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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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^chimi
(Schluß)

is sie wieder nach München hineinkam, war ihre Müdigkeit
vorbei, trotz des weiten Weges. Sie trat bei Kelety ein und
fragte: Er hätte doch einen Schlüssel zu Schinns Atelier?
Ja, Fräulein, bitt schön! -- Er lief beflissen vor ihr die
Treppe hinauf.
Nein, das branches nicht, daß Herr Kelety ankommt.

Aber er war schon oben und sah ihr schweigend zu, wie sie die Skizze von
der Staffelei nahm und wieder an ihm vorüber zur Treppe ging.

Fräulein wollen dem Schirm nicht mehr sitzen für sein Bild?

Aber er konnte nicht verstehen, was sie sagte, sie war zu schnell die
Treppe hinunter.

Franzi ging mit dem Bild geradeswegs in die Maximilianstraße und trat
bei Sell ein, der sie zuvorkommend begrüßte.

Er hätte doch die Skizze haben wollen, sagte sie. Der Herr Janko sei
bereit, sie ihm gleich zu geben, für zweihundert Mark, wie verabredet, mit
Abzug der fünfundzwanzig Mark, die der Herr Sell gestern dem alten Gudler
ausgezahlt hätte.

Sell machte eine Bewegung mit dem Kopf, wie einer, der vornehm einer
Mücke ausweicht, ohne mit unschicklicher Heftigkeit darnach zu schlagen, wie
Hunde und Katzen oder Menschen von schlechter Erziehung.

Fräulein werden doch nicht im Ernst meinen, daß ich dem Alten etwas
gegeben habe? Hinausgeschmissen habe ich ihn dafür, daß er mich so zum besten
hatte, denn daß unser guter Janko verspricht wie ein Kirschbaum im Frühling,
wovon er nicht die Hälfte halten kann, das weiß der Gudler fo gut wie ich.

Aber es ist dem Herrn Janko ernst gewesen mit dem Geschenk, ich Habs
selber mit angehört.

Bezweifle ich nicht, bezweifle ich nicht, Fräulein. Wenn er mir heute die
Frauenkirche zum Geschenk anträgt, glaube ich auch, daß es ihm ernst ist, und
daß er meint, er könnte mir das erwirken, daß ich Privatpatron davon würde.
Der Alte wird um Erbarmen gewinselt haben, und da erbarmt er sich eben
und schenkt ihm alles, was er selber nicht hat. Aber wenn der alte Vagant
dann hergeht und meint, er wolle mich damit verbindlich machen, so verdient
K^ügM ^ werden, geradeso wie ich es verdiente, wenn ich bei Staat und
Kirche mein Anrecht auf die Frauenkirche geltend machen wollte. Schicken Sie
U)n selber her! Wenn ich ihm sage: Da kommt so ein alter Tagedieb, elendet




^chimi
(Schluß)

is sie wieder nach München hineinkam, war ihre Müdigkeit
vorbei, trotz des weiten Weges. Sie trat bei Kelety ein und
fragte: Er hätte doch einen Schlüssel zu Schinns Atelier?
Ja, Fräulein, bitt schön! — Er lief beflissen vor ihr die
Treppe hinauf.
Nein, das branches nicht, daß Herr Kelety ankommt.

Aber er war schon oben und sah ihr schweigend zu, wie sie die Skizze von
der Staffelei nahm und wieder an ihm vorüber zur Treppe ging.

Fräulein wollen dem Schirm nicht mehr sitzen für sein Bild?

Aber er konnte nicht verstehen, was sie sagte, sie war zu schnell die
Treppe hinunter.

Franzi ging mit dem Bild geradeswegs in die Maximilianstraße und trat
bei Sell ein, der sie zuvorkommend begrüßte.

Er hätte doch die Skizze haben wollen, sagte sie. Der Herr Janko sei
bereit, sie ihm gleich zu geben, für zweihundert Mark, wie verabredet, mit
Abzug der fünfundzwanzig Mark, die der Herr Sell gestern dem alten Gudler
ausgezahlt hätte.

Sell machte eine Bewegung mit dem Kopf, wie einer, der vornehm einer
Mücke ausweicht, ohne mit unschicklicher Heftigkeit darnach zu schlagen, wie
Hunde und Katzen oder Menschen von schlechter Erziehung.

