Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.Stehendes Heer und Miliz da viele nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen; der militärische Vorunter- Endlich sei noch den Soldatenmißhandlungen und dem Beschwerderecht Man sollte doch denken, daß solche Urteile über unsre Heereszustände *) Oberst Wille, Die Ausbildung der Armee. Frauenfeld, 1892.
Stehendes Heer und Miliz da viele nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen; der militärische Vorunter- Endlich sei noch den Soldatenmißhandlungen und dem Beschwerderecht Man sollte doch denken, daß solche Urteile über unsre Heereszustände *) Oberst Wille, Die Ausbildung der Armee. Frauenfeld, 1892.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220132"/> <fw type="header" place="top"> Stehendes Heer und Miliz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1814" prev="#ID_1813"> da viele nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen; der militärische Vorunter-<lb/> richt muß durchgeführt werden, nachdem er seit 1874 auf dem Papier ge¬<lb/> standen hat; ein energisches Vorwärts auf der ganzen Linie ist notwendig." Der<lb/> Wafsenchef der Kavallerie, Oberst Wille, hat vor ein paar Jahren eine Schrift<lb/> veröffentlicht: „Die Ausbildung der Armee."") Darin heißt es: „Das, was<lb/> uns sin der Schweif fehlt, ist einstweilen noch nicht die Dauer des Dienstes,<lb/> sondern es ist die Auffassung und die Anschauung über das ganze Heerwesen."<lb/> Über das deutsche Heer sagt er: „So ungeheure Fortschritte auch die fran¬<lb/> zösische Armee in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht haben mag, der große<lb/> und entscheidende Unterschied zwischen ihr und der preußischen Armee besteht<lb/> zur Stunde noch. Ein einfacher Blick auf eine preußische und eine franzö¬<lb/> sische Truppe läßt dies auch den oberflächlichen Beobachter erkennen: der<lb/> preußische Soldat ist in erster Linie erzogen und dann ausgebildet, der fran¬<lb/> zösische Soldat ist nicht erzogen, er ist nur ausgebildet und gedrillt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Endlich sei noch den Soldatenmißhandlungen und dem Beschwerderecht<lb/> ein Wort gewidmet, einem beliebten Thema, dem in den Reichstagssitzungen<lb/> namentlich der Abgeordnete Bebel seine Aufmerksamkeit zuwendete. Es liegt<lb/> auf der Hand, daß in einem Heere mit zwei- bis dreijähriger Dienstzeit, in<lb/> der die jungen Leute kcisernirt und unausgesetzt der Aufsicht und Ausbildung<lb/> von Berufsunteroffizieren unterworfen find, mehr Gelegenheit zu allzu strenger<lb/> und auch unerlaubter Behandlung gegeben ist als in einem Milizheere mit<lb/> sechzigtägiger Ausbildungszeit und ohne Bernfsunteroffiziere; es ist aber ganz<lb/> unrichtig, wenn die sozialdemokratischen Volksvertreter behaupten, daß in der<lb/> Schweiz eine Mißhandlung von Soldaten nie vorkomme und an und für sich<lb/> unmöglich sei. Wir verweisen einfach auf die Thatsache, daß sich das eid¬<lb/> genössische Militärdepartement wiederholt veranlaßt gesehen hat, Verordnungen<lb/> zu erlassen, die vor solchen Ausschreitungen warnen, und ferner auf eine vor<lb/> ein paar Jahren erschienene Broschüre aus sozialdemokratischer Feder, die den<lb/> Titel führt: „Freie Bürger oder Militärsklaven," in der nicht allein über die<lb/> Mißhandlung der Soldaten, sondern auch über ungenügendes Beschwerderecht<lb/> geklagt wird, beides natürlich in der bekannten sozialdemokratischen Übertrei¬<lb/> bung. Wenn aber das Beschwerderecht, nach der Ansicht des Abgeordneten<lb/> Liebknecht, in der Schweiz verwendbarer sein soll als in Deutschland, so<lb/> möchten wir dem aus der mehrerwühnten Broschüre des Major Gertsch nur<lb/> den einen Ausspruch entgegenhalten: „Wir dürfen nicht mehr zaudern, der<lb/> Bcschwerdesucht der Mannschaft Einhalt zu gebieten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1816" next="#ID_1817"> Man sollte doch denken, daß solche Urteile über unsre Heereszustände<lb/> einerseits und über die schweizerischen andrerseits geeignet wären, einen ge¬<lb/> wissen Eindruck hervorzurufen und auch den sozialdemokratischen Volksvertretern</p><lb/> <note xml:id="FID_44" place="foot"> *) Oberst Wille, Die Ausbildung der Armee. Frauenfeld, 1892.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
Stehendes Heer und Miliz
da viele nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen; der militärische Vorunter-
richt muß durchgeführt werden, nachdem er seit 1874 auf dem Papier ge¬
standen hat; ein energisches Vorwärts auf der ganzen Linie ist notwendig." Der
Wafsenchef der Kavallerie, Oberst Wille, hat vor ein paar Jahren eine Schrift
veröffentlicht: „Die Ausbildung der Armee."") Darin heißt es: „Das, was
uns sin der Schweif fehlt, ist einstweilen noch nicht die Dauer des Dienstes,
sondern es ist die Auffassung und die Anschauung über das ganze Heerwesen."
