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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Eindrücke

und auf die Balkons zu hängen, was man z. B. in Rom auch in elegantem
Stadtteilen sehen kann, oder auch die Leinen quer über die enge Gasse zu
spannen, wogegen der Nachbar natürlich nichts einzuwenden hat. Aber auch
die Kaffeehäuser nehmen mindestens einen Teil des Trottoirs sür sich in An¬
spruch, und der Gast schlürft den schwarzen Trank, unbekümmert um den
Lärm ringsum.

Denn der Straßenverkehr ist außerordentlich lebhaft. Zu dem "zivilem"
Element kommen hier, abgesehen vom Militär, namentlich in Rom noch
zahlreiche Geistliche, von denen sich die Zöglinge der Priesterseminare be¬
sonders bemerkbar machen, zumal gegen Abend, wenn sie in ganzen Zügen
paarweise ins Freie gehen. Mehr als andre fallen dabei die Seminaristen
des (üoUkAiuw, Asrmg.ickcmro. zu Se. Saba auf dein Aventin durch ihre scharlach¬
roten Gewänder auf. Dazu folgen in den wichtigsten großstädtischen Straßen,
auch wenn sie eng sind, Droschken, Equipagen, Omnibus, Pferdebahnwagen
einander ununterbrochen; dazwischen schreien die Ausrufer ihre Waren aus,
mit einer Stimme, um die sie mancher Opernsänger beneiden konnte. Am
meisten leisten darin die Zeitungsverkäufer. Wenn in Rom abends gegen
neun Uhr auf dem Corso die Iridnim, das wichtigste Organ der Opposition,
herauskommt, dann zieht eine Reihe von Männern und Knaben, halb im
Laufschritt, nach der Piazza Colonna und durch die benachbarten Gassen,
mit aller Kraft der Lungen in allen Tönen rufend: ZZeoo ig, ^ribuim! und
mit einem Eifer, als wenn sie ein welterschütterndes Ereignis zu melden
Hütten. Nicht minder lebhaft und geräuschvoll ist der Marktverkehr. Plätze
wie die Piazza Caneelleria und der Campo ti Fiore (um das Standbild
Giordano Brunos) in Rom, die Piazza d'Erbe (Gemüsemarkt) in Verona und
Padua, der Merccito nuovo und die Santa Lucia in Neapel unten beim Hafen
gewähren dann einen überaus bunten Anblick, denn alles Erdenkbare im
malerischen Durcheinander, Blumen, Eisengerüte, Zeuge, Kupfergefüße, Gemüse,
Früchte, Fische, Muscheln, Froschkeulen, Hühner, Käse u. s. w. wird dort in
Ständen und Buden oder von herumziehenden Händlern feilgeboten, und jeder
Verkäufer bemüht sich, Käufer herbeizulocken. Am höchsten steigert sich das
Straßenleben in den größern Städten gegen Abend, wenn die vornehme Welt
Corso fährt und die andern ihr zusehen, denn sehen und gesehen zu werden ist
dem Italiener und wohl noch mehr der Italienerin Bedürfnis. In der That, zu
sehen giebts dabei genug: herrliche Pferde vor glänzenden Equipagen mit dem
Wappen des Hauses auf dem Schlage und dem Livreebedicnten auf dem Bock,
stattliche Männer mit scharfgeschnittenen Zügen, schöne, elegante Frauen mit der
charakteristisch italienischen Haarfrisur unter breitem Federhut, Blumen im
Gürtel, den Fächer in der Hand. So fahren sie in Rom den engen Corso zwischen
den hohen Häusern und Scharen von Fußgängern in kurzem Trabe entlang,
dann hinauf nach den schönen, blütenüberschütteten Anlagen des Monte Pincio,


Italienische Eindrücke

und auf die Balkons zu hängen, was man z. B. in Rom auch in elegantem
Stadtteilen sehen kann, oder auch die Leinen quer über die enge Gasse zu
spannen, wogegen der Nachbar natürlich nichts einzuwenden hat. Aber auch
die Kaffeehäuser nehmen mindestens einen Teil des Trottoirs sür sich in An¬
spruch, und der Gast schlürft den schwarzen Trank, unbekümmert um den
Lärm ringsum.

