Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Auch schwärmt er für den verstorbnen Fürsten Windischgrätz und nennt ihn eine Das Hauptinteresse nimmt natürlich auch in diesem Bande die Politik in An¬ Schleinitz hält die holsteinische Angelegenheit, in der Bernhard! mit richtigem Ebenso wenig war Bethmann-Hollweg an der rechten Stelle, ja er "ist von Wie eine schwüle Gewitterwolke lag über der ganzen politischen Welt jener Das einzig fähige, seinem Amte im vollsten Maße gewachsene Mitglied des Maßgebliches und Unmaßgebliches Auch schwärmt er für den verstorbnen Fürsten Windischgrätz und nennt ihn eine Das Hauptinteresse nimmt natürlich auch in diesem Bande die Politik in An¬ Schleinitz hält die holsteinische Angelegenheit, in der Bernhard! mit richtigem Ebenso wenig war Bethmann-Hollweg an der rechten Stelle, ja er „ist von Wie eine schwüle Gewitterwolke lag über der ganzen politischen Welt jener Das einzig fähige, seinem Amte im vollsten Maße gewachsene Mitglied des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0610" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219614"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1893" prev="#ID_1892"> Auch schwärmt er für den verstorbnen Fürsten Windischgrätz und nennt ihn eine<lb/> imposante Persönlichkeit, einen Österreicher durch und durch, und dabei einen offnen,<lb/> redlichen Charakter!" Was würde Bernhardt erst von so manchen von Rankes<lb/> heutigen Anhängern gesagt haben, von denen einer z. B. Friedrich den Großen sich an<lb/> „das votorum esuLso des streitbaren Hippolithus a Lavide" erinnern läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1894"> Das Hauptinteresse nimmt natürlich auch in diesem Bande die Politik in An¬<lb/> spruch: in zahlreichen Variationen kommt die Unfähigkeit des liberalen Ministeriums<lb/> zur Anschauung: Schwerin im Innern und Schleinitz im Äußern streiten sich um<lb/> die Palme in den Bemühungen, den Staatswagen gänzlich zu Verfahren. Wenn<lb/> von Schwerin die Entfernung des Polizeipräsidenten von Zedlitz verlangt wird,<lb/> ruft er verzweifelt aus: Schnüre mir lieber gleich die Kehle zu, stoßt mir lieber<lb/> gleich den Dolch ins Herz! Auf die Frage, wer eigentlich die aus der Zeit der<lb/> Reaktion her mißliebigen Beamten halte, die hauptsächlich an den schlechten Wahlen<lb/> schuld seien, antwortet Max Duncker: nur Schwerin, der König selbst würde die<lb/> Landräte dutzendweise wegschicken!</p><lb/> <p xml:id="ID_1895"> Schleinitz hält die holsteinische Angelegenheit, in der Bernhard! mit richtigem<lb/> Blick den Angelpunkt der politischen Entwicklung Deutschlands erkannte, für sehr<lb/> unbedeutend und spricht mit großer Geringschätzung davon. Dagegen meint er,<lb/> man müsse auf das deutsche Parlament hinarbeiten, das Preußen die Suprematie<lb/> über Deutschland zuerkennen solle. Max Duncker erklärt das alles nur als Vor¬<lb/> wand, um nur ja nichts Entscheidendes thun zu müssen. Ein andrer Beitrag zur<lb/> Charakteristik Schleinitzens ist die Notiz, er sei so wenig Herr des Personals seines<lb/> Ministeriums gewesen, daß die Bureaus eine vom König befohlne Anstellung drei<lb/> Jahre lang hintertreiben konnten!</p><lb/> <p xml:id="ID_1896"> Ebenso wenig war Bethmann-Hollweg an der rechten Stelle, ja er „ist von<lb/> allen Ministern am wenigsten seiner Stellung gewachsen; es ist ein Zwiespalt in,<lb/> ihm, der ihn lahmt. Dieser Zwiespalt ist durch seine Vergangenheit hervorgerufen;<lb/> seiner natürlichen Neigung nach ist er liberal; unter dem Ministerium Manteuffel<lb/> aber sah er sich veranlaßt, eine royalistische Partei zu stiften, die nicht eine Junker-<lb/> Partei war. Die streng konservativen und kirchlichen Grundsätze, die er da aus¬<lb/> gesprochen hat, sind ihm nun im Wege. Vor allem aber: er weiß sich in seinen<lb/> Bureaus nicht Gehorsam zu verschaffen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1897"> Wie eine schwüle Gewitterwolke lag über der ganzen politischen Welt jener<lb/> Jahre der Gedanke, die eben erst zurückgedrängte Reaktion werde ihr Haupt von<lb/> neuem erheben. Im Grunde gab zu dieser Furcht eigentlich nur die Rolle Ver¬<lb/> anlassung, die damals der General von Manteuffel spielte. Charakteristisch ist sein<lb/> Benehmen zu Gunsten der „Militärischen Blätter," die Courbiere herausgab. Der<lb/> Buchhändler Bath wollte eine Militärzeitschrift herausgeben: der König nahm die<lb/> Idee sehr günstig und mit großer Wärme auf, indem er äußerte, es sei ein Skandal,<lb/> daß die preußische Armee kein solches wissenschaftliches Organ habe. Trotzdem<lb/> gelang es Manteuffel, wie Bernhardi vermutet, mit Hilfe von Louis Schneider,<lb/> die Sache zu hintertreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1898" next="#ID_1899"> Das einzig fähige, seinem Amte im vollsten Maße gewachsene Mitglied des<lb/> Ministeriums, der Kriegsminister von Roon, sucht darum auch bei jeder Gelegen¬<lb/> heit das Gespenst der Reaktion als wesenlos zu erweisen. So äußert er am<lb/> 16. Februar 1362: „Die seltsame Furcht vor der Reaktion hat überhaupt gar<lb/> keinen Grund. Ich kaun versichern, in der ganzen Umgebung des Königs denkt<lb/> niemand an Reaktion. Die Umgebung des Königs teilt sich in zwei Parteien;<lb/> die eine will auf dem gegenwärtigen Standpunkt stehen bleiben und nicht weiter-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0610]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Auch schwärmt er für den verstorbnen Fürsten Windischgrätz und nennt ihn eine
imposante Persönlichkeit, einen Österreicher durch und durch, und dabei einen offnen,
redlichen Charakter!" Was würde Bernhardt erst von so manchen von Rankes
heutigen Anhängern gesagt haben, von denen einer z. B. Friedrich den Großen sich an
„das votorum esuLso des streitbaren Hippolithus a Lavide" erinnern läßt.
