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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Der litterarische Erfolg

Wird ihm auf alle Fälle bleiben. Aber mit der Anwendung seines Ideals
der "blonden Bestie" auf die heutigen Menschen und Verhältnisse soll man
sehr vorsichtig sein; denn es ist noch keineswegs ausgemacht, ob sich nicht
gerade hinter der von Nietzsche bekämpften Sozialdemokratie die blonde Bestie
versteckt. Wenigstens in Deutschland, wo das reine Germanentum keineswegs
auf die höhern Klassen beschränkt ist, wäre dieser Fall gar nicht ausgeschlossen.

Neben Nietzsche gehört nach meiner Meinung Dühring her. Man redet
weniger von ihm, aber sein Erfolg ist nicht unbedeutend, seine Gedanken müsse"
zahlreiche" Tagesschriftstellern aushelfen. Er ist zunächst fachwisfenschaftlicher
Schriftsteller, und was er als solcher bedeutet, weiß ich nicht, seine littera¬
rischen Schriften aber kranken gleichfalls an Originalitätssucht und werden
durch cynische Polterei entstellt. Bei allem Reichtum an Gedanken fehlen
ihm geschichtlicher Sinn und Verständnis für das Spezifischpoetische fast
gänzlich, ja ans dem Gebiete der Litteraturgeschichte sogar die Kenntnisse,
was ihn aber nicht hindert, überall unfehlbar zu sein.

Charakteristischer noch als die Erfolge dieser beiden jedenfalls bedeutenden
Geister war der des "Rembrandt-Dentschen," der nun endgiltig als Dr. Julius
Langbehn enthüllt ist. Sein Erfolg war in solchem Umfang durchaus un¬
berechtigt. "Rembrandt als Erzieher" ist, von seinem "konfnsionären" Teil
ganz abgesehen, voll Koketterie, und diese hat am Ende die große Anziehungs¬
kraft geübt. Oder sollte es die (früher von Nietzsche aufgestellte) Forderung
einer künstlerischen Kultur für Deutschland und der teilweise berechtigte Preis
des "Nicderdeutschtums" gewesen sein? Vielleicht wars auch nur die Be¬
quemlichkeit, mit der man dein Buche den einen oder den andern wirklich oder
scheinbar eigentümlichen Gedanken entnehmen konnte.

"Rembrandt" machte bekanntlich Schule, und so erwähne ich hier der
Merkwürdigkeit halber auch Herrn Dr. Heinrich Pudor, der jetzt schon drei
Dutzend Schriften und Schriftchen herausgegeben hat. Er erinnert etwas an
Ahlwardt; beide haben auch nicht die geringste wirkliche Originalität oder
geistigen Fonds, die Manier ist alles. Aber sie haben erreicht, was sie
wollten; fast jeder Deutsche kennt und nennt sie, und -- unzählige andre
deutsche "Persönlichkeiten und Geisteshelden" arbeiten, wenn auch etwas feiner,
in ihrer Manier. Ich erkläre ausdrücklich, daß ich den Herausgeber der
"Zukunft," Herrn "Maximilian Harden," nicht dazu rechne; als jüngster
Mann des litterarischen Erfolges soll aber auch er hier zum Schluß seinen
Platz bekommen.

Litterarischer Erfolg, das geht aus dem Vorstehenden hervor, tritt heute
fast nur noch in Verbindung mit Sensationssucht, mit Prostitution und
ungesunden Kultus der Persönlichkeit, mit Unverfrorenheit und Geschäftssinn
auf. Das Los der Schriftsteller, die bloß durch ihre Gedanken und ihre
Gesinnung wirken wollen, ist selten beneidenswert.


Der litterarische Erfolg

Wird ihm auf alle Fälle bleiben. Aber mit der Anwendung seines Ideals
der „blonden Bestie" auf die heutigen Menschen und Verhältnisse soll man
sehr vorsichtig sein; denn es ist noch keineswegs ausgemacht, ob sich nicht
gerade hinter der von Nietzsche bekämpften Sozialdemokratie die blonde Bestie
versteckt. Wenigstens in Deutschland, wo das reine Germanentum keineswegs
auf die höhern Klassen beschränkt ist, wäre dieser Fall gar nicht ausgeschlossen.

Neben Nietzsche gehört nach meiner Meinung Dühring her. Man redet
weniger von ihm, aber sein Erfolg ist nicht unbedeutend, seine Gedanken müsse»
zahlreiche» Tagesschriftstellern aushelfen. Er ist zunächst fachwisfenschaftlicher
Schriftsteller, und was er als solcher bedeutet, weiß ich nicht, seine littera¬
rischen Schriften aber kranken gleichfalls an Originalitätssucht und werden
durch cynische Polterei entstellt. Bei allem Reichtum an Gedanken fehlen
ihm geschichtlicher Sinn und Verständnis für das Spezifischpoetische fast
gänzlich, ja ans dem Gebiete der Litteraturgeschichte sogar die Kenntnisse,
was ihn aber nicht hindert, überall unfehlbar zu sein.

Charakteristischer noch als die Erfolge dieser beiden jedenfalls bedeutenden
Geister war der des „Rembrandt-Dentschen," der nun endgiltig als Dr. Julius
Langbehn enthüllt ist. Sein Erfolg war in solchem Umfang durchaus un¬
berechtigt. „Rembrandt als Erzieher" ist, von seinem „konfnsionären" Teil
ganz abgesehen, voll Koketterie, und diese hat am Ende die große Anziehungs¬
kraft geübt. Oder sollte es die (früher von Nietzsche aufgestellte) Forderung
einer künstlerischen Kultur für Deutschland und der teilweise berechtigte Preis
des „Nicderdeutschtums" gewesen sein? Vielleicht wars auch nur die Be¬
quemlichkeit, mit der man dein Buche den einen oder den andern wirklich oder
scheinbar eigentümlichen Gedanken entnehmen konnte.

„Rembrandt" machte bekanntlich Schule, und so erwähne ich hier der
Merkwürdigkeit halber auch Herrn Dr. Heinrich Pudor, der jetzt schon drei
Dutzend Schriften und Schriftchen herausgegeben hat. Er erinnert etwas an
Ahlwardt; beide haben auch nicht die geringste wirkliche Originalität oder
geistigen Fonds, die Manier ist alles. Aber sie haben erreicht, was sie
wollten; fast jeder Deutsche kennt und nennt sie, und — unzählige andre
deutsche „Persönlichkeiten und Geisteshelden" arbeiten, wenn auch etwas feiner,
in ihrer Manier. Ich erkläre ausdrücklich, daß ich den Herausgeber der
„Zukunft," Herrn „Maximilian Harden," nicht dazu rechne; als jüngster
Mann des litterarischen Erfolges soll aber auch er hier zum Schluß seinen
Platz bekommen.

Litterarischer Erfolg, das geht aus dem Vorstehenden hervor, tritt heute
fast nur noch in Verbindung mit Sensationssucht, mit Prostitution und
ungesunden Kultus der Persönlichkeit, mit Unverfrorenheit und Geschäftssinn
auf. Das Los der Schriftsteller, die bloß durch ihre Gedanken und ihre
Gesinnung wirken wollen, ist selten beneidenswert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/480>, abgerufen am 23.07.2024.