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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Tchimi

gehabt, sagte er. Wollen ist das Bewußtsein der Notwendigkeit, aber ich habe
keins. Warum soll ich malen? Es malen Leute genug. Essen und satt werden,
das ist das Leben, alles andre sind vapsurs -- so sagen die Franzosen zu all dem
eingebildeten Sach, das man riecht ohne Nase -- Sie wollten ja doch Fran¬
zösisch lernen! Metzger sein ist deswegen noch das gescheitste, da kriegen doch
die Leut was zu essen. Aber weil ich nit Metzger sein mag, weil ich nit
alleweil schmutzige, stiukigc Händ haben mag, deswegen wird eh nichts aus mir.

Jetzt kam er Franzi doch selber ein wenig fad vor, der große Meister
Jcmko, der dasaß mit den großen, kräftigen Händen und nichts that, während
Gott und die Menschen nur darauf warteten, daß man etwas von ihm zu
sehen bekäme, um ihn berühmt und reich zu machen.

Sie drehte sich um nach dem Fenster. Die müssen begossen werden, sagte
sie, und fing an, aus einem Krug Wasser die Gerauiumstöcke zu begießen.

Er sah ihr zu.

Dank auch schön! sagte er, als sie fertig war.

Bitt schön, wofür auch!

Daß Sie mich keinen Trottel geschimpft haben, denn das Hütten Sie doch
so gern mögen!

Sie sah ihn an und lachte erleichtert: Ja, weiß Gott!

Was wollen Sie denn, daß ich thun soll, damit Sie nur wieder zufrieden
mit mir sind?

Arbeiten! fuhr sie ihn an. Aber dann schämte sie sich ihres heftigen Teil¬
nehmers und fing an, zwischen den Sachen zu räumen, die herumlagen.

Sedini erhob sich lächelnd mit absichtlicher Schwerfälligkeit, legte die
Cigarette beiseite und sing an, an der Leinwand zu nageln. Da klopfte es.

Verwünscht! murmelte Sedini. Ah, Kelety, grüß dich Gott, du willst
meinen Hut? Aber bring ihn wieder vor Mittag oder wenigstens bis ein Uhr,
weil ich ins Caso will.

Dank schön, habe schon neuen Hut alt gekauft. Ist gut für Kelety. Wenn
man Ungarn begräbt, braucht er keinen Hut.

Willst du dich hängen?

Ja!

Heute?

Heute nicht mehr.

Ja, warum jammerst du dann so?

Weil ich Kitschmaler bin.

So laß halt das Kitschmalen und mal was gescheites.

Willst du das kaufen, wenn ich was gescheites male?

Dein Kalenderfex, der solls kaufen.

Kelety lachte laut. O ich habe den natos gemalt, sagte er, den Griechen,
auf ein Plakat, wie er steht und in die Falten von seiner meerweitcn Hosen
greift. Und die langen Schuh hab ich gemalt, wo die Spitzen gar nicht mehr
wissen, wem sie gehören, weil sie so weit weg sind vom Leben. Wie angeklei¬
deter Ass steht er da, und rauchen thut er. Hätte ich selber gleich hundert
Mark zahlen mögen für das Ding. Und mein Kaleuderfex, was sagt der?
Junge Damen soll man malen, für jungen Mann interessirt sich niemand.
Aber was hast du gemacht, Sedini? Das ist schön!

Er trat auf die Skizze zu. Für den Sell? Schau schau, der bezahlt gut
und läßt dich in Ruh mit seinem Besserwissen.


Tchimi

gehabt, sagte er. Wollen ist das Bewußtsein der Notwendigkeit, aber ich habe
keins. Warum soll ich malen? Es malen Leute genug. Essen und satt werden,
das ist das Leben, alles andre sind vapsurs — so sagen die Franzosen zu all dem
eingebildeten Sach, das man riecht ohne Nase — Sie wollten ja doch Fran¬
zösisch lernen! Metzger sein ist deswegen noch das gescheitste, da kriegen doch
die Leut was zu essen. Aber weil ich nit Metzger sein mag, weil ich nit
alleweil schmutzige, stiukigc Händ haben mag, deswegen wird eh nichts aus mir.

Jetzt kam er Franzi doch selber ein wenig fad vor, der große Meister
Jcmko, der dasaß mit den großen, kräftigen Händen und nichts that, während
Gott und die Menschen nur darauf warteten, daß man etwas von ihm zu
sehen bekäme, um ihn berühmt und reich zu machen.

Sie drehte sich um nach dem Fenster. Die müssen begossen werden, sagte
sie, und fing an, aus einem Krug Wasser die Gerauiumstöcke zu begießen.

Er sah ihr zu.

Dank auch schön! sagte er, als sie fertig war.

Bitt schön, wofür auch!

Daß Sie mich keinen Trottel geschimpft haben, denn das Hütten Sie doch
so gern mögen!

Sie sah ihn an und lachte erleichtert: Ja, weiß Gott!

Was wollen Sie denn, daß ich thun soll, damit Sie nur wieder zufrieden
mit mir sind?

Arbeiten! fuhr sie ihn an. Aber dann schämte sie sich ihres heftigen Teil¬
nehmers und fing an, zwischen den Sachen zu räumen, die herumlagen.

Sedini erhob sich lächelnd mit absichtlicher Schwerfälligkeit, legte die
Cigarette beiseite und sing an, an der Leinwand zu nageln. Da klopfte es.

Verwünscht! murmelte Sedini. Ah, Kelety, grüß dich Gott, du willst
meinen Hut? Aber bring ihn wieder vor Mittag oder wenigstens bis ein Uhr,
weil ich ins Caso will.

Dank schön, habe schon neuen Hut alt gekauft. Ist gut für Kelety. Wenn
man Ungarn begräbt, braucht er keinen Hut.

Willst du dich hängen?

Ja!

Heute?

Heute nicht mehr.

Ja, warum jammerst du dann so?

Weil ich Kitschmaler bin.

So laß halt das Kitschmalen und mal was gescheites.

Willst du das kaufen, wenn ich was gescheites male?

Dein Kalenderfex, der solls kaufen.

Kelety lachte laut. O ich habe den natos gemalt, sagte er, den Griechen,
auf ein Plakat, wie er steht und in die Falten von seiner meerweitcn Hosen
greift. Und die langen Schuh hab ich gemalt, wo die Spitzen gar nicht mehr
wissen, wem sie gehören, weil sie so weit weg sind vom Leben. Wie angeklei¬
deter Ass steht er da, und rauchen thut er. Hätte ich selber gleich hundert
Mark zahlen mögen für das Ding. Und mein Kaleuderfex, was sagt der?
Junge Damen soll man malen, für jungen Mann interessirt sich niemand.
Aber was hast du gemacht, Sedini? Das ist schön!

Er trat auf die Skizze zu. Für den Sell? Schau schau, der bezahlt gut
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/198>, abgerufen am 25.08.2024.