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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Kurzschrift und Sprache

Widerspruch zwischen dem großen Unternehmertum und den Arbeitskräften, die
er braucht, daher die Störung der ruhigen Ausbreitung der auf kleinem Land¬
besitz zufriedner Einwanderung, daher das verderbliche System der enormen
Landverschleuderungen, deren Erträge in dem Budget jeder australischen Kolonie
als regelmäßige Einnahmen erscheinen. Was ist das anders, als die Unter¬
schlagung der den kommenden Geschlechtern gehörigen unersetzlichen Güter?
Das Geld fließt massenhaft einem so hoffnungsvollen Lande zu und zwingt
die Menschen, ihm zu dienen. Als soviel Geld nach Australien kam -- es
begann am Anfang der achtziger Jahre --, daß keine normale Anlage mehr
zu schaffen war, wurden eingebildete Werte in Goldfeldern, Bergwerken,
Baugründen geschaffen, wobei sich das ausgedehnte Bankwesen Australiens
in solchem Maße beteiligte, daß im Frühjahr 1893 sechs der größten austra¬
lischen Banken mit 1160 Millionen Reichsmark Depositen fallirten, die noch
für 1892 4 bis 15 Prozent Dividenden bezahlt hatten. Ani Melbourne allein
waren Baugründe von dem Flächenraum Londons verkauft worden! Das
ganze Land litt unter dem Übermaß der Spekulation, am meisten natürlich
die Arbeiterscharen, die das Kapital herangezogen hatte.

Als bezeichnendstes Erzeugnis dieser Entwicklung verdient die seltsame
nomadische Bevölkerung der Wollschercr, die der mit Kapital und Intelligenz
gesättigte, mit Kapital oft übersättigte hochentwickelte Betrieb der Schafzucht
großgezogen hat, einige Worte, denn sie ist eine politische Größe geworden.

(Schluß folgt)




Kurzschrift und Sprache
von A. von Kunowski

as 4. Heft der diesjährigen Grenzboten brachte unter dem
"Maßgeblichen" einige abfüllige Bemerkungen über die von
Kädiug geleiteten "Häufigkeitsuntersuchungen der deutschen
Sprache." Diese Bemerkungen scheinen mir das Ziel zu ver¬
fehlen, da sie sich allein gegen Zwecke wenden, die den Zäh¬
lungen nur so nebenher beigelegt worden sind, um weitere Kreise für sie zu
interessiren. Mit einer rohen Statistik von Wörtern, Silben und Lauten
Streitfragen des Sprachgebrauchs entscheiden oder gar in den Geist der
Sprache eindringen zu wollen, das kann doch nicht ernst genommen werden.
In Wirklichkeit sollen die Zählungen die Grundlage zur Lösung technischer


Grenzboten II 1895 40
Kurzschrift und Sprache

Widerspruch zwischen dem großen Unternehmertum und den Arbeitskräften, die
er braucht, daher die Störung der ruhigen Ausbreitung der auf kleinem Land¬
besitz zufriedner Einwanderung, daher das verderbliche System der enormen
Landverschleuderungen, deren Erträge in dem Budget jeder australischen Kolonie
als regelmäßige Einnahmen erscheinen. Was ist das anders, als die Unter¬
schlagung der den kommenden Geschlechtern gehörigen unersetzlichen Güter?
Das Geld fließt massenhaft einem so hoffnungsvollen Lande zu und zwingt
die Menschen, ihm zu dienen. Als soviel Geld nach Australien kam — es
begann am Anfang der achtziger Jahre —, daß keine normale Anlage mehr
zu schaffen war, wurden eingebildete Werte in Goldfeldern, Bergwerken,
Baugründen geschaffen, wobei sich das ausgedehnte Bankwesen Australiens
in solchem Maße beteiligte, daß im Frühjahr 1893 sechs der größten austra¬
lischen Banken mit 1160 Millionen Reichsmark Depositen fallirten, die noch
für 1892 4 bis 15 Prozent Dividenden bezahlt hatten. Ani Melbourne allein
waren Baugründe von dem Flächenraum Londons verkauft worden! Das
ganze Land litt unter dem Übermaß der Spekulation, am meisten natürlich
die Arbeiterscharen, die das Kapital herangezogen hatte.

