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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Sparsamkeit und Selbsthilfe

Lxvsrisntig, sse oMin-i, rsruin uiÄAistrg.. Lassen wir das gelten, ehe wir
exvsrinisQtuin in oorvors piu vornehmen lassen! Und haben wir nicht wirt¬
schaftliche Einrichtungen genug, an denen wir sehen können, daß wir Tag für
Tag Unsummen verschwenden, und daß wir Güter auf Güter häufen könnten,
wenn wir nur daraus lernen wollten? Nehmen wir als erstes Mittel für den
Anschauungsunterricht die Post. Denken wir uns, wir Hütten statt der einen,
einzigen Post deren fünfzig in Deutschland. Würde es dann wohl möglich
sein, einen gedruckten Brief von Hamburg nach Wien zu schicken, und wenn
unser Freund dort inzwischen verdorben oder gestorben ist, ihn uns wieder
zurückzuschicken und uns noch dazu Auskunft zu geben, was geschehen ist und
das alles für 3 Pfennige? Ich wundre mich täglich, daß dieses eine Experi¬
ment nicht schon genügt, zu zeigen, welche Leistungsfähigkeit in der Arbeits¬
vereinigung liegt. Wie würde die Leistungsfähigkeit sinken, wenn die Be¬
förderung der Briefe und Postsachen, statt wie jetzt in einer, in fünfzig Händen
läge, und wenn sich diese fünfzig so bekämpften, wie es in andern wirtschaft¬
lichen Kreisen geschieht, besonders aber im Kaufmannsstande, also in dem Stande,
der die Warenvermittlung übernimmt? Der eine würde dem andern und der
andre dein einen die Kunden hier so gut abzujagen suchen, wie im Seifen¬
handel, und die Jagdkosten müßten auch hier wir bezahlen, die die Treiber zu
stellen haben. An Stelle des einen Briefträgers, der alle ins Haus kommenden
Briefe zu verteilen hat, würden dann vier bis fünf in ein Haus kommen. Es
würden sich also vier oder fünf mit einer Arbeit beschäftigen, die von einem
ewzigen gethan werden könnte, und da alle vier davon leben wollen, würde die
Arbeitsleistung viermal so teuer sein. Es würde genau so werden, wie es
heute in der Versorgung mit den notwendigsten Nahrungsmitteln Regel, Recht
und Gebrauch ist. Milchmann A liefert ins Parterre, B in die erste Etage,
^ in die zweite, D in die dritte, und E hat den Keller und die Dachbewohner
zu versorgen. Jeder kommt mit seinen Milchkarren angerasselt und rasselt
wieder davon, wenn er den einen im Hause versorgt hat. Er hätte aber in
derselben Zeit den Bedarf des ganzen Hauses decken können, und damit hätten
wir die Arbeitszeit und die Arbeitskraft von vier gesunden Männern erspart,
^übt anders ist es bei der Versorgung mit Brot, Fleisch, Kolonialwaren u. s. w.
^us kann als Sehenswürdigkeit gezeigt werden, das von unten bis
en w den notwendigsten Nahrungsmitteln einen und denselben Lieferanten hat.

Wenn in einem begrenzten Bezirke die Geschäfte von zehn Personen vollauf
^>orgt werden können, dann ist es Verschwendung an wvhlstandschaffendem
sind ^ ^ unsittlich, wenn dafür zwanzig oder dreißig Personen thätig
mus' ^ ^ Einzelne günstigere Arbeitsbedingungen erhalten kann. Man
I Scheinarbeit trennen von der wirklich produktiven Arbeit, und man
ß M unnützer und in unproduktiver Arbeit so wenig Kräfte beschäftigen,^ ^gerd möglich. Auch das Seiltänzer ist eine Arbeit, sogar eine schwere,


Sparsamkeit und Selbsthilfe

Lxvsrisntig, sse oMin-i, rsruin uiÄAistrg.. Lassen wir das gelten, ehe wir
exvsrinisQtuin in oorvors piu vornehmen lassen! Und haben wir nicht wirt¬
schaftliche Einrichtungen genug, an denen wir sehen können, daß wir Tag für
Tag Unsummen verschwenden, und daß wir Güter auf Güter häufen könnten,
wenn wir nur daraus lernen wollten? Nehmen wir als erstes Mittel für den
Anschauungsunterricht die Post. Denken wir uns, wir Hütten statt der einen,
einzigen Post deren fünfzig in Deutschland. Würde es dann wohl möglich
sein, einen gedruckten Brief von Hamburg nach Wien zu schicken, und wenn
unser Freund dort inzwischen verdorben oder gestorben ist, ihn uns wieder
zurückzuschicken und uns noch dazu Auskunft zu geben, was geschehen ist und
das alles für 3 Pfennige? Ich wundre mich täglich, daß dieses eine Experi¬
ment nicht schon genügt, zu zeigen, welche Leistungsfähigkeit in der Arbeits¬
vereinigung liegt. Wie würde die Leistungsfähigkeit sinken, wenn die Be¬
förderung der Briefe und Postsachen, statt wie jetzt in einer, in fünfzig Händen
läge, und wenn sich diese fünfzig so bekämpften, wie es in andern wirtschaft¬
lichen Kreisen geschieht, besonders aber im Kaufmannsstande, also in dem Stande,
der die Warenvermittlung übernimmt? Der eine würde dem andern und der
andre dein einen die Kunden hier so gut abzujagen suchen, wie im Seifen¬
handel, und die Jagdkosten müßten auch hier wir bezahlen, die die Treiber zu
stellen haben. An Stelle des einen Briefträgers, der alle ins Haus kommenden
Briefe zu verteilen hat, würden dann vier bis fünf in ein Haus kommen. Es
würden sich also vier oder fünf mit einer Arbeit beschäftigen, die von einem
ewzigen gethan werden könnte, und da alle vier davon leben wollen, würde die
Arbeitsleistung viermal so teuer sein. Es würde genau so werden, wie es
heute in der Versorgung mit den notwendigsten Nahrungsmitteln Regel, Recht
und Gebrauch ist. Milchmann A liefert ins Parterre, B in die erste Etage,
^ in die zweite, D in die dritte, und E hat den Keller und die Dachbewohner
zu versorgen. Jeder kommt mit seinen Milchkarren angerasselt und rasselt
wieder davon, wenn er den einen im Hause versorgt hat. Er hätte aber in
derselben Zeit den Bedarf des ganzen Hauses decken können, und damit hätten
wir die Arbeitszeit und die Arbeitskraft von vier gesunden Männern erspart,
^übt anders ist es bei der Versorgung mit Brot, Fleisch, Kolonialwaren u. s. w.
^us kann als Sehenswürdigkeit gezeigt werden, das von unten bis
en w den notwendigsten Nahrungsmitteln einen und denselben Lieferanten hat.

Wenn in einem begrenzten Bezirke die Geschäfte von zehn Personen vollauf
^>orgt werden können, dann ist es Verschwendung an wvhlstandschaffendem
sind ^ ^ unsittlich, wenn dafür zwanzig oder dreißig Personen thätig
mus' ^ ^ Einzelne günstigere Arbeitsbedingungen erhalten kann. Man
I Scheinarbeit trennen von der wirklich produktiven Arbeit, und man
ß M unnützer und in unproduktiver Arbeit so wenig Kräfte beschäftigen,^ ^gerd möglich. Auch das Seiltänzer ist eine Arbeit, sogar eine schwere,


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[0115] Sparsamkeit und Selbsthilfe Lxvsrisntig, sse oMin-i, rsruin uiÄAistrg.. Lassen wir das gelten, ehe wir exvsrinisQtuin in oorvors piu vornehmen lassen! Und haben wir nicht wirt¬ schaftliche Einrichtungen genug, an denen wir sehen können, daß wir Tag für Tag Unsummen verschwenden, und daß wir Güter auf Güter häufen könnten, wenn wir nur daraus lernen wollten? Nehmen wir als erstes Mittel für den Anschauungsunterricht die Post. Denken wir uns, wir Hütten statt der einen, einzigen Post deren fünfzig in Deutschland. Würde es dann wohl möglich sein, einen gedruckten Brief von Hamburg nach Wien zu schicken, und wenn unser Freund dort inzwischen verdorben oder gestorben ist, ihn uns wieder zurückzuschicken und uns noch dazu Auskunft zu geben, was geschehen ist und das alles für 3 Pfennige? Ich wundre mich täglich, daß dieses eine Experi¬ ment nicht schon genügt, zu zeigen, welche Leistungsfähigkeit in der Arbeits¬ vereinigung liegt. Wie würde die Leistungsfähigkeit sinken, wenn die Be¬ förderung der Briefe und Postsachen, statt wie jetzt in einer, in fünfzig Händen läge, und wenn sich diese fünfzig so bekämpften, wie es in andern wirtschaft¬ lichen Kreisen geschieht, besonders aber im Kaufmannsstande, also in dem Stande, der die Warenvermittlung übernimmt? Der eine würde dem andern und der andre dein einen die Kunden hier so gut abzujagen suchen, wie im Seifen¬ handel, und die Jagdkosten müßten auch hier wir bezahlen, die die Treiber zu stellen haben. An Stelle des einen Briefträgers, der alle ins Haus kommenden Briefe zu verteilen hat, würden dann vier bis fünf in ein Haus kommen. Es würden sich also vier oder fünf mit einer Arbeit beschäftigen, die von einem ewzigen gethan werden könnte, und da alle vier davon leben wollen, würde die Arbeitsleistung viermal so teuer sein. Es würde genau so werden, wie es heute in der Versorgung mit den notwendigsten Nahrungsmitteln Regel, Recht und Gebrauch ist. Milchmann A liefert ins Parterre, B in die erste Etage, ^ in die zweite, D in die dritte, und E hat den Keller und die Dachbewohner zu versorgen. Jeder kommt mit seinen Milchkarren angerasselt und rasselt wieder davon, wenn er den einen im Hause versorgt hat. Er hätte aber in derselben Zeit den Bedarf des ganzen Hauses decken können, und damit hätten wir die Arbeitszeit und die Arbeitskraft von vier gesunden Männern erspart, ^übt anders ist es bei der Versorgung mit Brot, Fleisch, Kolonialwaren u. s. w. ^us kann als Sehenswürdigkeit gezeigt werden, das von unten bis en w den notwendigsten Nahrungsmitteln einen und denselben Lieferanten hat. Wenn in einem begrenzten Bezirke die Geschäfte von zehn Personen vollauf ^>orgt werden können, dann ist es Verschwendung an wvhlstandschaffendem sind ^ ^ unsittlich, wenn dafür zwanzig oder dreißig Personen thätig mus' ^ ^ Einzelne günstigere Arbeitsbedingungen erhalten kann. Man I Scheinarbeit trennen von der wirklich produktiven Arbeit, und man ß M unnützer und in unproduktiver Arbeit so wenig Kräfte beschäftigen,^ ^gerd möglich. Auch das Seiltänzer ist eine Arbeit, sogar eine schwere,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/115>, abgerufen am 23.06.2024.