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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Stehendes Heer und Miliz

sind. Kämen nicht diese Summen (im Jahre 1894 2973000 Franks) dem
eidgenössischen und den kantonalen Militärbudgets zu gute (wie z. B. in Öster¬
reich, wo sie in der Hauptsache zu Unterstützungszwecken verwendet werden),
so würden die betreffenden Etats um diese Betrüge höher sein müssen.

Endlich möchten wir aber noch auf einen Punkt hinweisen, der gewöhn¬
lich übersehen wird. Die Einrichtung des nur zur Verteidigung zu verwen¬
denden und relativ ungenügend ausgebildeten Milizheeres hat die Schweiz ge¬
nötigt, ganz gewaltige Kosten für die Landesbefestigung aufzuwenden. Nach
schweizerischen Quellen waren bis Ende 1893 allein für die Gotthardbefeftigung
it^/z Millionen Franks bewilligt und beinahe 11 Millionen ausgegeben worden.
Für die Befestigung von Se. Maurice waren 2350000 Franks bewilligt, für
Vorstudien zur Befestigung des Luziensteiges 15000 Franks. Für das Jahr
1894 war für die Unterhaltung der Gotthardbefestigungen ein Kredit von
50000 Franks und für andre dort nötige Ausgaben ein Kredit von weitern
75000 Franks beantragt. Damit sind aber die Ausgaben für Landesbefestigung
sicherlich noch nicht zu Ende. Die Befestigung der im Jahre 1892 vom
Bundesrate genehmigten Grimselstraße von der Kantongrenze Bern bis Gletsch
im Kanton Wallis ist nur eine Frage der Zeit; die Vorarbeiten haben nach
einer "Botschaft" des Bundesrates vom 30. März 1895 ergeben, daß die
nötigen Bauten hohe Summen erfordern werden, und zwar mehrere Millionen
für Verteidigungsanlagen auf der Grimsel selbst und etwa 1 Million für den
Fall, daß man sich damit begnügte, die Grimselverteidigung in einer ange-
messenen Verstärkung der Fnrkastellung zu suchen. Aus diesen Gründen soll
zur Zeit die Frage der Grimselbefestigung nicht weiter verfolgt, sondern nur
kleine Arbeiten vorgenommen werden, die es ermöglichen, von der Furka ans
den Übergang über die Grimsel von Wallis in das Berner Oberland zu ver¬
wehren. Bei nächster Gelegenheit wird man aber darauf zurückkommen. Be¬
rücksichtigt man endlich, daß anch die Herstellung von Befestigungen im Jura
schon oft erörtert und dringend empfohlen, nur ebenfalls aus finanziellen
Gründen verschoben worden ist, so drängt sich gewiß die Frage auf: Wäre es
nicht billiger und zweckentsprechender, ein stehendes Heer zu halten, als diese
außerordentlich hohen Kosten für Landesbefestigung auszugeben? Das Miliz¬
heer ist nur zur Verteidigung zu brauchen, darüber herrscht kein Zweifel; von
der alten bewährten Regel, daß die beste Verteidigung im Angriffe besteht,
oder anders, daß die beste Parade der Hieb ist, muß in der Schweiz abge¬
sehen werden; aus diesen: Grunde ist nichts übrig geblieben, als die Benutzung
des außerordentlich günstigen Terrains, das die Schweiz bietet, zu Befestigungen
und Straßensperren. Immerhin machen diese großen Anlagen schon jetzt die
Aufstellung einzelner stehenden Truppenteile notwendig. Wie würden sich für
Deutschland die Verhältnisse gestalten, wenn wir kein zuverlässiges stehendes
und militärisch gründlich geschultes Heer hätten, das jederzeit und in jeder


Stehendes Heer und Miliz

sind. Kämen nicht diese Summen (im Jahre 1894 2973000 Franks) dem
eidgenössischen und den kantonalen Militärbudgets zu gute (wie z. B. in Öster¬
reich, wo sie in der Hauptsache zu Unterstützungszwecken verwendet werden),
so würden die betreffenden Etats um diese Betrüge höher sein müssen.

