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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Susi

zu seiner Frau erkennt, aber in völliger Täuschung über und im blinden Ver¬
trauen auf die Natur seiner Frau wähnt, daß eine edle Neigung und Leiden¬
schaft seinen Fürsten moralisch erheben solle, macht den weltunkundigen Op¬
timisten in ihren Augen nur abgeschmackter und langweiliger. "Tausendmal
hatte sie sich gefragt, warum sie von all den Männern, die sie hätte heiraten
können, sich gerade diesen ausgesucht habe, der mit seinem Primanerenthusiasmus,
seinen absurden Schwärmereien für alle möglichen idealen Luftschlösser so gar
nicht für sie passe und dessen brüske Manieren sie tagtäglich beleidigten. Dazu
seine stürmische Zärtlichkeit! Und seine Stupidität, niemals zu merken, daß
sie nicht erwidert wurde." In Summa, der Herzog findet entschiednes Ent¬
gegenkommen, als er während einer Reise, die Astolf Vachta nach Ostpreußen
unternehmen muß, Frau Susi als Gast des Hofes nach dem Residenzschloß
einlädt. Der ganze Hof merkt, was im Werke ist, und Kammerherr von Brenken,
der bis dahin das Verhältnis seines Herrn mit der Opernsängerin Pauline
Neinerz hat decken müssen, wird jetzt genötigt, den Marinelli bei der Frau
Baronin von Vachta zu spielen, was ihm insofern etwas sauer wird, als er
selbst ein Auge auf die Dame geworfen hat und sie ihrem Gemahl wie seinem
Herzog gern abjagte. Brenken ist jedoch ein kluger und welterfahrner Mann,
der auch aus zweiter Hand nimmt, was man aus der ersten nicht haben kann,
und thut einstweilen, was sein erlauchter Herr von ihm fordert. Könnte ihn
doch der Herzog jeden Tag aufs Pflaster werfen, und muß sich doch ein
pfennigloscr Kammerherr aus gutem, altem Hause, der nichts gelernt, aber
viel Bedürfnisse hat, strecken und ducken, wie es eben die Verhältnisse mit sich
bringen.

Fürs erste kommt der Herzog bei Susi auch ohne diesen Getreuen zum
Ziele; die Frau Baronin, die bei dem leidenden Zustande der regierenden Her¬
zogin allerhand Träume von einer künftigen morganatischen Ehe mit dem
Herzog träumt, bringt, während sie der Gast besagter Herzogin ist, das Ver¬
hältnis zu dem Abschluß, nach dem Serenissimus lechzt. Und "sie war auch
nicht einen Augenblick darüber in Zweifel gewesen, daß dies des Spieles Ende
sein würde. Weshalb also darüber Neue empfinden?" Sie ahnt auch in ihrer
selbstgefälligen Herzlosigkeit nicht, von welcher Gefahr ihr "Verhältnis" be¬
droht ist. "Seltsamerweise kam ihm (dem Herzog) die Verdunklung seines
Glücks von einer Seite, an die seine Geliebte kaum dachte. Für sie war ihre
Liebschaft mit dem Herzog eine Art Rache für den Überdruß, den sie in ihrer
Ehe empfand, mit einer persönlichen Spitze gegen Astolf; für den Herzog war
die Erinnerung an den Freund seiner Jngend bis zur Peinlichkeit unbehaglich.
Er hatte ihn in seiner Weise lieb gehabt, hatte ihn noch lieb, und was viel
schlimmer war, Astolf war der einzige Mensch, vor dem er innerlich Respekt
empfand." Die Märchenherrlichkeit der geheimen Zusammenkünfte über eine
geheime Treppe, die nur dem Herzog bekannt ist, kann natürlich nur so lange


Susi

zu seiner Frau erkennt, aber in völliger Täuschung über und im blinden Ver¬
trauen auf die Natur seiner Frau wähnt, daß eine edle Neigung und Leiden¬
schaft seinen Fürsten moralisch erheben solle, macht den weltunkundigen Op¬
timisten in ihren Augen nur abgeschmackter und langweiliger. „Tausendmal
hatte sie sich gefragt, warum sie von all den Männern, die sie hätte heiraten
können, sich gerade diesen ausgesucht habe, der mit seinem Primanerenthusiasmus,
seinen absurden Schwärmereien für alle möglichen idealen Luftschlösser so gar
nicht für sie passe und dessen brüske Manieren sie tagtäglich beleidigten. Dazu
seine stürmische Zärtlichkeit! Und seine Stupidität, niemals zu merken, daß
sie nicht erwidert wurde." In Summa, der Herzog findet entschiednes Ent¬
gegenkommen, als er während einer Reise, die Astolf Vachta nach Ostpreußen
unternehmen muß, Frau Susi als Gast des Hofes nach dem Residenzschloß
einlädt. Der ganze Hof merkt, was im Werke ist, und Kammerherr von Brenken,
der bis dahin das Verhältnis seines Herrn mit der Opernsängerin Pauline
Neinerz hat decken müssen, wird jetzt genötigt, den Marinelli bei der Frau
Baronin von Vachta zu spielen, was ihm insofern etwas sauer wird, als er
selbst ein Auge auf die Dame geworfen hat und sie ihrem Gemahl wie seinem
Herzog gern abjagte. Brenken ist jedoch ein kluger und welterfahrner Mann,
der auch aus zweiter Hand nimmt, was man aus der ersten nicht haben kann,
und thut einstweilen, was sein erlauchter Herr von ihm fordert. Könnte ihn
doch der Herzog jeden Tag aufs Pflaster werfen, und muß sich doch ein
pfennigloscr Kammerherr aus gutem, altem Hause, der nichts gelernt, aber
viel Bedürfnisse hat, strecken und ducken, wie es eben die Verhältnisse mit sich
bringen.

