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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der erste Beste

herzhaftes, tapfres Ja und einen Kuß. Diesmal war einige Wochen darauf
der Fritz erschienen. Wie hatte sie wissen können, daß er schon damals in
Warnemünde -- Aber gut, es war ja alles einerlei. Nur Schluß, nur
Siegel vor!

Ja, Riegel vor! schob sie ihn denn nicht selbst Tag für Tag wieder
zurück? Buckle sie nicht eben jetzt wieder mit heißen Augen in das verbotne
Reich hinüber? Und horchte, lauschte auf den weichen Klang der lügnerischen
Stimme: Auf Wiedersehen morgen, ja?

Plötzlich schreckte sie zusammen. Fritzens hohe, breitschultrige Gestalt ver¬
dunkelte die Korböffnung.

So, der wäre besorgt! -- Er betrachtete sie lächelnd. -- Na? Haben
wir da ein bischen geschlafen? Nein? Aber wie sehen denn diese Augen aus?
Aus welchen Traumländern kommen denn die zurück? Machst mir ein bischen
Platz, nicht wahr? Recht so.

Mit einem Erleichterungsseufzer ließ er sich neben sie auf den Sitz fallen.
Margarete rückte weiter in die Ecke.

Halt! -- Er faßte sie um die Schultern und zog sie an sich. -- Thust
ja, als wenn du eine leere Brieftasche wärest, die in jeder Falte Platz hat.
Ich bin zwar ein Mammut, aber mein Margretchen drück ich darum doch
nicht tot. Höchstens einmal in der Übereilung aus Liebe.

Er küßte sie zärtlich auf Mund und Augen.

Du Glück du, liebes, murmelte er dicht an ihren Lippen, du Sonnen¬
scheinchen!

Sie war sehr rot geworden.

Ich bitte dich, sagte sie leise und schob ihn von sich, immerfort kommen
Leute hier vorbei. Wie kannst du uur --

So? Das wollen wir bald ändern. Steh mal einen Augenblick auf, ja?

Mit kräftigen Rucken hin und her zog er den Strandkorb nach dem
Wasser zu. Sie stand zur Seite, verwirrt, beklommen. Wie hatte er sie
wieder geküßt! Und sie wußte, es würde wieder geschehen und immer wieder,
und sie würde nichts dagegen thun können, sie mußte sichs einfach gefallen
lassen. O nein, es war doch nicht einerlei, daß er sie liebte --

Fritz hatte den Korb bis an den Rand des Wassers gezogen.

Komm, winkte er ihr. Steig nur erst ein.

Als sie saß, gab er dem Ding noch einen Ruck, sodaß die kleinen Wellchen
unter dem erhöhten Fußbrett hinspülten, und turnte dann mit einem langen
Schritt um die Ecke.

Siehst du, rief er lachend, so wirds gemacht! Jetzt möchte ich den sehen,
der noch vor diesem Korbe vorbeigeht. Prost, nickte er vergnügt einigen
Spaziergängern nach, die, an dem Hindernis angekommen, einen Bogen be¬
schreiben mußten. Dann zu ihr zurückgewandt: Und nun geht uns die ganze
Welt nichts mehr an.

Damit hob er sie einfach auf seinen Schoß. Sie sträubte sich ängstlich,
als er sie so fest in die Arme nahm.

Fürchtest du dich wieder? fragte er und ließ sie los.

Sie antwortete nicht, sah abgewandt über das Wasser hin, die Unterlippe
zwischen den Zähnen.

Er strich ihr sanft das verwirrte Haar aus der Stirn. Er hat dich
erschreckt, der Bär, was? Ja, stehst du, Kind, das ist nun dein Schicksal; so


Der erste Beste

herzhaftes, tapfres Ja und einen Kuß. Diesmal war einige Wochen darauf
der Fritz erschienen. Wie hatte sie wissen können, daß er schon damals in
Warnemünde — Aber gut, es war ja alles einerlei. Nur Schluß, nur
Siegel vor!

Ja, Riegel vor! schob sie ihn denn nicht selbst Tag für Tag wieder
zurück? Buckle sie nicht eben jetzt wieder mit heißen Augen in das verbotne
Reich hinüber? Und horchte, lauschte auf den weichen Klang der lügnerischen
Stimme: Auf Wiedersehen morgen, ja?

Plötzlich schreckte sie zusammen. Fritzens hohe, breitschultrige Gestalt ver¬
dunkelte die Korböffnung.

So, der wäre besorgt! — Er betrachtete sie lächelnd. — Na? Haben
wir da ein bischen geschlafen? Nein? Aber wie sehen denn diese Augen aus?
Aus welchen Traumländern kommen denn die zurück? Machst mir ein bischen
Platz, nicht wahr? Recht so.

Mit einem Erleichterungsseufzer ließ er sich neben sie auf den Sitz fallen.
Margarete rückte weiter in die Ecke.

Halt! — Er faßte sie um die Schultern und zog sie an sich. — Thust
ja, als wenn du eine leere Brieftasche wärest, die in jeder Falte Platz hat.
Ich bin zwar ein Mammut, aber mein Margretchen drück ich darum doch
nicht tot. Höchstens einmal in der Übereilung aus Liebe.

Er küßte sie zärtlich auf Mund und Augen.

Du Glück du, liebes, murmelte er dicht an ihren Lippen, du Sonnen¬
scheinchen!

Sie war sehr rot geworden.