Endlich möchten wir aber noch auf einen Punkt hinweisen, der gewöhn¬
lich übersehen wird. Die Einrichtung des nur zur Verteidigung zu verwen¬
denden und relativ ungenügend ausgebildeten Milizheeres hat die Schweiz ge¬
nötigt, ganz gewaltige Kosten für die Landesbefestigung aufzuwenden. Nach
schweizerischen Quellen waren bis Ende 1893 allein für die Gotthardbefeftigung
it^/z Millionen Franks bewilligt und beinahe 11 Millionen ausgegeben worden.
Für die Befestigung von Se. Maurice waren 2350000 Franks bewilligt, für
Vorstudien zur Befestigung des Luziensteiges 15000 Franks. Für das Jahr
1894 war für die Unterhaltung der Gotthardbefestigungen ein Kredit von
50000 Franks und für andre dort nötige Ausgaben ein Kredit von weitern
75000 Franks beantragt. Damit sind aber die Ausgaben für Landesbefestigung
sicherlich noch nicht zu Ende. Die Befestigung der im Jahre 1892 vom
Bundesrate genehmigten Grimselstraße von der Kantongrenze Bern bis Gletsch
im Kanton Wallis ist nur eine Frage der Zeit; die Vorarbeiten haben nach
einer „Botschaft" des Bundesrates vom 30. März 1895 ergeben, daß die
nötigen Bauten hohe Summen erfordern werden, und zwar mehrere Millionen
für Verteidigungsanlagen auf der Grimsel selbst und etwa 1 Million für den
Fall, daß man sich damit begnügte, die Grimselverteidigung in einer ange-
messenen Verstärkung der Fnrkastellung zu suchen. Aus diesen Gründen soll
zur Zeit die Frage der Grimselbefestigung nicht weiter verfolgt, sondern nur
kleine Arbeiten vorgenommen werden, die es ermöglichen, von der Furka ans
den Übergang über die Grimsel von Wallis in das Berner Oberland zu ver¬
wehren. Bei nächster Gelegenheit wird man aber darauf zurückkommen. Be¬
rücksichtigt man endlich, daß anch die Herstellung von Befestigungen im Jura
schon oft erörtert und dringend empfohlen, nur ebenfalls aus finanziellen
Gründen verschoben worden ist, so drängt sich gewiß die Frage auf: Wäre es
nicht billiger und zweckentsprechender, ein stehendes Heer zu halten, als diese
außerordentlich hohen Kosten für Landesbefestigung auszugeben? Das Miliz¬
heer ist nur zur Verteidigung zu brauchen, darüber herrscht kein Zweifel; von
der alten bewährten Regel, daß die beste Verteidigung im Angriffe besteht,
oder anders, daß die beste Parade der Hieb ist, muß in der Schweiz abge¬
sehen werden; aus diesen: Grunde ist nichts übrig geblieben, als die Benutzung
des außerordentlich günstigen Terrains, das die Schweiz bietet, zu Befestigungen
und Straßensperren. Immerhin machen diese großen Anlagen schon jetzt die
Aufstellung einzelner stehenden Truppenteile notwendig. Wie würden sich für
Deutschland die Verhältnisse gestalten, wenn wir kein zuverlässiges stehendes
und militärisch gründlich geschultes Heer hätten, das jederzeit und in jeder


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[0452] Stehendes Heer und Miliz sind. Kämen nicht diese Summen (im Jahre 1894 2973000 Franks) dem eidgenössischen und den kantonalen Militärbudgets zu gute (wie z. B. in Öster¬ reich, wo sie in der Hauptsache zu Unterstützungszwecken verwendet werden), so würden die betreffenden Etats um diese Betrüge höher sein müssen. Endlich möchten wir aber noch auf einen Punkt hinweisen, der gewöhn¬ lich übersehen wird. Die Einrichtung des nur zur Verteidigung zu verwen¬ denden und relativ ungenügend ausgebildeten Milizheeres hat die Schweiz ge¬ nötigt, ganz gewaltige Kosten für die Landesbefestigung aufzuwenden. Nach schweizerischen Quellen waren bis Ende 1893 allein für die Gotthardbefeftigung it^/z Millionen Franks bewilligt und beinahe 11 Millionen ausgegeben worden. Für die Befestigung von Se. Maurice waren 2350000 Franks bewilligt, für Vorstudien zur Befestigung des Luziensteiges 15000 Franks. Für das Jahr 1894 war für die Unterhaltung der Gotthardbefestigungen ein Kredit von 50000 Franks und für andre dort nötige Ausgaben ein Kredit von weitern 75000 Franks beantragt. Damit sind aber die Ausgaben für Landesbefestigung sicherlich noch nicht zu Ende. Die Befestigung der im Jahre 1892 vom Bundesrate genehmigten Grimselstraße von der Kantongrenze Bern bis Gletsch im Kanton Wallis ist nur eine Frage der Zeit; die Vorarbeiten haben nach einer „Botschaft" des Bundesrates vom 30. März 1895 ergeben, daß die nötigen Bauten hohe Summen erfordern werden, und zwar mehrere Millionen für Verteidigungsanlagen auf der Grimsel selbst und etwa 1 Million für den Fall, daß man sich damit begnügte, die Grimselverteidigung in einer ange- messenen Verstärkung der Fnrkastellung zu suchen. Aus diesen Gründen soll zur Zeit die Frage der Grimselbefestigung nicht weiter verfolgt, sondern nur kleine Arbeiten vorgenommen werden, die es ermöglichen, von der Furka ans den Übergang über die Grimsel von Wallis in das Berner Oberland zu ver¬ wehren. Bei nächster Gelegenheit wird man aber darauf zurückkommen. Be¬ rücksichtigt man endlich, daß anch die Herstellung von Befestigungen im Jura schon oft erörtert und dringend empfohlen, nur ebenfalls aus finanziellen Gründen verschoben worden ist, so drängt sich gewiß die Frage auf: Wäre es nicht billiger und zweckentsprechender, ein stehendes Heer zu halten, als diese außerordentlich hohen Kosten für Landesbefestigung auszugeben? Das Miliz¬ heer ist nur zur Verteidigung zu brauchen, darüber herrscht kein Zweifel; von der alten bewährten Regel, daß die beste Verteidigung im Angriffe besteht, oder anders, daß die beste Parade der Hieb ist, muß in der Schweiz abge¬ sehen werden; aus diesen: Grunde ist nichts übrig geblieben, als die Benutzung des außerordentlich günstigen Terrains, das die Schweiz bietet, zu Befestigungen und Straßensperren. Immerhin machen diese großen Anlagen schon jetzt die Aufstellung einzelner stehenden Truppenteile notwendig. Wie würden sich für Deutschland die Verhältnisse gestalten, wenn wir kein zuverlässiges stehendes und militärisch gründlich geschultes Heer hätten, das jederzeit und in jeder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/452>, abgerufen am 26.08.2024.