern sind Sie uns nötig. Die Befragte warf einen zögernden Blick über ihre Kochtöpfe. Gott, meinte sie dann, wenn es sein muß, Herr Heilborn; aber lieber wär mirs heut Nachmittag. Jetzt is es all reichlich spät; es geht auf zehn. Die Stine, da is kein Verlaß auf mit das Braten, sie lüßts anbrennen. Ich hab den Hammel doch nu schon im Ofen. Wann wird denn zu Mittag gegessen? fragte Margarete, die sich einst¬ weilen schweigend in dem großen, hellen Raum umgesehen hatte. Um zwölf, Frau Heilborn. So früh? Mein Gott, da hat man ja noch gar keinen Hunger! Fritz lachte. Warth nur ab. Du wirst ja sehen, wie wir einHauen. Aus dem Lande hat man bis zwölf Uhr schon eine Masse Tageszeit und Arbeit hinter sich. Schneider und Nademacher, die schon gegen sechs ihren Kaffee geschluckt haben und ihr Zehnuhrbrot auf dem Felde verzehren, würden schöne Gesichter machen, wenn sie bis zwei mit der Suppe warten müßten. Unsre Kaffeetrinkerei heute war ja beinahe zweites Frühstück. Das lernst du alles noch kennen. Also, Mamselling, dann bleiben Sie hier ungeschoren. Ich gehe mit meiner Frau durchs Haus und zeige ihr allenthalben Weg und Steg. Und heute Nachmittag kriechen Sie dann in alle Winkel mit ihr, ziehen Kisten und Kasten auf und besehen das Inwendige. Die Küche nicht zu vergessen, sagte Margarete freundlich. Da muß ich mich auch erst zurechtfinden lernen. Es ist alles so groß und massig hier, so riesige Töpfe! Aber Sie zeigen mir alles, nicht wahr? Gewiß, gewiß, antwortete das Frauchen, das schon wieder mit dem Rühr¬ löffel im Erbsenbrei herumwirtschaftete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/536>, abgerufen am 26.08.2024.