Fräulein werden doch nicht im Ernst meinen, daß ich dem Alten etwas
gegeben habe? Hinausgeschmissen habe ich ihn dafür, daß er mich so zum besten
hatte, denn daß unser guter Janko verspricht wie ein Kirschbaum im Frühling,
wovon er nicht die Hälfte halten kann, das weiß der Gudler fo gut wie ich.

Aber es ist dem Herrn Janko ernst gewesen mit dem Geschenk, ich Habs
selber mit angehört.

Bezweifle ich nicht, bezweifle ich nicht, Fräulein. Wenn er mir heute die
Frauenkirche zum Geschenk anträgt, glaube ich auch, daß es ihm ernst ist, und
daß er meint, er könnte mir das erwirken, daß ich Privatpatron davon würde.
Der Alte wird um Erbarmen gewinselt haben, und da erbarmt er sich eben
und schenkt ihm alles, was er selber nicht hat. Aber wenn der alte Vagant
dann hergeht und meint, er wolle mich damit verbindlich machen, so verdient
K^ügM ^ werden, geradeso wie ich es verdiente, wenn ich bei Staat und
Kirche mein Anrecht auf die Frauenkirche geltend machen wollte. Schicken Sie
U)n selber her! Wenn ich ihm sage: Da kommt so ein alter Tagedieb, elendet


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[0245] [Abbildung] ^chimi (Schluß) is sie wieder nach München hineinkam, war ihre Müdigkeit vorbei, trotz des weiten Weges. Sie trat bei Kelety ein und fragte: Er hätte doch einen Schlüssel zu Schinns Atelier? Ja, Fräulein, bitt schön! — Er lief beflissen vor ihr die Treppe hinauf. Nein, das branches nicht, daß Herr Kelety ankommt. Aber er war schon oben und sah ihr schweigend zu, wie sie die Skizze von der Staffelei nahm und wieder an ihm vorüber zur Treppe ging. Fräulein wollen dem Schirm nicht mehr sitzen für sein Bild? Aber er konnte nicht verstehen, was sie sagte, sie war zu schnell die Treppe hinunter. Franzi ging mit dem Bild geradeswegs in die Maximilianstraße und trat bei Sell ein, der sie zuvorkommend begrüßte. Er hätte doch die Skizze haben wollen, sagte sie. Der Herr Janko sei bereit, sie ihm gleich zu geben, für zweihundert Mark, wie verabredet, mit Abzug der fünfundzwanzig Mark, die der Herr Sell gestern dem alten Gudler ausgezahlt hätte. Sell machte eine Bewegung mit dem Kopf, wie einer, der vornehm einer Mücke ausweicht, ohne mit unschicklicher Heftigkeit darnach zu schlagen, wie Hunde und Katzen oder Menschen von schlechter Erziehung. Fräulein werden doch nicht im Ernst meinen, daß ich dem Alten etwas gegeben habe? Hinausgeschmissen habe ich ihn dafür, daß er mich so zum besten hatte, denn daß unser guter Janko verspricht wie ein Kirschbaum im Frühling, wovon er nicht die Hälfte halten kann, das weiß der Gudler fo gut wie ich. Aber es ist dem Herrn Janko ernst gewesen mit dem Geschenk, ich Habs selber mit angehört. Bezweifle ich nicht, bezweifle ich nicht, Fräulein. Wenn er mir heute die Frauenkirche zum Geschenk anträgt, glaube ich auch, daß es ihm ernst ist, und daß er meint, er könnte mir das erwirken, daß ich Privatpatron davon würde. Der Alte wird um Erbarmen gewinselt haben, und da erbarmt er sich eben und schenkt ihm alles, was er selber nicht hat. Aber wenn der alte Vagant dann hergeht und meint, er wolle mich damit verbindlich machen, so verdient K^ügM ^ werden, geradeso wie ich es verdiente, wenn ich bei Staat und Kirche mein Anrecht auf die Frauenkirche geltend machen wollte. Schicken Sie U)n selber her! Wenn ich ihm sage: Da kommt so ein alter Tagedieb, elendet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/245>, abgerufen am 29.08.2024.