Fürs erste kommt der Herzog bei Susi auch ohne diesen Getreuen zum
Ziele; die Frau Baronin, die bei dem leidenden Zustande der regierenden Her¬
zogin allerhand Träume von einer künftigen morganatischen Ehe mit dem
Herzog träumt, bringt, während sie der Gast besagter Herzogin ist, das Ver¬
hältnis zu dem Abschluß, nach dem Serenissimus lechzt. Und „sie war auch
nicht einen Augenblick darüber in Zweifel gewesen, daß dies des Spieles Ende
sein würde. Weshalb also darüber Neue empfinden?" Sie ahnt auch in ihrer
selbstgefälligen Herzlosigkeit nicht, von welcher Gefahr ihr „Verhältnis" be¬
droht ist. „Seltsamerweise kam ihm (dem Herzog) die Verdunklung seines
Glücks von einer Seite, an die seine Geliebte kaum dachte. Für sie war ihre
Liebschaft mit dem Herzog eine Art Rache für den Überdruß, den sie in ihrer
Ehe empfand, mit einer persönlichen Spitze gegen Astolf; für den Herzog war
die Erinnerung an den Freund seiner Jngend bis zur Peinlichkeit unbehaglich.
Er hatte ihn in seiner Weise lieb gehabt, hatte ihn noch lieb, und was viel
schlimmer war, Astolf war der einzige Mensch, vor dem er innerlich Respekt
empfand." Die Märchenherrlichkeit der geheimen Zusammenkünfte über eine
geheime Treppe, die nur dem Herzog bekannt ist, kann natürlich nur so lange


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[0382] Susi zu seiner Frau erkennt, aber in völliger Täuschung über und im blinden Ver¬ trauen auf die Natur seiner Frau wähnt, daß eine edle Neigung und Leiden¬ schaft seinen Fürsten moralisch erheben solle, macht den weltunkundigen Op¬ timisten in ihren Augen nur abgeschmackter und langweiliger. „Tausendmal hatte sie sich gefragt, warum sie von all den Männern, die sie hätte heiraten können, sich gerade diesen ausgesucht habe, der mit seinem Primanerenthusiasmus, seinen absurden Schwärmereien für alle möglichen idealen Luftschlösser so gar nicht für sie passe und dessen brüske Manieren sie tagtäglich beleidigten. Dazu seine stürmische Zärtlichkeit! Und seine Stupidität, niemals zu merken, daß sie nicht erwidert wurde." In Summa, der Herzog findet entschiednes Ent¬ gegenkommen, als er während einer Reise, die Astolf Vachta nach Ostpreußen unternehmen muß, Frau Susi als Gast des Hofes nach dem Residenzschloß einlädt. Der ganze Hof merkt, was im Werke ist, und Kammerherr von Brenken, der bis dahin das Verhältnis seines Herrn mit der Opernsängerin Pauline Neinerz hat decken müssen, wird jetzt genötigt, den Marinelli bei der Frau Baronin von Vachta zu spielen, was ihm insofern etwas sauer wird, als er selbst ein Auge auf die Dame geworfen hat und sie ihrem Gemahl wie seinem Herzog gern abjagte. Brenken ist jedoch ein kluger und welterfahrner Mann, der auch aus zweiter Hand nimmt, was man aus der ersten nicht haben kann, und thut einstweilen, was sein erlauchter Herr von ihm fordert. Könnte ihn doch der Herzog jeden Tag aufs Pflaster werfen, und muß sich doch ein pfennigloscr Kammerherr aus gutem, altem Hause, der nichts gelernt, aber viel Bedürfnisse hat, strecken und ducken, wie es eben die Verhältnisse mit sich bringen. Fürs erste kommt der Herzog bei Susi auch ohne diesen Getreuen zum Ziele; die Frau Baronin, die bei dem leidenden Zustande der regierenden Her¬ zogin allerhand Träume von einer künftigen morganatischen Ehe mit dem Herzog träumt, bringt, während sie der Gast besagter Herzogin ist, das Ver¬ hältnis zu dem Abschluß, nach dem Serenissimus lechzt. Und „sie war auch nicht einen Augenblick darüber in Zweifel gewesen, daß dies des Spieles Ende sein würde. Weshalb also darüber Neue empfinden?" Sie ahnt auch in ihrer selbstgefälligen Herzlosigkeit nicht, von welcher Gefahr ihr „Verhältnis" be¬ droht ist. „Seltsamerweise kam ihm (dem Herzog) die Verdunklung seines Glücks von einer Seite, an die seine Geliebte kaum dachte. Für sie war ihre Liebschaft mit dem Herzog eine Art Rache für den Überdruß, den sie in ihrer Ehe empfand, mit einer persönlichen Spitze gegen Astolf; für den Herzog war die Erinnerung an den Freund seiner Jngend bis zur Peinlichkeit unbehaglich. Er hatte ihn in seiner Weise lieb gehabt, hatte ihn noch lieb, und was viel schlimmer war, Astolf war der einzige Mensch, vor dem er innerlich Respekt empfand." Die Märchenherrlichkeit der geheimen Zusammenkünfte über eine geheime Treppe, die nur dem Herzog bekannt ist, kann natürlich nur so lange

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/382>, abgerufen am 27.08.2024.