Das Hauptinteresse nimmt natürlich auch in diesem Bande die Politik in An¬
spruch: in zahlreichen Variationen kommt die Unfähigkeit des liberalen Ministeriums
zur Anschauung: Schwerin im Innern und Schleinitz im Äußern streiten sich um
die Palme in den Bemühungen, den Staatswagen gänzlich zu Verfahren. Wenn
von Schwerin die Entfernung des Polizeipräsidenten von Zedlitz verlangt wird,
ruft er verzweifelt aus: Schnüre mir lieber gleich die Kehle zu, stoßt mir lieber
gleich den Dolch ins Herz! Auf die Frage, wer eigentlich die aus der Zeit der
Reaktion her mißliebigen Beamten halte, die hauptsächlich an den schlechten Wahlen
schuld seien, antwortet Max Duncker: nur Schwerin, der König selbst würde die
Landräte dutzendweise wegschicken!
Schleinitz hält die holsteinische Angelegenheit, in der Bernhard! mit richtigem
Blick den Angelpunkt der politischen Entwicklung Deutschlands erkannte, für sehr
unbedeutend und spricht mit großer Geringschätzung davon. Dagegen meint er,
man müsse auf das deutsche Parlament hinarbeiten, das Preußen die Suprematie
über Deutschland zuerkennen solle. Max Duncker erklärt das alles nur als Vor¬
wand, um nur ja nichts Entscheidendes thun zu müssen. Ein andrer Beitrag zur
Charakteristik Schleinitzens ist die Notiz, er sei so wenig Herr des Personals seines
Ministeriums gewesen, daß die Bureaus eine vom König befohlne Anstellung drei
Jahre lang hintertreiben konnten!
Ebenso wenig war Bethmann-Hollweg an der rechten Stelle, ja er „ist von
allen Ministern am wenigsten seiner Stellung gewachsen; es ist ein Zwiespalt in,
ihm, der ihn lahmt. Dieser Zwiespalt ist durch seine Vergangenheit hervorgerufen;
seiner natürlichen Neigung nach ist er liberal; unter dem Ministerium Manteuffel
aber sah er sich veranlaßt, eine royalistische Partei zu stiften, die nicht eine Junker-
Partei war. Die streng konservativen und kirchlichen Grundsätze, die er da aus¬
gesprochen hat, sind ihm nun im Wege. Vor allem aber: er weiß sich in seinen
Bureaus nicht Gehorsam zu verschaffen."
Wie eine schwüle Gewitterwolke lag über der ganzen politischen Welt jener
Jahre der Gedanke, die eben erst zurückgedrängte Reaktion werde ihr Haupt von
neuem erheben. Im Grunde gab zu dieser Furcht eigentlich nur die Rolle Ver¬
anlassung, die damals der General von Manteuffel spielte. Charakteristisch ist sein
Benehmen zu Gunsten der „Militärischen Blätter," die Courbiere herausgab. Der
Buchhändler Bath wollte eine Militärzeitschrift herausgeben: der König nahm die
Idee sehr günstig und mit großer Wärme auf, indem er äußerte, es sei ein Skandal,
daß die preußische Armee kein solches wissenschaftliches Organ habe. Trotzdem
gelang es Manteuffel, wie Bernhardi vermutet, mit Hilfe von Louis Schneider,
die Sache zu hintertreiben.
Das einzig fähige, seinem Amte im vollsten Maße gewachsene Mitglied des
Ministeriums, der Kriegsminister von Roon, sucht darum auch bei jeder Gelegen¬
heit das Gespenst der Reaktion als wesenlos zu erweisen. So äußert er am
16. Februar 1362: „Die seltsame Furcht vor der Reaktion hat überhaupt gar
keinen Grund. Ich kaun versichern, in der ganzen Umgebung des Königs denkt
niemand an Reaktion. Die Umgebung des Königs teilt sich in zwei Parteien;
die eine will auf dem gegenwärtigen Standpunkt stehen bleiben und nicht weiter-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |