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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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"uf der Nordspitze der Insel (1886) in Diego Suarez. endlich den Schutz¬
vertrag mit den Hova (1885 und 1890) geschehen lassen. Es halt die durch
englische und norwegische Missionare protestantisch gemachte Hovabevvlterung
durch den Einfluß seiner Sendbote:? an einem Faden, der sich in der englischen
Kolvnialgeschichte bisher immer als sehr fest bewiesen hat. Außerdem umgebe"
Indien, Aden, Svkotra und seine ostafrikanischen Besitzungen diese kleine Welt
im Indischen Ozean, die französisch gemacht werden soll, in einem großen
Bogen. Da aber nun die Verbindung zwischen Europa und Madagaskar mir
durch den Suezkanal möglich ist, der mit seinen Zu- und Abfahrten von
Gibraltar bis Perim und Aden in der Macht Englands ist, so bedeutet Ma¬
dagaskars Besitz freilich zunächst eine Verstärkung der Wünsche Frankreichs,
mindestens mich Gleichstellung mit England in allen Angelegenheiten, die diesen
Weg betreffen. Jede neue Erwerbung Frankreichs im Osten bedeutet auch ein
Nähertreten an diese Frage: Weltverkehrsweg oder Weltbeherrsch nngsweg?
Wenn die Engländer das wirklich übersehen sollten, wäre ihre Dummheit
strafbar.

Je mehr sich Frankreich im Indischen und im Stillen Ozean ausbreitet,
"in so dringender wird die Notwendigkeit, daß es diese Frage zur Ent¬
scheidung bringt. Alle seine östlichen Interesse" laufen zuletzt auf der Suez¬
landenge zusammen, und dadurch wird die ägyptische Frage eine von jenen
zentralen Fragen, mit denen sich eine Menge andrer vereinigt, bis el" Knoten
entstanden ist, den "ur das Schwert wieder auflösen kaun. Ju diesem Zu¬
sammentreffen der sich häufenden Scluvierigkeiten mit dem immer allgemeiner"
Verständnis des Wesens der englischen Politik liegt die wahre Mahnung an
das Nahen einer weltgeschichtlichen Stunde. Frankreichs Operationen im
Indischen Ozean bedeuten eine Vorbereitung darauf. Es will sich hier wie
im Mittelmeer eine Reihe von Stellungen schaffen, die die von England be¬
herrschten Weltstraßen beherrschen oder mindestens bedrohen. Nach dem Admiral
Hormby ist die strategische Stellung der Franzosen im Mittelmeer schon heute,
d. h. ohne Viserta, das ans dem Wege ist, einer der größten Kriegshafen der
Erde zu werden, viel stärker als die der Engländer. Toulon, das auch jetzt
noch als uneinnehmbar bezeichnet werden kann, ist ja nur der erste einer Reihe
von befestigten Häfen an der französischen und algerischen Küste. Die Ent¬
fernung zwischen Toulon und Biserta ist halb so groß wie die zwischen Malta
und Gibraltar. Malta ist keine große Seefestuug im modernen Sir", und
Gibraltar ist ohne Docks. Die einst so dringend empfohle"e Befestigung vo"
Fnmagusta auf Cypern ist noch kaum begonnen. Wann wird anf so ver¬
lockenden Boden Rußland in Frankreichs Fußstapfen treten? In einer nahe"
Stunde, die die Allianz mit Frankreich vorgesehen hat.

Wenn es in England "mahnt," da"" blicke" sich die Leute nach der
Flotte und den Kolonien um, d. h. die, die für die Suggestion der zeitgemäße"


Grenzten I 1895 8

"uf der Nordspitze der Insel (1886) in Diego Suarez. endlich den Schutz¬
vertrag mit den Hova (1885 und 1890) geschehen lassen. Es halt die durch
englische und norwegische Missionare protestantisch gemachte Hovabevvlterung
durch den Einfluß seiner Sendbote:? an einem Faden, der sich in der englischen
Kolvnialgeschichte bisher immer als sehr fest bewiesen hat. Außerdem umgebe»
Indien, Aden, Svkotra und seine ostafrikanischen Besitzungen diese kleine Welt
im Indischen Ozean, die französisch gemacht werden soll, in einem großen
Bogen. Da aber nun die Verbindung zwischen Europa und Madagaskar mir
durch den Suezkanal möglich ist, der mit seinen Zu- und Abfahrten von
Gibraltar bis Perim und Aden in der Macht Englands ist, so bedeutet Ma¬
dagaskars Besitz freilich zunächst eine Verstärkung der Wünsche Frankreichs,
mindestens mich Gleichstellung mit England in allen Angelegenheiten, die diesen
Weg betreffen. Jede neue Erwerbung Frankreichs im Osten bedeutet auch ein
Nähertreten an diese Frage: Weltverkehrsweg oder Weltbeherrsch nngsweg?
Wenn die Engländer das wirklich übersehen sollten, wäre ihre Dummheit
strafbar.

Je mehr sich Frankreich im Indischen und im Stillen Ozean ausbreitet,
»in so dringender wird die Notwendigkeit, daß es diese Frage zur Ent¬
scheidung bringt. Alle seine östlichen Interesse» laufen zuletzt auf der Suez¬
landenge zusammen, und dadurch wird die ägyptische Frage eine von jenen
zentralen Fragen, mit denen sich eine Menge andrer vereinigt, bis el» Knoten
entstanden ist, den »ur das Schwert wieder auflösen kaun. Ju diesem Zu¬
sammentreffen der sich häufenden Scluvierigkeiten mit dem immer allgemeiner»
Verständnis des Wesens der englischen Politik liegt die wahre Mahnung an
das Nahen einer weltgeschichtlichen Stunde. Frankreichs Operationen im
Indischen Ozean bedeuten eine Vorbereitung darauf. Es will sich hier wie
im Mittelmeer eine Reihe von Stellungen schaffen, die die von England be¬
herrschten Weltstraßen beherrschen oder mindestens bedrohen. Nach dem Admiral
Hormby ist die strategische Stellung der Franzosen im Mittelmeer schon heute,
d. h. ohne Viserta, das ans dem Wege ist, einer der größten Kriegshafen der
Erde zu werden, viel stärker als die der Engländer. Toulon, das auch jetzt
noch als uneinnehmbar bezeichnet werden kann, ist ja nur der erste einer Reihe
von befestigten Häfen an der französischen und algerischen Küste. Die Ent¬
fernung zwischen Toulon und Biserta ist halb so groß wie die zwischen Malta
und Gibraltar. Malta ist keine große Seefestuug im modernen Sir», und
Gibraltar ist ohne Docks. Die einst so dringend empfohle»e Befestigung vo»
Fnmagusta auf Cypern ist noch kaum begonnen. Wann wird anf so ver¬
lockenden Boden Rußland in Frankreichs Fußstapfen treten? In einer nahe»
Stunde, die die Allianz mit Frankreich vorgesehen hat.

Wenn es in England „mahnt," da»» blicke» sich die Leute nach der
Flotte und den Kolonien um, d. h. die, die für die Suggestion der zeitgemäße»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/65>, abgerufen am 23.07.2024.