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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Römer in der Dobrudscha

Durchmesser und noch 18 Meter Höhe. Aber auch so beherrscht er meilen¬
weit das Land, von jedem Punkte aus sichtbar, an die wunderbare Allgegen¬
wart Sankt Peters in der römischen Campagna erinnernd. Kommt man näher,
so bemerkt man die Reste eines gewaltigen Stufcnunterbaues und reichlich
umherliegende Werkstücke einer frühern Steinumkleidung des Gußwerkes und
Neste des architektonischen und bildnerischen Schmucks. Ehe wir aber an der
Hand George Niemanns daran gehen, das Denkmal vor unserm geistigen Auge
in seiner ursprünglichen Erhabenheit wieder auferstehen zu lassen, werfen wir
einen Blick auf seine interessante Erforschungsgeschichte.

An der Spitze aller derer, die dabei zu nennen sind, steht kein ge¬
ringerer als Helmuth von Moltke. Seit 1836 in der Türkei, war er im fol¬
genden Jahre mit dem preußischen Jngenieurhcmptmann Heinrich von Mühl¬
bach und den zum großen Generalstab kommandirten Hauptleuten Friedrich
Leopold Fischer und Karl Freiherr" vou Vincke-Olbendorf von Friedrich
Wilhelm HI. beauftragt worden, im Dienste Sultan Mahmuds II. Reformen
des türkischen Militürwcsens einzuleiten. Ihre Mission führte die vier preu¬
ßischen Offiziere zunächst, im Herbst 1837, von Konstantinopel an die untere
Donau, wo sie in Begleitung Sand Paschas die Befestigung der Donau¬
linie prüfen und zugleich über einen damals vielbesprochuen Plan, die Donau
von Tschernavoda unmittelbar ins Meer zu leiten, eine Ansicht gewinnen sollten.
Am 23. Oktober 1837 ritten sie von Rassova über Adamklissi nach Mahmudkoi,
am 24. Oktober zu deu Karassuseen im Thale von Tschernavoda-Küstendsche.
Moltke und Fischer ritten dann donauabwärts über Hirsova nach Küstendsche,
während Vincke und Mühlbach, der damals zuerst in Küstendsche das antike
Tomi erkannte und durch Inschriften nachwies, von jenem Thale ein Nivelle¬
ment aufnahmen, das die großen der Donauableitung entgegenstehenden Schwie¬
rigkeiten zeigte. Damals -- am 2. November 1837 -- schrieb Moltke aus Varna
in einem Briefe, der dann in sein Buch "Über Zustände und Begebenheiten
in der Türkei" -- nach Venndorf "ein goldnes Orientbrevier" -- aufgenommen
wurde, folgendes: "Auch nach der Donau zu, dritthalb Stunden von Rassova,
fanden wir eine merkwürdige Ruine; die Türken nennen sie Adamkilissi oder
die Adamskirche. Es ist eine kuppelartig gewölbte solide Steinmasse, welche
früher mit Reliefs und Säulen bekleidet gewesen, deren Trümmer jetzt weit
umher zerstreut liegen. Zwei verschiedne Versuche sind gemacht worden, in
den Kern dieser harten Nuß zu dringen -- von türkischen Beamten, die Schätze
darin vermuteten --, aber beide vergeblich; eine Art Stollen war mit unsäg¬
licher Mühe bis unter das Fundament gedrungen, ohne etwas zu finden. Die
Ruine zeigt nämlich nach außen jetzt nur jene bekannte Mischung von rohen
Steinen mit mindestens ebenso viel jetzt steinharten Kalke; aber mitten in dieser
Masse steckt ein Kern aus mächtig behauenen Steinen. Wahrscheinlich ist das
Ganze das Grabmal eines römischen Feldherrn." Moltke war also der erste,


Die Römer in der Dobrudscha

Durchmesser und noch 18 Meter Höhe. Aber auch so beherrscht er meilen¬
weit das Land, von jedem Punkte aus sichtbar, an die wunderbare Allgegen¬
wart Sankt Peters in der römischen Campagna erinnernd. Kommt man näher,
so bemerkt man die Reste eines gewaltigen Stufcnunterbaues und reichlich
umherliegende Werkstücke einer frühern Steinumkleidung des Gußwerkes und
Neste des architektonischen und bildnerischen Schmucks. Ehe wir aber an der
Hand George Niemanns daran gehen, das Denkmal vor unserm geistigen Auge
in seiner ursprünglichen Erhabenheit wieder auferstehen zu lassen, werfen wir
einen Blick auf seine interessante Erforschungsgeschichte.