Über das deutsche Heer sagt er: „So ungeheure Fortschritte auch die fran¬
zösische Armee in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht haben mag, der große
und entscheidende Unterschied zwischen ihr und der preußischen Armee besteht
zur Stunde noch. Ein einfacher Blick auf eine preußische und eine franzö¬
sische Truppe läßt dies auch den oberflächlichen Beobachter erkennen: der
preußische Soldat ist in erster Linie erzogen und dann ausgebildet, der fran¬
zösische Soldat ist nicht erzogen, er ist nur ausgebildet und gedrillt."
Endlich sei noch den Soldatenmißhandlungen und dem Beschwerderecht
ein Wort gewidmet, einem beliebten Thema, dem in den Reichstagssitzungen
namentlich der Abgeordnete Bebel seine Aufmerksamkeit zuwendete. Es liegt
auf der Hand, daß in einem Heere mit zwei- bis dreijähriger Dienstzeit, in
der die jungen Leute kcisernirt und unausgesetzt der Aufsicht und Ausbildung
von Berufsunteroffizieren unterworfen find, mehr Gelegenheit zu allzu strenger
und auch unerlaubter Behandlung gegeben ist als in einem Milizheere mit
sechzigtägiger Ausbildungszeit und ohne Bernfsunteroffiziere; es ist aber ganz
unrichtig, wenn die sozialdemokratischen Volksvertreter behaupten, daß in der
Schweiz eine Mißhandlung von Soldaten nie vorkomme und an und für sich
unmöglich sei. Wir verweisen einfach auf die Thatsache, daß sich das eid¬
genössische Militärdepartement wiederholt veranlaßt gesehen hat, Verordnungen
zu erlassen, die vor solchen Ausschreitungen warnen, und ferner auf eine vor
ein paar Jahren erschienene Broschüre aus sozialdemokratischer Feder, die den
Titel führt: „Freie Bürger oder Militärsklaven," in der nicht allein über die
Mißhandlung der Soldaten, sondern auch über ungenügendes Beschwerderecht
geklagt wird, beides natürlich in der bekannten sozialdemokratischen Übertrei¬
bung. Wenn aber das Beschwerderecht, nach der Ansicht des Abgeordneten
Liebknecht, in der Schweiz verwendbarer sein soll als in Deutschland, so
möchten wir dem aus der mehrerwühnten Broschüre des Major Gertsch nur
den einen Ausspruch entgegenhalten: „Wir dürfen nicht mehr zaudern, der
Bcschwerdesucht der Mannschaft Einhalt zu gebieten."
Man sollte doch denken, daß solche Urteile über unsre Heereszustände
einerseits und über die schweizerischen andrerseits geeignet wären, einen ge¬
wissen Eindruck hervorzurufen und auch den sozialdemokratischen Volksvertretern
*) Oberst Wille, Die Ausbildung der Armee. Frauenfeld, 1892.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |