Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.gemerkt hat. Als es aber eintrat, da war es gleich sehr schlimm, und am An einem heißen Sommernachmittag gegen Abend streift der Baron auf Wie soll ich nun weitererzählen? Der geneigte Leser wird ohne weiteres gemerkt hat. Als es aber eintrat, da war es gleich sehr schlimm, und am An einem heißen Sommernachmittag gegen Abend streift der Baron auf Wie soll ich nun weitererzählen? Der geneigte Leser wird ohne weiteres <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0650" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219654"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2004" prev="#ID_2003"> gemerkt hat. Als es aber eintrat, da war es gleich sehr schlimm, und am<lb/> schlimmsten war, daß nichts es auszufüllen vermochte, weder die Liebe eines<lb/> vortrefflichen Weibes, noch die zärtliche Anhänglichkeit dreier liebenswürdigen<lb/> Kinder, weder die Sicherheit reichen, vom Vater ererbten Besitzes, noch die<lb/> Wohlthat frischer, lohnender Arbeit. Es ist, holf der Henker, schlimm, wenn<lb/> in solchem Nebelfleck nichts haften bleiben will und auch der Dichter nichts<lb/> hineinpraktiziren kann. Oder sollte er es doch noch fertig bringen? Er muß<lb/> schon, denn wie sollte sonst die Geschichte in Gang kommen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2005"> An einem heißen Sommernachmittag gegen Abend streift der Baron auf<lb/> den Dünen umher; er hat das Gewehr umgehängt, um, wenn auch keine<lb/> Jagdzeit ist, mit einer alten Gewohnheit die Zeit totzuschlagen, die hier so<lb/> wenig von der Stelle will, wie in Hinterpommern. Was soll auch ein mit<lb/> allen Vorzüge» des Geistes ausgestatteter, aber mit einer leeren Stelle in der<lb/> Seele behafteter Edelmann anders anfangen? Die Gesellschaft am Strande ist<lb/> ihm zu fade, vielleicht ergötzt ihn das Waidwerk. Aber er hat kein Glück, und<lb/> da ein Gewitter aufsteigt, so beeilt er sich, auf dem nächsten Wege nach Hause<lb/> zu kommen. In dem Augenblick, wo er unter einem beängstigenden Druck<lb/> seiner „Leere" die letzte Höhe vor dem Strande überklimmen will, sieht er<lb/> rechts vor sich ans dem Kamm der Düne eine Frauengestalt, die augenscheinlich<lb/> mit Malen beschäftigt ist und sich um das heranziehende Gewitter entweder<lb/> nicht kümmert oder keine Ahnung von seinem Herannahen hat. Natürlich ist<lb/> die Situation derart, daß die Dame auf die Hilfe des Herrn angewiesen ist.<lb/> Bald sind beide von einer solchen Heftigkeit des Sturmes umgeben, daß der<lb/> Baron die Gouvernante Fräulein Eleonore Ritter nur mit Mühe in den<lb/> nächsten Badekarren tragen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_2006" next="#ID_2007"> Wie soll ich nun weitererzählen? Der geneigte Leser wird ohne weiteres<lb/> erraten, daß sich mit dieser Begegnung eine völlige Veränderung in dem Zu¬<lb/> stande des Herrn von Randow anzubahnen beginnt. Nur wenige Tage, und<lb/> der Nebelfleck ist weg, an seiner Stelle ist der Stern der Liebe aufgegangen,<lb/> in dessen Glänze alles andre wie in nie geahnten Lichte erstrahlt; was er<lb/> früher als Liebe gehabt zu haben glaubt, ist eitel Dunst dagegen. Auf der<lb/> andern Seite ist es ebenso. Auch Fräulein Ritter erkennt in dem Baron ihres<lb/> Ichs Ergänzung, ohne die sie bisher ein zick- und planlos auf den Wellen des<lb/> Lebens umhergetriebnes Nichts gewesen ist. Nun folgen für die beiden, wie<lb/> es nicht anders sein kann — und Spielhagen kann schildern —, glückliche,<lb/> selige Tage. Ohne daß eins von dem Zustande des andern weiß, gehen sie<lb/> neben einander her, essen zusammen und durchstreifen zusammen die Insel.<lb/> Lange kauu es aber nicht dauern. Der Baron verrät sich zuerst, und nun<lb/> bricht es auch mit elementarer Gewalt aus der Seele des Weibes hervor-<lb/> Liest man das alles, so müßte es nicht von Spielhagen geschrieben sein, wenn<lb/> man nicht mächtig in Mitleidenschaft gezogen würde. Die Darstellung des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0650]
gemerkt hat. Als es aber eintrat, da war es gleich sehr schlimm, und am
schlimmsten war, daß nichts es auszufüllen vermochte, weder die Liebe eines
vortrefflichen Weibes, noch die zärtliche Anhänglichkeit dreier liebenswürdigen
Kinder, weder die Sicherheit reichen, vom Vater ererbten Besitzes, noch die
Wohlthat frischer, lohnender Arbeit. Es ist, holf der Henker, schlimm, wenn
in solchem Nebelfleck nichts haften bleiben will und auch der Dichter nichts
hineinpraktiziren kann. Oder sollte er es doch noch fertig bringen? Er muß
schon, denn wie sollte sonst die Geschichte in Gang kommen?
An einem heißen Sommernachmittag gegen Abend streift der Baron auf
den Dünen umher; er hat das Gewehr umgehängt, um, wenn auch keine
Jagdzeit ist, mit einer alten Gewohnheit die Zeit totzuschlagen, die hier so
wenig von der Stelle will, wie in Hinterpommern. Was soll auch ein mit
allen Vorzüge» des Geistes ausgestatteter, aber mit einer leeren Stelle in der
Seele behafteter Edelmann anders anfangen? Die Gesellschaft am Strande ist
ihm zu fade, vielleicht ergötzt ihn das Waidwerk. Aber er hat kein Glück, und
da ein Gewitter aufsteigt, so beeilt er sich, auf dem nächsten Wege nach Hause
zu kommen. In dem Augenblick, wo er unter einem beängstigenden Druck
seiner „Leere" die letzte Höhe vor dem Strande überklimmen will, sieht er
rechts vor sich ans dem Kamm der Düne eine Frauengestalt, die augenscheinlich
mit Malen beschäftigt ist und sich um das heranziehende Gewitter entweder
nicht kümmert oder keine Ahnung von seinem Herannahen hat. Natürlich ist
die Situation derart, daß die Dame auf die Hilfe des Herrn angewiesen ist.
Bald sind beide von einer solchen Heftigkeit des Sturmes umgeben, daß der
Baron die Gouvernante Fräulein Eleonore Ritter nur mit Mühe in den
nächsten Badekarren tragen kann.
Wie soll ich nun weitererzählen? Der geneigte Leser wird ohne weiteres
erraten, daß sich mit dieser Begegnung eine völlige Veränderung in dem Zu¬
stande des Herrn von Randow anzubahnen beginnt. Nur wenige Tage, und
der Nebelfleck ist weg, an seiner Stelle ist der Stern der Liebe aufgegangen,
in dessen Glänze alles andre wie in nie geahnten Lichte erstrahlt; was er
früher als Liebe gehabt zu haben glaubt, ist eitel Dunst dagegen. Auf der
andern Seite ist es ebenso. Auch Fräulein Ritter erkennt in dem Baron ihres
Ichs Ergänzung, ohne die sie bisher ein zick- und planlos auf den Wellen des
Lebens umhergetriebnes Nichts gewesen ist. Nun folgen für die beiden, wie
es nicht anders sein kann — und Spielhagen kann schildern —, glückliche,
selige Tage. Ohne daß eins von dem Zustande des andern weiß, gehen sie
neben einander her, essen zusammen und durchstreifen zusammen die Insel.
Lange kauu es aber nicht dauern. Der Baron verrät sich zuerst, und nun
bricht es auch mit elementarer Gewalt aus der Seele des Weibes hervor-
Liest man das alles, so müßte es nicht von Spielhagen geschrieben sein, wenn
man nicht mächtig in Mitleidenschaft gezogen würde. Die Darstellung des
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