An der Spitze aller derer, die dabei zu nennen sind, steht kein ge¬
ringerer als Helmuth von Moltke. Seit 1836 in der Türkei, war er im fol¬
genden Jahre mit dem preußischen Jngenieurhcmptmann Heinrich von Mühl¬
bach und den zum großen Generalstab kommandirten Hauptleuten Friedrich
Leopold Fischer und Karl Freiherr« vou Vincke-Olbendorf von Friedrich
Wilhelm HI. beauftragt worden, im Dienste Sultan Mahmuds II. Reformen
des türkischen Militürwcsens einzuleiten. Ihre Mission führte die vier preu¬
ßischen Offiziere zunächst, im Herbst 1837, von Konstantinopel an die untere
Donau, wo sie in Begleitung Sand Paschas die Befestigung der Donau¬
linie prüfen und zugleich über einen damals vielbesprochuen Plan, die Donau
von Tschernavoda unmittelbar ins Meer zu leiten, eine Ansicht gewinnen sollten.
Am 23. Oktober 1837 ritten sie von Rassova über Adamklissi nach Mahmudkoi,
am 24. Oktober zu deu Karassuseen im Thale von Tschernavoda-Küstendsche.
Moltke und Fischer ritten dann donauabwärts über Hirsova nach Küstendsche,
während Vincke und Mühlbach, der damals zuerst in Küstendsche das antike
Tomi erkannte und durch Inschriften nachwies, von jenem Thale ein Nivelle¬
ment aufnahmen, das die großen der Donauableitung entgegenstehenden Schwie¬
rigkeiten zeigte. Damals — am 2. November 1837 — schrieb Moltke aus Varna
in einem Briefe, der dann in sein Buch „Über Zustände und Begebenheiten
in der Türkei" — nach Venndorf „ein goldnes Orientbrevier" — aufgenommen
wurde, folgendes: „Auch nach der Donau zu, dritthalb Stunden von Rassova,
fanden wir eine merkwürdige Ruine; die Türken nennen sie Adamkilissi oder
die Adamskirche. Es ist eine kuppelartig gewölbte solide Steinmasse, welche
früher mit Reliefs und Säulen bekleidet gewesen, deren Trümmer jetzt weit
umher zerstreut liegen. Zwei verschiedne Versuche sind gemacht worden, in
den Kern dieser harten Nuß zu dringen — von türkischen Beamten, die Schätze
darin vermuteten —, aber beide vergeblich; eine Art Stollen war mit unsäg¬
licher Mühe bis unter das Fundament gedrungen, ohne etwas zu finden. Die
Ruine zeigt nämlich nach außen jetzt nur jene bekannte Mischung von rohen
Steinen mit mindestens ebenso viel jetzt steinharten Kalke; aber mitten in dieser
Masse steckt ein Kern aus mächtig behauenen Steinen. Wahrscheinlich ist das
Ganze das Grabmal eines römischen Feldherrn." Moltke war also der erste,


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[0581] Die Römer in der Dobrudscha Durchmesser und noch 18 Meter Höhe. Aber auch so beherrscht er meilen¬ weit das Land, von jedem Punkte aus sichtbar, an die wunderbare Allgegen¬ wart Sankt Peters in der römischen Campagna erinnernd. Kommt man näher, so bemerkt man die Reste eines gewaltigen Stufcnunterbaues und reichlich umherliegende Werkstücke einer frühern Steinumkleidung des Gußwerkes und Neste des architektonischen und bildnerischen Schmucks. Ehe wir aber an der Hand George Niemanns daran gehen, das Denkmal vor unserm geistigen Auge in seiner ursprünglichen Erhabenheit wieder auferstehen zu lassen, werfen wir einen Blick auf seine interessante Erforschungsgeschichte. An der Spitze aller derer, die dabei zu nennen sind, steht kein ge¬ ringerer als Helmuth von Moltke. Seit 1836 in der Türkei, war er im fol¬ genden Jahre mit dem preußischen Jngenieurhcmptmann Heinrich von Mühl¬ bach und den zum großen Generalstab kommandirten Hauptleuten Friedrich Leopold Fischer und Karl Freiherr« vou Vincke-Olbendorf von Friedrich Wilhelm HI. beauftragt worden, im Dienste Sultan Mahmuds II. Reformen des türkischen Militürwcsens einzuleiten. Ihre Mission führte die vier preu¬ ßischen Offiziere zunächst, im Herbst 1837, von Konstantinopel an die untere Donau, wo sie in Begleitung Sand Paschas die Befestigung der Donau¬ linie prüfen und zugleich über einen damals vielbesprochuen Plan, die Donau von Tschernavoda unmittelbar ins Meer zu leiten, eine Ansicht gewinnen sollten. Am 23. Oktober 1837 ritten sie von Rassova über Adamklissi nach Mahmudkoi, am 24. Oktober zu deu Karassuseen im Thale von Tschernavoda-Küstendsche. Moltke und Fischer ritten dann donauabwärts über Hirsova nach Küstendsche, während Vincke und Mühlbach, der damals zuerst in Küstendsche das antike Tomi erkannte und durch Inschriften nachwies, von jenem Thale ein Nivelle¬ ment aufnahmen, das die großen der Donauableitung entgegenstehenden Schwie¬ rigkeiten zeigte. Damals — am 2. November 1837 — schrieb Moltke aus Varna in einem Briefe, der dann in sein Buch „Über Zustände und Begebenheiten in der Türkei" — nach Venndorf „ein goldnes Orientbrevier" — aufgenommen wurde, folgendes: „Auch nach der Donau zu, dritthalb Stunden von Rassova, fanden wir eine merkwürdige Ruine; die Türken nennen sie Adamkilissi oder die Adamskirche. Es ist eine kuppelartig gewölbte solide Steinmasse, welche früher mit Reliefs und Säulen bekleidet gewesen, deren Trümmer jetzt weit umher zerstreut liegen. Zwei verschiedne Versuche sind gemacht worden, in den Kern dieser harten Nuß zu dringen — von türkischen Beamten, die Schätze darin vermuteten —, aber beide vergeblich; eine Art Stollen war mit unsäg¬ licher Mühe bis unter das Fundament gedrungen, ohne etwas zu finden. Die Ruine zeigt nämlich nach außen jetzt nur jene bekannte Mischung von rohen Steinen mit mindestens ebenso viel jetzt steinharten Kalke; aber mitten in dieser Masse steckt ein Kern aus mächtig behauenen Steinen. Wahrscheinlich ist das Ganze das Grabmal eines römischen Feldherrn." Moltke war also der erste,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/581>, abgerufen am 23.07.2024.