Ich bitte dich, sagte sie leise und schob ihn von sich, immerfort kommen
Leute hier vorbei. Wie kannst du uur —

So? Das wollen wir bald ändern. Steh mal einen Augenblick auf, ja?

Mit kräftigen Rucken hin und her zog er den Strandkorb nach dem
Wasser zu. Sie stand zur Seite, verwirrt, beklommen. Wie hatte er sie
wieder geküßt! Und sie wußte, es würde wieder geschehen und immer wieder,
und sie würde nichts dagegen thun können, sie mußte sichs einfach gefallen
lassen. O nein, es war doch nicht einerlei, daß er sie liebte —

Fritz hatte den Korb bis an den Rand des Wassers gezogen.

Komm, winkte er ihr. Steig nur erst ein.

Als sie saß, gab er dem Ding noch einen Ruck, sodaß die kleinen Wellchen
unter dem erhöhten Fußbrett hinspülten, und turnte dann mit einem langen
Schritt um die Ecke.

Siehst du, rief er lachend, so wirds gemacht! Jetzt möchte ich den sehen,
der noch vor diesem Korbe vorbeigeht. Prost, nickte er vergnügt einigen
Spaziergängern nach, die, an dem Hindernis angekommen, einen Bogen be¬
schreiben mußten. Dann zu ihr zurückgewandt: Und nun geht uns die ganze
Welt nichts mehr an.

Damit hob er sie einfach auf seinen Schoß. Sie sträubte sich ängstlich,
als er sie so fest in die Arme nahm.

Fürchtest du dich wieder? fragte er und ließ sie los.

Sie antwortete nicht, sah abgewandt über das Wasser hin, die Unterlippe
zwischen den Zähnen.

Er strich ihr sanft das verwirrte Haar aus der Stirn. Er hat dich
erschreckt, der Bär, was? Ja, stehst du, Kind, das ist nun dein Schicksal; so


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[0339] Der erste Beste herzhaftes, tapfres Ja und einen Kuß. Diesmal war einige Wochen darauf der Fritz erschienen. Wie hatte sie wissen können, daß er schon damals in Warnemünde — Aber gut, es war ja alles einerlei. Nur Schluß, nur Siegel vor! Ja, Riegel vor! schob sie ihn denn nicht selbst Tag für Tag wieder zurück? Buckle sie nicht eben jetzt wieder mit heißen Augen in das verbotne Reich hinüber? Und horchte, lauschte auf den weichen Klang der lügnerischen Stimme: Auf Wiedersehen morgen, ja? Plötzlich schreckte sie zusammen. Fritzens hohe, breitschultrige Gestalt ver¬ dunkelte die Korböffnung. So, der wäre besorgt! — Er betrachtete sie lächelnd. — Na? Haben wir da ein bischen geschlafen? Nein? Aber wie sehen denn diese Augen aus? Aus welchen Traumländern kommen denn die zurück? Machst mir ein bischen Platz, nicht wahr? Recht so. Mit einem Erleichterungsseufzer ließ er sich neben sie auf den Sitz fallen. Margarete rückte weiter in die Ecke. Halt! — Er faßte sie um die Schultern und zog sie an sich. — Thust ja, als wenn du eine leere Brieftasche wärest, die in jeder Falte Platz hat. Ich bin zwar ein Mammut, aber mein Margretchen drück ich darum doch nicht tot. Höchstens einmal in der Übereilung aus Liebe. Er küßte sie zärtlich auf Mund und Augen. Du Glück du, liebes, murmelte er dicht an ihren Lippen, du Sonnen¬ scheinchen! Sie war sehr rot geworden. Ich bitte dich, sagte sie leise und schob ihn von sich, immerfort kommen Leute hier vorbei. Wie kannst du uur — So? Das wollen wir bald ändern. Steh mal einen Augenblick auf, ja? Mit kräftigen Rucken hin und her zog er den Strandkorb nach dem Wasser zu. Sie stand zur Seite, verwirrt, beklommen. Wie hatte er sie wieder geküßt! Und sie wußte, es würde wieder geschehen und immer wieder, und sie würde nichts dagegen thun können, sie mußte sichs einfach gefallen lassen. O nein, es war doch nicht einerlei, daß er sie liebte — Fritz hatte den Korb bis an den Rand des Wassers gezogen. Komm, winkte er ihr. Steig nur erst ein. Als sie saß, gab er dem Ding noch einen Ruck, sodaß die kleinen Wellchen unter dem erhöhten Fußbrett hinspülten, und turnte dann mit einem langen Schritt um die Ecke. Siehst du, rief er lachend, so wirds gemacht! Jetzt möchte ich den sehen, der noch vor diesem Korbe vorbeigeht. Prost, nickte er vergnügt einigen Spaziergängern nach, die, an dem Hindernis angekommen, einen Bogen be¬ schreiben mußten. Dann zu ihr zurückgewandt: Und nun geht uns die ganze Welt nichts mehr an. Damit hob er sie einfach auf seinen Schoß. Sie sträubte sich ängstlich, als er sie so fest in die Arme nahm. Fürchtest du dich wieder? fragte er und ließ sie los. Sie antwortete nicht, sah abgewandt über das Wasser hin, die Unterlippe zwischen den Zähnen. Er strich ihr sanft das verwirrte Haar aus der Stirn. Er hat dich erschreckt, der Bär, was? Ja, stehst du, Kind, das ist nun dein Schicksal; so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/339>, abgerufen am 25.08.2024.