Als bezeichnendstes Erzeugnis dieser Entwicklung verdient die seltsame
nomadische Bevölkerung der Wollschercr, die der mit Kapital und Intelligenz
gesättigte, mit Kapital oft übersättigte hochentwickelte Betrieb der Schafzucht
großgezogen hat, einige Worte, denn sie ist eine politische Größe geworden.

(Schluß folgt)




Kurzschrift und Sprache
von A. von Kunowski

as 4. Heft der diesjährigen Grenzboten brachte unter dem
„Maßgeblichen" einige abfüllige Bemerkungen über die von
Kädiug geleiteten „Häufigkeitsuntersuchungen der deutschen
Sprache." Diese Bemerkungen scheinen mir das Ziel zu ver¬
fehlen, da sie sich allein gegen Zwecke wenden, die den Zäh¬
lungen nur so nebenher beigelegt worden sind, um weitere Kreise für sie zu
interessiren. Mit einer rohen Statistik von Wörtern, Silben und Lauten
Streitfragen des Sprachgebrauchs entscheiden oder gar in den Geist der
Sprache eindringen zu wollen, das kann doch nicht ernst genommen werden.
In Wirklichkeit sollen die Zählungen die Grundlage zur Lösung technischer


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[0321] Kurzschrift und Sprache Widerspruch zwischen dem großen Unternehmertum und den Arbeitskräften, die er braucht, daher die Störung der ruhigen Ausbreitung der auf kleinem Land¬ besitz zufriedner Einwanderung, daher das verderbliche System der enormen Landverschleuderungen, deren Erträge in dem Budget jeder australischen Kolonie als regelmäßige Einnahmen erscheinen. Was ist das anders, als die Unter¬ schlagung der den kommenden Geschlechtern gehörigen unersetzlichen Güter? Das Geld fließt massenhaft einem so hoffnungsvollen Lande zu und zwingt die Menschen, ihm zu dienen. Als soviel Geld nach Australien kam — es begann am Anfang der achtziger Jahre —, daß keine normale Anlage mehr zu schaffen war, wurden eingebildete Werte in Goldfeldern, Bergwerken, Baugründen geschaffen, wobei sich das ausgedehnte Bankwesen Australiens in solchem Maße beteiligte, daß im Frühjahr 1893 sechs der größten austra¬ lischen Banken mit 1160 Millionen Reichsmark Depositen fallirten, die noch für 1892 4 bis 15 Prozent Dividenden bezahlt hatten. Ani Melbourne allein waren Baugründe von dem Flächenraum Londons verkauft worden! Das ganze Land litt unter dem Übermaß der Spekulation, am meisten natürlich die Arbeiterscharen, die das Kapital herangezogen hatte. Als bezeichnendstes Erzeugnis dieser Entwicklung verdient die seltsame nomadische Bevölkerung der Wollschercr, die der mit Kapital und Intelligenz gesättigte, mit Kapital oft übersättigte hochentwickelte Betrieb der Schafzucht großgezogen hat, einige Worte, denn sie ist eine politische Größe geworden. (Schluß folgt) Kurzschrift und Sprache von A. von Kunowski as 4. Heft der diesjährigen Grenzboten brachte unter dem „Maßgeblichen" einige abfüllige Bemerkungen über die von Kädiug geleiteten „Häufigkeitsuntersuchungen der deutschen Sprache." Diese Bemerkungen scheinen mir das Ziel zu ver¬ fehlen, da sie sich allein gegen Zwecke wenden, die den Zäh¬ lungen nur so nebenher beigelegt worden sind, um weitere Kreise für sie zu interessiren. Mit einer rohen Statistik von Wörtern, Silben und Lauten Streitfragen des Sprachgebrauchs entscheiden oder gar in den Geist der Sprache eindringen zu wollen, das kann doch nicht ernst genommen werden. In Wirklichkeit sollen die Zählungen die Grundlage zur Lösung technischer Grenzboten II 1895 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/321>, abgerufen am 25.08.2024.