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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Sprachinsel Gottschee

Stammes beigemischt waren. Der Hauptstock der Einwandrer aber, die sich
zwischen 1350 und 1380 von Norden aus über das Gottscheeer Land ver¬
breiteten, war bairischen Stammes und war vor dem Aufbruch schon längere
Zeit in Kärnten und dem mittlern Tirol ansässig gewesen, wie der Landstand
und die ersten in Gottschee belegten Familiennamen ohne allen Zweifel be¬
weisen. Der Name Gottschee selbst, unter den, wie uoch heute im Volksmund,
die ganze Sprachinsel zusammengefaßt wurde, bedeutet "Ansiedlung" und ist
slowenischer Abstammung (von Koea, Hütte), so ungern das die gut deutschen
Gottscheeer auch Wort haben wollen. Aber daran ist ja nichts schlimmes,
liegt es doch in der Natur der Dinge, daß ein Ort oder Volk seinen Namen
von den Nachbarn erhält, und ist doch selbst die Bezeichnung "Germanen"
keltischen, nicht germanischen Ursprungs. Unter den zahlreichen Dörfern der
neuen Kolonie entwickelte sich die Niederlassung um die Bartholomäuskirche
an der Rinshe bald zum Vorort, und um 1400 schon war sie eine selbständige
Pfarrgemeinde. Nach dem Heimfall der Ortenburgischen Güter wurde Gottschee
eine landesfürstliche Herrschaft; Kaiser Friedrich IV. befestigte den Ort und
verlieh ihm 1471 Siegel und Wappen einer Stadt. Alsbald aber kamen
schwere Zeiten über die Bewohner. Fast alljährlich brachen türkische Horden
über die Krainer Grenzen und nahmen mit Raub, Mord und Brand ihren
Weg meist über Gottschee. So sehr sich Friedrich IV. auch bemühte, das
harte Los seiner armen Gottscheeer durch Steuererlassungeu und Erschließung
industrieller Erwerbsquellen zu erleichtern, so vermochten doch Stadt und Land
lange auf keinen grünen Zweig zu kommen. Zu der steten Türkeugefahr traten
als schlimmere Feinde unter Maximilian I. anch noch Erdbeben, Mißwachs,
Feuersbrünste und Seuchen und das drückende Pächterregiment des Grafen
Jörg von Thurm- Als dieser den Bogen gar zu straff spannte, erhoben sich
die Gottscheeer gegen ihn (1515), erschlugen ihn und leiteten mit dieser Be¬
freiungsthat den bald über ganz Krain, Kürnten und Steiermark verbreiteten
Aufstand ein, den an blutiger Furchtbarkeit nur noch die Erhebung gegen die
französische Besatzung vom Jahre 1809 übertraf, und den das Volkslied der
Krainer Bauern besang (Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder,
Ur. 186):

Hört wunder zu! der baum unru!
tat sich so ser auß prallen,
in kurzer zeit zu krieg und streit
kam manger her von weiten,
aus; irer gmaiu deten sie schrein:
stara prauda!
um jeder wolt sich reche",
seins herren gut um Schwenden . . .
Der adel gut auß freiem um,
tet sich gar stark auf schwingen.

Die deutsche Sprachinsel Gottschee

Stammes beigemischt waren. Der Hauptstock der Einwandrer aber, die sich
zwischen 1350 und 1380 von Norden aus über das Gottscheeer Land ver¬
breiteten, war bairischen Stammes und war vor dem Aufbruch schon längere
Zeit in Kärnten und dem mittlern Tirol ansässig gewesen, wie der Landstand
und die ersten in Gottschee belegten Familiennamen ohne allen Zweifel be¬
weisen. Der Name Gottschee selbst, unter den, wie uoch heute im Volksmund,
die ganze Sprachinsel zusammengefaßt wurde, bedeutet „Ansiedlung" und ist
slowenischer Abstammung (von Koea, Hütte), so ungern das die gut deutschen
Gottscheeer auch Wort haben wollen. Aber daran ist ja nichts schlimmes,
liegt es doch in der Natur der Dinge, daß ein Ort oder Volk seinen Namen
von den Nachbarn erhält, und ist doch selbst die Bezeichnung „Germanen"
keltischen, nicht germanischen Ursprungs. Unter den zahlreichen Dörfern der
neuen Kolonie entwickelte sich die Niederlassung um die Bartholomäuskirche
an der Rinshe bald zum Vorort, und um 1400 schon war sie eine selbständige
Pfarrgemeinde. Nach dem Heimfall der Ortenburgischen Güter wurde Gottschee
eine landesfürstliche Herrschaft; Kaiser Friedrich IV. befestigte den Ort und
verlieh ihm 1471 Siegel und Wappen einer Stadt. Alsbald aber kamen
schwere Zeiten über die Bewohner. Fast alljährlich brachen türkische Horden
über die Krainer Grenzen und nahmen mit Raub, Mord und Brand ihren
Weg meist über Gottschee. So sehr sich Friedrich IV. auch bemühte, das
harte Los seiner armen Gottscheeer durch Steuererlassungeu und Erschließung
industrieller Erwerbsquellen zu erleichtern, so vermochten doch Stadt und Land
lange auf keinen grünen Zweig zu kommen. Zu der steten Türkeugefahr traten
als schlimmere Feinde unter Maximilian I. anch noch Erdbeben, Mißwachs,
Feuersbrünste und Seuchen und das drückende Pächterregiment des Grafen
Jörg von Thurm- Als dieser den Bogen gar zu straff spannte, erhoben sich
die Gottscheeer gegen ihn (1515), erschlugen ihn und leiteten mit dieser Be¬
freiungsthat den bald über ganz Krain, Kürnten und Steiermark verbreiteten
Aufstand ein, den an blutiger Furchtbarkeit nur noch die Erhebung gegen die
französische Besatzung vom Jahre 1809 übertraf, und den das Volkslied der
Krainer Bauern besang (Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder,
Ur. 186):

