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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas

wird durch die gleichzeitigen eignen und das Getöse der Schiffsmaschine er¬
schwert.

Die Schallvorrichtung des Dampfers Crathie soll schon beim Verlassen
des Hafens durch Frost gestört gewesen sein, ein bedenklicher Fehler, weil das
Schiff imstande sein muß, eine beabsichtigte Kursänderung (rechts, links, rück¬
wärts) zeitig mit der Pfeife anzukündigen. Doch kann über die letzten Ur¬
sachen der Katastrophe der Elbe erst geurteilt werden, wenn alle in Frage kom¬
menden Thatsachen klar vorliegen. Es ist daher zu bedauern, daß die Presse
jenseits wie diesseits der Nordsee der Entscheidung des Seegerichts vielfach in
gehässiger Weise vorgegriffen hat. Deutscherseits hätte man die Angelegenheit
auch im Reichstag mit einiger Vorsicht anfassen sollen. Selbst wenn der
deutsche Dampfer aus dem Streit der Meinungen gerechtfertigt hervorgeht
was nunmehr schou im nationalen Interesse zu wünschen wäre --, werden
die nautischen Kreise Englands, die der heimischen Zeitungsmache fernstanden,
eine allgemeine Anschuldigung der englischen Schiffsführung von solcher Stelle
ungern auf sich nehmen.




Knabenerziehung und Knabenunterricht
im alten Hellas
von Gustav Benseler (Fortsetzung)

uffällig ist die wichtige Rolle, die nach dem Gesagten die
Musik gleich im ersten Unterricht spielt. In mehreren grie¬
chischen Staaten, wie in Arkadien, Sparta, Theben, überwog er
sogar den eigentlich wissenschaftlichen; in Athen und Jonien
wurde er diesem bezüglich des erzieherischen Wertes mindestens
gleich geachtet. In Musik und Gesang sahen die Hellenen, wie das auch Plato
und Aristoteles betonen, das wirksamste Mittel, die richtige Harmonie, die sie
überall anstrebten, auch zwischen körperlicher und geistiger Ausbildung zu er¬
reichen und dem Charakter jenes weise Maßhalten im Fühlen und Handeln
zu verleihen, das ihnen als Sophrosyne der Höhepunkt menschlicher Tugend
ist. Doch wurde nicht etwa, wie später im kaiserlichen Rom und in dem mnsik-
tollen Alexnndria, Virtuosität auf allerhand Instrumenten angestrebt. Seit der
junge Alkibiades das früher auch in Athen eifrig geübte Fötenspiel aus der
Mode gebracht hatte, beschränkte sich der Musikunterricht der Knaben in Athen


Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas

wird durch die gleichzeitigen eignen und das Getöse der Schiffsmaschine er¬
schwert.

Die Schallvorrichtung des Dampfers Crathie soll schon beim Verlassen
des Hafens durch Frost gestört gewesen sein, ein bedenklicher Fehler, weil das
Schiff imstande sein muß, eine beabsichtigte Kursänderung (rechts, links, rück¬
wärts) zeitig mit der Pfeife anzukündigen. Doch kann über die letzten Ur¬
sachen der Katastrophe der Elbe erst geurteilt werden, wenn alle in Frage kom¬
menden Thatsachen klar vorliegen. Es ist daher zu bedauern, daß die Presse
jenseits wie diesseits der Nordsee der Entscheidung des Seegerichts vielfach in
gehässiger Weise vorgegriffen hat. Deutscherseits hätte man die Angelegenheit
auch im Reichstag mit einiger Vorsicht anfassen sollen. Selbst wenn der
deutsche Dampfer aus dem Streit der Meinungen gerechtfertigt hervorgeht
was nunmehr schou im nationalen Interesse zu wünschen wäre —, werden
die nautischen Kreise Englands, die der heimischen Zeitungsmache fernstanden,
eine allgemeine Anschuldigung der englischen Schiffsführung von solcher Stelle
ungern auf sich nehmen.




