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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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stehendes Heer und Miliz

cum man einen Rückblick auf die letzten das Militärbudget be¬
handelnden Reichstagsverhandlungen wirft, fo sieht man, daß
es sich in der Hauptsache um ein Nedeturnier zwischen den
Führern der sozialdemokratischen Partei und dem Kriegsminister
handelte, einen Zweikampf, der von der Sozialdemokratie hervor¬
gerufen wurde, um außerhalb des Reichstags Aufsehen zu erregen und mög¬
lichsten Erfolg zu erzielen, und der damit endete, daß der Vertreter der Re¬
gierung die Angriffe der Sozialdemokraten gegen die Heeresverwaltung ohne
Ausnahme widerlegte. Es würde sich unter diesen Umständen kaum ver¬
lohnen, noch einmal auf diese Verhandlungen zurückzukommen, wenn es nicht
der Umstand, daß gleichzeitig die Militärdebatten in der französischen National¬
versammlung stattfanden, bei denen ebenfalls die Sozialdemokraten das große
Wort führten, nahelegte, einmal zu untersuchen, was diese vaterlandslosen
Gegner der Staatsordnung im Bereiche des Militärwesens eigentlich erstreben,
und wie weit sie mit ihren Wünschen und Beschwerden Recht haben.

Zunächst unterscheidet sich der deutsche Sozialdemokrat dadurch unvorteil¬
haft von seinem französischen Gesinnungsgenossen, daß er meist nur Beschwerden
vorbringt, die den Zweck haben, Unzufriedenheit in die Reihen des Heeres zu
tragen, dadurch sozialdemokratische Ideen zu züchten und die im deutschen
Volke haftende Liebe zu Fürst und Vaterland und zu unsern bewährten mili¬
tärischen Einrichtungen zu untergraben. Anders der französische Gesinnungs¬
genosse. Er kämpft weit sachlicher, verschmäht es, jeden einzelnen mehr oder
weniger berechtigten Beschwerdefall auf der Tribüne der Nationalversammlung
breitzutreten, und wagt es höchst selten, geradezu gegen das Heer oder das
Vaterland aufzutreten. Der Abgeordnete Faberon, der in der Sitzung vom


Grenzbow, II 1895 56


stehendes Heer und Miliz

cum man einen Rückblick auf die letzten das Militärbudget be¬
handelnden Reichstagsverhandlungen wirft, fo sieht man, daß
es sich in der Hauptsache um ein Nedeturnier zwischen den
Führern der sozialdemokratischen Partei und dem Kriegsminister
handelte, einen Zweikampf, der von der Sozialdemokratie hervor¬
gerufen wurde, um außerhalb des Reichstags Aufsehen zu erregen und mög¬
lichsten Erfolg zu erzielen, und der damit endete, daß der Vertreter der Re¬
gierung die Angriffe der Sozialdemokraten gegen die Heeresverwaltung ohne
Ausnahme widerlegte. Es würde sich unter diesen Umständen kaum ver¬
lohnen, noch einmal auf diese Verhandlungen zurückzukommen, wenn es nicht
der Umstand, daß gleichzeitig die Militärdebatten in der französischen National¬
versammlung stattfanden, bei denen ebenfalls die Sozialdemokraten das große
Wort führten, nahelegte, einmal zu untersuchen, was diese vaterlandslosen
Gegner der Staatsordnung im Bereiche des Militärwesens eigentlich erstreben,
und wie weit sie mit ihren Wünschen und Beschwerden Recht haben.

Zunächst unterscheidet sich der deutsche Sozialdemokrat dadurch unvorteil¬
haft von seinem französischen Gesinnungsgenossen, daß er meist nur Beschwerden
vorbringt, die den Zweck haben, Unzufriedenheit in die Reihen des Heeres zu
tragen, dadurch sozialdemokratische Ideen zu züchten und die im deutschen
Volke haftende Liebe zu Fürst und Vaterland und zu unsern bewährten mili¬
tärischen Einrichtungen zu untergraben. Anders der französische Gesinnungs¬
genosse. Er kämpft weit sachlicher, verschmäht es, jeden einzelnen mehr oder
weniger berechtigten Beschwerdefall auf der Tribüne der Nationalversammlung
breitzutreten, und wagt es höchst selten, geradezu gegen das Heer oder das
Vaterland aufzutreten. Der Abgeordnete Faberon, der in der Sitzung vom


Grenzbow, II 1895 56
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[0449] [Abbildung] stehendes Heer und Miliz cum man einen Rückblick auf die letzten das Militärbudget be¬ handelnden Reichstagsverhandlungen wirft, fo sieht man, daß es sich in der Hauptsache um ein Nedeturnier zwischen den Führern der sozialdemokratischen Partei und dem Kriegsminister handelte, einen Zweikampf, der von der Sozialdemokratie hervor¬ gerufen wurde, um außerhalb des Reichstags Aufsehen zu erregen und mög¬ lichsten Erfolg zu erzielen, und der damit endete, daß der Vertreter der Re¬ gierung die Angriffe der Sozialdemokraten gegen die Heeresverwaltung ohne Ausnahme widerlegte. Es würde sich unter diesen Umständen kaum ver¬ lohnen, noch einmal auf diese Verhandlungen zurückzukommen, wenn es nicht der Umstand, daß gleichzeitig die Militärdebatten in der französischen National¬ versammlung stattfanden, bei denen ebenfalls die Sozialdemokraten das große Wort führten, nahelegte, einmal zu untersuchen, was diese vaterlandslosen Gegner der Staatsordnung im Bereiche des Militärwesens eigentlich erstreben, und wie weit sie mit ihren Wünschen und Beschwerden Recht haben. Zunächst unterscheidet sich der deutsche Sozialdemokrat dadurch unvorteil¬ haft von seinem französischen Gesinnungsgenossen, daß er meist nur Beschwerden vorbringt, die den Zweck haben, Unzufriedenheit in die Reihen des Heeres zu tragen, dadurch sozialdemokratische Ideen zu züchten und die im deutschen Volke haftende Liebe zu Fürst und Vaterland und zu unsern bewährten mili¬ tärischen Einrichtungen zu untergraben. Anders der französische Gesinnungs¬ genosse. Er kämpft weit sachlicher, verschmäht es, jeden einzelnen mehr oder weniger berechtigten Beschwerdefall auf der Tribüne der Nationalversammlung breitzutreten, und wagt es höchst selten, geradezu gegen das Heer oder das Vaterland aufzutreten. Der Abgeordnete Faberon, der in der Sitzung vom Grenzbow, II 1895 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/449>, abgerufen am 25.08.2024.