Hört wunder zu! der baum unru!
tat sich so ser auß prallen,
in kurzer zeit zu krieg und streit
kam manger her von weiten,
aus; irer gmaiu deten sie schrein:
stara prauda!
um jeder wolt sich reche»,
seins herren gut um Schwenden . . .
Der adel gut auß freiem um,
tet sich gar stark auf schwingen.

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[0133] Die deutsche Sprachinsel Gottschee Stammes beigemischt waren. Der Hauptstock der Einwandrer aber, die sich zwischen 1350 und 1380 von Norden aus über das Gottscheeer Land ver¬ breiteten, war bairischen Stammes und war vor dem Aufbruch schon längere Zeit in Kärnten und dem mittlern Tirol ansässig gewesen, wie der Landstand und die ersten in Gottschee belegten Familiennamen ohne allen Zweifel be¬ weisen. Der Name Gottschee selbst, unter den, wie uoch heute im Volksmund, die ganze Sprachinsel zusammengefaßt wurde, bedeutet „Ansiedlung" und ist slowenischer Abstammung (von Koea, Hütte), so ungern das die gut deutschen Gottscheeer auch Wort haben wollen. Aber daran ist ja nichts schlimmes, liegt es doch in der Natur der Dinge, daß ein Ort oder Volk seinen Namen von den Nachbarn erhält, und ist doch selbst die Bezeichnung „Germanen" keltischen, nicht germanischen Ursprungs. Unter den zahlreichen Dörfern der neuen Kolonie entwickelte sich die Niederlassung um die Bartholomäuskirche an der Rinshe bald zum Vorort, und um 1400 schon war sie eine selbständige Pfarrgemeinde. Nach dem Heimfall der Ortenburgischen Güter wurde Gottschee eine landesfürstliche Herrschaft; Kaiser Friedrich IV. befestigte den Ort und verlieh ihm 1471 Siegel und Wappen einer Stadt. Alsbald aber kamen schwere Zeiten über die Bewohner. Fast alljährlich brachen türkische Horden über die Krainer Grenzen und nahmen mit Raub, Mord und Brand ihren Weg meist über Gottschee. So sehr sich Friedrich IV. auch bemühte, das harte Los seiner armen Gottscheeer durch Steuererlassungeu und Erschließung industrieller Erwerbsquellen zu erleichtern, so vermochten doch Stadt und Land lange auf keinen grünen Zweig zu kommen. Zu der steten Türkeugefahr traten als schlimmere Feinde unter Maximilian I. anch noch Erdbeben, Mißwachs, Feuersbrünste und Seuchen und das drückende Pächterregiment des Grafen Jörg von Thurm- Als dieser den Bogen gar zu straff spannte, erhoben sich die Gottscheeer gegen ihn (1515), erschlugen ihn und leiteten mit dieser Be¬ freiungsthat den bald über ganz Krain, Kürnten und Steiermark verbreiteten Aufstand ein, den an blutiger Furchtbarkeit nur noch die Erhebung gegen die französische Besatzung vom Jahre 1809 übertraf, und den das Volkslied der Krainer Bauern besang (Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, Ur. 186): Hört wunder zu! der baum unru! tat sich so ser auß prallen, in kurzer zeit zu krieg und streit kam manger her von weiten, aus; irer gmaiu deten sie schrein: stara prauda! um jeder wolt sich reche», seins herren gut um Schwenden . . . Der adel gut auß freiem um, tet sich gar stark auf schwingen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/133>, abgerufen am 22.12.2024.