Knabenerziehung und Knabenunterricht
im alten Hellas
von Gustav Benseler (Fortsetzung)

uffällig ist die wichtige Rolle, die nach dem Gesagten die
Musik gleich im ersten Unterricht spielt. In mehreren grie¬
chischen Staaten, wie in Arkadien, Sparta, Theben, überwog er
sogar den eigentlich wissenschaftlichen; in Athen und Jonien
wurde er diesem bezüglich des erzieherischen Wertes mindestens
gleich geachtet. In Musik und Gesang sahen die Hellenen, wie das auch Plato
und Aristoteles betonen, das wirksamste Mittel, die richtige Harmonie, die sie
überall anstrebten, auch zwischen körperlicher und geistiger Ausbildung zu er¬
reichen und dem Charakter jenes weise Maßhalten im Fühlen und Handeln
zu verleihen, das ihnen als Sophrosyne der Höhepunkt menschlicher Tugend
ist. Doch wurde nicht etwa, wie später im kaiserlichen Rom und in dem mnsik-
tollen Alexnndria, Virtuosität auf allerhand Instrumenten angestrebt. Seit der
junge Alkibiades das früher auch in Athen eifrig geübte Fötenspiel aus der
Mode gebracht hatte, beschränkte sich der Musikunterricht der Knaben in Athen


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[0230] Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas wird durch die gleichzeitigen eignen und das Getöse der Schiffsmaschine er¬ schwert. Die Schallvorrichtung des Dampfers Crathie soll schon beim Verlassen des Hafens durch Frost gestört gewesen sein, ein bedenklicher Fehler, weil das Schiff imstande sein muß, eine beabsichtigte Kursänderung (rechts, links, rück¬ wärts) zeitig mit der Pfeife anzukündigen. Doch kann über die letzten Ur¬ sachen der Katastrophe der Elbe erst geurteilt werden, wenn alle in Frage kom¬ menden Thatsachen klar vorliegen. Es ist daher zu bedauern, daß die Presse jenseits wie diesseits der Nordsee der Entscheidung des Seegerichts vielfach in gehässiger Weise vorgegriffen hat. Deutscherseits hätte man die Angelegenheit auch im Reichstag mit einiger Vorsicht anfassen sollen. Selbst wenn der deutsche Dampfer aus dem Streit der Meinungen gerechtfertigt hervorgeht was nunmehr schou im nationalen Interesse zu wünschen wäre —, werden die nautischen Kreise Englands, die der heimischen Zeitungsmache fernstanden, eine allgemeine Anschuldigung der englischen Schiffsführung von solcher Stelle ungern auf sich nehmen. Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas von Gustav Benseler (Fortsetzung) uffällig ist die wichtige Rolle, die nach dem Gesagten die Musik gleich im ersten Unterricht spielt. In mehreren grie¬ chischen Staaten, wie in Arkadien, Sparta, Theben, überwog er sogar den eigentlich wissenschaftlichen; in Athen und Jonien wurde er diesem bezüglich des erzieherischen Wertes mindestens gleich geachtet. In Musik und Gesang sahen die Hellenen, wie das auch Plato und Aristoteles betonen, das wirksamste Mittel, die richtige Harmonie, die sie überall anstrebten, auch zwischen körperlicher und geistiger Ausbildung zu er¬ reichen und dem Charakter jenes weise Maßhalten im Fühlen und Handeln zu verleihen, das ihnen als Sophrosyne der Höhepunkt menschlicher Tugend ist. Doch wurde nicht etwa, wie später im kaiserlichen Rom und in dem mnsik- tollen Alexnndria, Virtuosität auf allerhand Instrumenten angestrebt. Seit der junge Alkibiades das früher auch in Athen eifrig geübte Fötenspiel aus der Mode gebracht hatte, beschränkte sich der Musikunterricht der Knaben in Athen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/230>, abgerufen am 30.08.2024.