Denn der Straßenverkehr ist außerordentlich lebhaft. Zu dem „zivilem"
Element kommen hier, abgesehen vom Militär, namentlich in Rom noch
zahlreiche Geistliche, von denen sich die Zöglinge der Priesterseminare be¬
sonders bemerkbar machen, zumal gegen Abend, wenn sie in ganzen Zügen
paarweise ins Freie gehen. Mehr als andre fallen dabei die Seminaristen
des (üoUkAiuw, Asrmg.ickcmro. zu Se. Saba auf dein Aventin durch ihre scharlach¬
roten Gewänder auf. Dazu folgen in den wichtigsten großstädtischen Straßen,
auch wenn sie eng sind, Droschken, Equipagen, Omnibus, Pferdebahnwagen
einander ununterbrochen; dazwischen schreien die Ausrufer ihre Waren aus,
mit einer Stimme, um die sie mancher Opernsänger beneiden konnte. Am
meisten leisten darin die Zeitungsverkäufer. Wenn in Rom abends gegen
neun Uhr auf dem Corso die Iridnim, das wichtigste Organ der Opposition,
herauskommt, dann zieht eine Reihe von Männern und Knaben, halb im
Laufschritt, nach der Piazza Colonna und durch die benachbarten Gassen,
mit aller Kraft der Lungen in allen Tönen rufend: ZZeoo ig, ^ribuim! und
mit einem Eifer, als wenn sie ein welterschütterndes Ereignis zu melden
Hütten. Nicht minder lebhaft und geräuschvoll ist der Marktverkehr. Plätze
wie die Piazza Caneelleria und der Campo ti Fiore (um das Standbild
Giordano Brunos) in Rom, die Piazza d'Erbe (Gemüsemarkt) in Verona und
Padua, der Merccito nuovo und die Santa Lucia in Neapel unten beim Hafen
gewähren dann einen überaus bunten Anblick, denn alles Erdenkbare im
malerischen Durcheinander, Blumen, Eisengerüte, Zeuge, Kupfergefüße, Gemüse,
Früchte, Fische, Muscheln, Froschkeulen, Hühner, Käse u. s. w. wird dort in
Ständen und Buden oder von herumziehenden Händlern feilgeboten, und jeder
Verkäufer bemüht sich, Käufer herbeizulocken. Am höchsten steigert sich das
Straßenleben in den größern Städten gegen Abend, wenn die vornehme Welt
Corso fährt und die andern ihr zusehen, denn sehen und gesehen zu werden ist
dem Italiener und wohl noch mehr der Italienerin Bedürfnis. In der That, zu
sehen giebts dabei genug: herrliche Pferde vor glänzenden Equipagen mit dem
Wappen des Hauses auf dem Schlage und dem Livreebedicnten auf dem Bock,
stattliche Männer mit scharfgeschnittenen Zügen, schöne, elegante Frauen mit der
charakteristisch italienischen Haarfrisur unter breitem Federhut, Blumen im
Gürtel, den Fächer in der Hand. So fahren sie in Rom den engen Corso zwischen
den hohen Häusern und Scharen von Fußgängern in kurzem Trabe entlang,
dann hinauf nach den schönen, blütenüberschütteten Anlagen des Monte Pincio,


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[0524] Italienische Eindrücke und auf die Balkons zu hängen, was man z. B. in Rom auch in elegantem Stadtteilen sehen kann, oder auch die Leinen quer über die enge Gasse zu spannen, wogegen der Nachbar natürlich nichts einzuwenden hat. Aber auch die Kaffeehäuser nehmen mindestens einen Teil des Trottoirs sür sich in An¬ spruch, und der Gast schlürft den schwarzen Trank, unbekümmert um den Lärm ringsum. Denn der Straßenverkehr ist außerordentlich lebhaft. Zu dem „zivilem" Element kommen hier, abgesehen vom Militär, namentlich in Rom noch zahlreiche Geistliche, von denen sich die Zöglinge der Priesterseminare be¬ sonders bemerkbar machen, zumal gegen Abend, wenn sie in ganzen Zügen paarweise ins Freie gehen. Mehr als andre fallen dabei die Seminaristen des (üoUkAiuw, Asrmg.ickcmro. zu Se. Saba auf dein Aventin durch ihre scharlach¬ roten Gewänder auf. Dazu folgen in den wichtigsten großstädtischen Straßen, auch wenn sie eng sind, Droschken, Equipagen, Omnibus, Pferdebahnwagen einander ununterbrochen; dazwischen schreien die Ausrufer ihre Waren aus, mit einer Stimme, um die sie mancher Opernsänger beneiden konnte. Am meisten leisten darin die Zeitungsverkäufer. Wenn in Rom abends gegen neun Uhr auf dem Corso die Iridnim, das wichtigste Organ der Opposition, herauskommt, dann zieht eine Reihe von Männern und Knaben, halb im Laufschritt, nach der Piazza Colonna und durch die benachbarten Gassen, mit aller Kraft der Lungen in allen Tönen rufend: ZZeoo ig, ^ribuim! und mit einem Eifer, als wenn sie ein welterschütterndes Ereignis zu melden Hütten. Nicht minder lebhaft und geräuschvoll ist der Marktverkehr. Plätze wie die Piazza Caneelleria und der Campo ti Fiore (um das Standbild Giordano Brunos) in Rom, die Piazza d'Erbe (Gemüsemarkt) in Verona und Padua, der Merccito nuovo und die Santa Lucia in Neapel unten beim Hafen gewähren dann einen überaus bunten Anblick, denn alles Erdenkbare im malerischen Durcheinander, Blumen, Eisengerüte, Zeuge, Kupfergefüße, Gemüse, Früchte, Fische, Muscheln, Froschkeulen, Hühner, Käse u. s. w. wird dort in Ständen und Buden oder von herumziehenden Händlern feilgeboten, und jeder Verkäufer bemüht sich, Käufer herbeizulocken. Am höchsten steigert sich das Straßenleben in den größern Städten gegen Abend, wenn die vornehme Welt Corso fährt und die andern ihr zusehen, denn sehen und gesehen zu werden ist dem Italiener und wohl noch mehr der Italienerin Bedürfnis. In der That, zu sehen giebts dabei genug: herrliche Pferde vor glänzenden Equipagen mit dem Wappen des Hauses auf dem Schlage und dem Livreebedicnten auf dem Bock, stattliche Männer mit scharfgeschnittenen Zügen, schöne, elegante Frauen mit der charakteristisch italienischen Haarfrisur unter breitem Federhut, Blumen im Gürtel, den Fächer in der Hand. So fahren sie in Rom den engen Corso zwischen den hohen Häusern und Scharen von Fußgängern in kurzem Trabe entlang, dann hinauf nach den schönen, blütenüberschütteten Anlagen des Monte Pincio,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/524>, abgerufen am 22.12.2024.