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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der erste Beste

An was für unfreundliche Dinge hast du denn eben gedacht, Gretel?
fragte Fritz und sah sie forschend an. Das war gar nicht dein Gesicht.
Nun? Soll ich keine Antwort bekommen? Bist du böse, daß ich dich an die
üverwundne kleine Schwärmerei für den schönen Romanschreiber erinnert habe?

Sie schwieg; ihre Unterlippe zuckte leise.

Weißt du, daß du jetzt gerade wie ein trotziges kleines Kind aussiehst?
fragte er lächelnd.

Trotzig! stieß sie hervor, während ihr ein Aufschluchzen den Hals zu¬
schnürte. Trotzig! Du weißt wohl, wie mir zu Mute ist! Laß mich los! --
Sie schob heftig seinen Arm zurück, und ehe er sichs versah, war sie von
seinen Knien geglitten, mit zivei leichten Sprüngen durch das aufspritzende
Wasser geflogen und lief den Strand entlang der Mole zu. Ein Weilchen
starrte er ihr ganz verblüfft nach, dann schüttelte er den Kopf, stand auf,
rückte.seinen Korb aufs Trockne und ging mit langen Schritten hinter
ihr her.

Sie hatte einen ansehnlichen Vorsprung, da sie alle Hindernisse flüchtigen
Fußes nahm, ohne Rücksicht auf Gräben und "Burgen," zwischen denen
Kinder spielten, und so erreichte sie bald eine der kleinen Pforten, die vom
untern Strand auf den langgestreckten Steinbau der Mole führen. Sie warf
einen scheuen Blick zurück und sah Fritz in einiger Entfernung, der trotz
der Eile, mit der er ihr folgte, noch Zeit fand, mit einem Schaufelstiel ein
durchgebranntes kleines Schiff zu retten, dem ein ratloses Bübchen weinend
nachsah.

Als er den Molenkopf erreichte, fand er Margarete in einer Baulente
der Holzgalerie kauern. Sie hatte die Arme auf die Lehne, das Gesicht auf
die Arme gelegt und schluchzte. Niemand war draußen; sie saß ganz allein.
Die Wellen klatschten gleichmäßig und eintönig gegen das Bollwerk. Eine
Möwe schoß daher, umkreiste die Lenchtbccke und die betrübte, kleine Gestalt
und verlor sich in schwingenden Flug wieder über der flimmernden Wasser¬
fläche. Von fern tönte noch ihr rauher, klagender Schrei.

Fritz näherte sich leise und legte die Hand auf das verwehte blonde Haar,
von dem das Weiße Mützchen herabgeglitten war.

Margretchen! bat er zärtlich.

Sie zuckte zusammen und richtete sich auf. Ihr Gesicht war von Thränen
überströmt, vom leidenschaftlichen Weinen entstellt.

Was willst du? rief sie außer sich, was kommst du mir immer nach?
Geh fort! Ich will nicht -- ich will nicht! Und beide Hände an die Schläfen
drückend, brach sie in Heller Verzweiflung aus: Soll ich denn niemals mehr
einen Augenblick allein sein?

Fritz war unwillkürlich zwei Schritte zurückgewichen. Ganz bleich starrte
er in das verstörte kleine Gesicht.

Gewiß, sagte er erschüttert, halblaut, und winkte mit der Hand. Gewiß,
so viel du willst.

Daun wandte er sich um und ging davon.


3

Eine frische Brise hatte sich aufgemacht und trieb weiße Schaumköpfchen
über das grünschimmernde Wasser daher. Auf den Sandbänken nahe dem
Strande überstürzten sich schon die Brandungswellen, wirbelten heran, rauschten


Der erste Beste

An was für unfreundliche Dinge hast du denn eben gedacht, Gretel?
fragte Fritz und sah sie forschend an. Das war gar nicht dein Gesicht.
Nun? Soll ich keine Antwort bekommen? Bist du böse, daß ich dich an die
üverwundne kleine Schwärmerei für den schönen Romanschreiber erinnert habe?

Sie schwieg; ihre Unterlippe zuckte leise.

Weißt du, daß du jetzt gerade wie ein trotziges kleines Kind aussiehst?
fragte er lächelnd.

Trotzig! stieß sie hervor, während ihr ein Aufschluchzen den Hals zu¬
schnürte. Trotzig! Du weißt wohl, wie mir zu Mute ist! Laß mich los! —
Sie schob heftig seinen Arm zurück, und ehe er sichs versah, war sie von
seinen Knien geglitten, mit zivei leichten Sprüngen durch das aufspritzende
Wasser geflogen und lief den Strand entlang der Mole zu. Ein Weilchen
starrte er ihr ganz verblüfft nach, dann schüttelte er den Kopf, stand auf,
rückte.seinen Korb aufs Trockne und ging mit langen Schritten hinter
ihr her.

Sie hatte einen ansehnlichen Vorsprung, da sie alle Hindernisse flüchtigen
Fußes nahm, ohne Rücksicht auf Gräben und „Burgen," zwischen denen
Kinder spielten, und so erreichte sie bald eine der kleinen Pforten, die vom
untern Strand auf den langgestreckten Steinbau der Mole führen. Sie warf
einen scheuen Blick zurück und sah Fritz in einiger Entfernung, der trotz
der Eile, mit der er ihr folgte, noch Zeit fand, mit einem Schaufelstiel ein
durchgebranntes kleines Schiff zu retten, dem ein ratloses Bübchen weinend
nachsah.

Als er den Molenkopf erreichte, fand er Margarete in einer Baulente
der Holzgalerie kauern. Sie hatte die Arme auf die Lehne, das Gesicht auf
die Arme gelegt und schluchzte. Niemand war draußen; sie saß ganz allein.
Die Wellen klatschten gleichmäßig und eintönig gegen das Bollwerk. Eine
Möwe schoß daher, umkreiste die Lenchtbccke und die betrübte, kleine Gestalt
und verlor sich in schwingenden Flug wieder über der flimmernden Wasser¬
fläche. Von fern tönte noch ihr rauher, klagender Schrei.

Fritz näherte sich leise und legte die Hand auf das verwehte blonde Haar,
von dem das Weiße Mützchen herabgeglitten war.

Margretchen! bat er zärtlich.

Sie zuckte zusammen und richtete sich auf. Ihr Gesicht war von Thränen
überströmt, vom leidenschaftlichen Weinen entstellt.

Was willst du? rief sie außer sich, was kommst du mir immer nach?
Geh fort! Ich will nicht — ich will nicht! Und beide Hände an die Schläfen
drückend, brach sie in Heller Verzweiflung aus: Soll ich denn niemals mehr
einen Augenblick allein sein?

Fritz war unwillkürlich zwei Schritte zurückgewichen. Ganz bleich starrte
er in das verstörte kleine Gesicht.

Gewiß, sagte er erschüttert, halblaut, und winkte mit der Hand. Gewiß,
so viel du willst.

Daun wandte er sich um und ging davon.


3

Eine frische Brise hatte sich aufgemacht und trieb weiße Schaumköpfchen
über das grünschimmernde Wasser daher. Auf den Sandbänken nahe dem
Strande überstürzten sich schon die Brandungswellen, wirbelten heran, rauschten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/342>, abgerufen am 22.12.2024.