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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft der Historikertage

lehrten an Archiven und Bibliotheken. Und die paar, die die erst recht be¬
weisende Ausnahme zu diesen Feststellungen bildeten, beteiligten sich kaum an
den Verhandlungen. Es war ein Historikertag in xg-rtivus inliäsliuin. Aber
auch die Anzahl der sich beteiligenden ließ sehr zu wünschen übrig angesichts
der wahren Unsumme von Arbeitern auf dem Gebiete der Geschichte und der
angrenzenden Nachbarwissenschaften, der Geschichtsfreunde und der guten und
schlechten Dilettanten, mit denen erklärlicherweise die Geschichte vor allen
andern Fächern gesegnet ist. Wenn man gar die Frankfurter Herren und die
von einer Seite als Gefolge mitgebrachten Studenten oder neubacknen Doktoren
abzog, blieb betrübend wenig übrig.

Man sah und wußte das dort alles auch. Man hat sich diesmal keine
gegenseitigen Komplimente gesagt und sich keine Illusionen gemacht. Einzelne
bekannten sich und in stiller Stunde auch andern ihr eignes Kommen als einen
halben "Neinfall." Der Gang der Verhandlungen hatte nur teilweise An¬
ziehungskraft; daher blieben auch die Debatten auffällig zurück hinter der doch
immerhin nicht unbeträchtlichen Gesamtsumme der anwesenden geistigen Kapa¬
zität. Den Höhepunkt bildeten unbestritten die beiden gehaltreichen Vorträge,
die Bücher aus Leipzig und Ed. Meyer aus Halle hielten. Aber solche Einzel-
vorträge, zumal wenn sich keine Erörterung anschließt, sind doch immer als
selbständiger Bestandteil auszuscheiden, und man kann sie zur Not auch nach¬
träglich im Druck lesen. Der andre Höhepunkt waren zwei köstliche humo¬
ristische Reden bei Tische, gehalten von den beiden Herren, die nicht nur auch
sonst gelegentlich das treffende Wort zur rechten Zeit fanden, fondern über¬
haupt schon seit dem Münchner Tage als die lebendigen Trüger der ganzen
Veranstaltung angesehen wurden.

Was soll man nun für die Zukunft annehmen und wünschen? Daß diese
Versammlungen zunächst erst einmal an Anämie langsam zu Grunde gehen?
Daß, wenn die ersten werkfreudigen, aber nicht genügend unterstützten Ver¬
anstalter damit bankerott gemacht haben, dann die vorsichtigem Leute damit
gedeihen?

Man erlaube uns zunächst einige persönliche Eindrücke auszusprechen, weil
sie vielen eine Analogie bedeuten werden. Wir teilten von vornherein auch
das Gefühl von der Überflüssigkeit dieser Tage und die vielverbreitete Ab¬
neigung, deren Gründe noch kurz zu erörtern sein werden. Es kommt nicht
darauf an, weshalb wir nun doch hingegangen sind. Das bisher Gesagte
wird uns nicht gerade in den Verdacht schnellgewandelter Stimmungsseligkeit
gebracht haben. Aber wir werden nun doch fernerhin -- und zwar, ohne ein
Amt dafür zu haben -- nach Kräften mithelfen. Man hat doch nicht ohne
ein herzliches Bedauern, daß es schon wieder ans Abschiednehmen gehe, so
manchem die Hand gedrückt, und das "Auf Wiedersehen," das man gesagt hat,
will man doch halten. Und dann blieb mau doch auch durchaus nicht ohne


Die Zukunft der Historikertage

lehrten an Archiven und Bibliotheken. Und die paar, die die erst recht be¬
weisende Ausnahme zu diesen Feststellungen bildeten, beteiligten sich kaum an
den Verhandlungen. Es war ein Historikertag in xg-rtivus inliäsliuin. Aber
auch die Anzahl der sich beteiligenden ließ sehr zu wünschen übrig angesichts
der wahren Unsumme von Arbeitern auf dem Gebiete der Geschichte und der
angrenzenden Nachbarwissenschaften, der Geschichtsfreunde und der guten und
schlechten Dilettanten, mit denen erklärlicherweise die Geschichte vor allen
andern Fächern gesegnet ist. Wenn man gar die Frankfurter Herren und die
von einer Seite als Gefolge mitgebrachten Studenten oder neubacknen Doktoren
abzog, blieb betrübend wenig übrig.

Man sah und wußte das dort alles auch. Man hat sich diesmal keine
gegenseitigen Komplimente gesagt und sich keine Illusionen gemacht. Einzelne
bekannten sich und in stiller Stunde auch andern ihr eignes Kommen als einen
halben „Neinfall." Der Gang der Verhandlungen hatte nur teilweise An¬
ziehungskraft; daher blieben auch die Debatten auffällig zurück hinter der doch
immerhin nicht unbeträchtlichen Gesamtsumme der anwesenden geistigen Kapa¬
zität. Den Höhepunkt bildeten unbestritten die beiden gehaltreichen Vorträge,
die Bücher aus Leipzig und Ed. Meyer aus Halle hielten. Aber solche Einzel-
vorträge, zumal wenn sich keine Erörterung anschließt, sind doch immer als
selbständiger Bestandteil auszuscheiden, und man kann sie zur Not auch nach¬
träglich im Druck lesen. Der andre Höhepunkt waren zwei köstliche humo¬
ristische Reden bei Tische, gehalten von den beiden Herren, die nicht nur auch
sonst gelegentlich das treffende Wort zur rechten Zeit fanden, fondern über¬
haupt schon seit dem Münchner Tage als die lebendigen Trüger der ganzen
Veranstaltung angesehen wurden.

Was soll man nun für die Zukunft annehmen und wünschen? Daß diese
Versammlungen zunächst erst einmal an Anämie langsam zu Grunde gehen?
Daß, wenn die ersten werkfreudigen, aber nicht genügend unterstützten Ver¬
anstalter damit bankerott gemacht haben, dann die vorsichtigem Leute damit
gedeihen?

Man erlaube uns zunächst einige persönliche Eindrücke auszusprechen, weil
sie vielen eine Analogie bedeuten werden. Wir teilten von vornherein auch
das Gefühl von der Überflüssigkeit dieser Tage und die vielverbreitete Ab¬
neigung, deren Gründe noch kurz zu erörtern sein werden. Es kommt nicht
darauf an, weshalb wir nun doch hingegangen sind. Das bisher Gesagte
wird uns nicht gerade in den Verdacht schnellgewandelter Stimmungsseligkeit
gebracht haben. Aber wir werden nun doch fernerhin — und zwar, ohne ein
Amt dafür zu haben — nach Kräften mithelfen. Man hat doch nicht ohne
ein herzliches Bedauern, daß es schon wieder ans Abschiednehmen gehe, so
manchem die Hand gedrückt, und das „Auf Wiedersehen," das man gesagt hat,
will man doch halten. Und dann blieb mau doch auch durchaus nicht ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/282>, abgerufen am 22.12.2024.