Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Victor Alan Huber

Versammlung sein und darf vor allem nicht das Recht der Budgetbewilligung
haben. Das Verhältnis zwischen Fürst und Volk findet sein Vorbild in der
Ehe: es mag unzählige Pantoffelhelden geben; das entspricht nicht dem Be¬
griff der Ehe, aber hebt ihn auch nicht ans; wird dagegen das Weib dem
Manne durch das Gesetz gleichgestellt und das biblische "Er soll dein Herr
sein" förmlich aufgehoben, so ist damit das Wesen der christlichen Ehe zerstört.
Auch die Aristokratie darf kein besondrer Stand sein, darf dem Monarchen
gegenüber keine Vorrechte beanspruchen; sie soll das potenzirte Volk sein, dessen
edelste Charaktereigenschaften im höchsten Grade zeigen, ihm in allem Guten
vorangehen und dazu behilflich sein. Den Konstitutionalismus verfolgt Huber
mit unversöhnlicher Feindschaft; er sieht in diesem System nichts andres als
eine Republik, die sich den Schein der Monarchie anlügt, und die Herrschaft
von Interessengruppen, die anstatt das Volk zu vertreten, es nur unterdrücken,
solange sie aber noch mit dem Monarchen um die Herrschaft ringen, diesen
zu Unterdrückungsmaßregeln und Freiheitsbeschränkungen nötigen.

Hubers Ideal ist auch das unsre, mit zwei Einschränkungen. Erstens
fällt es uns nicht ein, wie es Huber seinerzeit that, das Ideal verwirklichen
zu wollen. Wir gebrauchen es nur als Maßstab für die Kritik der bestehenden
Verfassung; wir zeigen daran nur von Zeit zu Zeit, wie weit sich diese von
ihrem vernünftigen Zweck entfernt, indem die Volksvertretung bald gar keine
wirkliche Volksvertretung ist, bald heilsamen Entschließungen des Monarchen
im Wege steht, ohne die Volksfreiheit wirksam zu schützen, die viel besser ge¬
wahrt sein würde, wenn, wie Huber will, zwar der Monarch in seinem Ge¬
biete unumschränkt, dieses aber enger begrenzt wäre, als es jetzt ist, indem die
kleinen Gesellschaftskreise, die sich selbst verwaltenden Gemeinden und Korpo¬
rationen, vor ungehöriger Einmischung der Staatsbeamten sicher sein würden.
Huber mußte zu seinem Schmerz selbst sehr bald die Erfahrung machen, daß
zur Verwirklichung seines Ideals nicht weniger als alles fehlte; weder den
König fand er, den er brauchte, noch das Volk, und statt der Aristokratie ein
Junkertum, das, wie er öfter klagt, die Monarchie beim Volke verhaßt machte.
Seine Bemühungen um die Begründung einer wahrhaft konservativen Partei
in Preußen waren die reine Donquixoterie, womit wir keinen Tadel aus¬
sprechen wollen; die Grenzen, innerhalb deren ein Ideal verwirklicht werden
kann, wollen eben erfahren sein, und es ist keine Schande für einen edeln
Mann, wenn er sich bei seinen Versuchen den Kopf einrennt, ehe er die Grenzen
gefunden hat. Unsre heutigen Freisinnigen können das preußische Junkertum
nicht schonungsloser beurteilen, als es Huber, der Prophet eines konservativen
Evangeliums, gethan hat; der Kreuzzeitung und dem Neichsboten empfehlen
wir namentlich die Anmerkung auf Seite 358 als gerade in diesem Augenblick
höchst zeitgemäßen Meditationsstoff.

Das zweite, worin wir Huber nicht beistimmen, ist seine mystische Auffassung


Victor Alan Huber

Versammlung sein und darf vor allem nicht das Recht der Budgetbewilligung
haben. Das Verhältnis zwischen Fürst und Volk findet sein Vorbild in der
Ehe: es mag unzählige Pantoffelhelden geben; das entspricht nicht dem Be¬
griff der Ehe, aber hebt ihn auch nicht ans; wird dagegen das Weib dem
Manne durch das Gesetz gleichgestellt und das biblische „Er soll dein Herr
sein" förmlich aufgehoben, so ist damit das Wesen der christlichen Ehe zerstört.
Auch die Aristokratie darf kein besondrer Stand sein, darf dem Monarchen
gegenüber keine Vorrechte beanspruchen; sie soll das potenzirte Volk sein, dessen
edelste Charaktereigenschaften im höchsten Grade zeigen, ihm in allem Guten
vorangehen und dazu behilflich sein. Den Konstitutionalismus verfolgt Huber
mit unversöhnlicher Feindschaft; er sieht in diesem System nichts andres als
eine Republik, die sich den Schein der Monarchie anlügt, und die Herrschaft
von Interessengruppen, die anstatt das Volk zu vertreten, es nur unterdrücken,
solange sie aber noch mit dem Monarchen um die Herrschaft ringen, diesen
zu Unterdrückungsmaßregeln und Freiheitsbeschränkungen nötigen.

Hubers Ideal ist auch das unsre, mit zwei Einschränkungen. Erstens
fällt es uns nicht ein, wie es Huber seinerzeit that, das Ideal verwirklichen
zu wollen. Wir gebrauchen es nur als Maßstab für die Kritik der bestehenden
Verfassung; wir zeigen daran nur von Zeit zu Zeit, wie weit sich diese von
ihrem vernünftigen Zweck entfernt, indem die Volksvertretung bald gar keine
wirkliche Volksvertretung ist, bald heilsamen Entschließungen des Monarchen
im Wege steht, ohne die Volksfreiheit wirksam zu schützen, die viel besser ge¬
wahrt sein würde, wenn, wie Huber will, zwar der Monarch in seinem Ge¬
biete unumschränkt, dieses aber enger begrenzt wäre, als es jetzt ist, indem die
kleinen Gesellschaftskreise, die sich selbst verwaltenden Gemeinden und Korpo¬
rationen, vor ungehöriger Einmischung der Staatsbeamten sicher sein würden.
Huber mußte zu seinem Schmerz selbst sehr bald die Erfahrung machen, daß
zur Verwirklichung seines Ideals nicht weniger als alles fehlte; weder den
König fand er, den er brauchte, noch das Volk, und statt der Aristokratie ein
Junkertum, das, wie er öfter klagt, die Monarchie beim Volke verhaßt machte.
Seine Bemühungen um die Begründung einer wahrhaft konservativen Partei
in Preußen waren die reine Donquixoterie, womit wir keinen Tadel aus¬
sprechen wollen; die Grenzen, innerhalb deren ein Ideal verwirklicht werden
kann, wollen eben erfahren sein, und es ist keine Schande für einen edeln
Mann, wenn er sich bei seinen Versuchen den Kopf einrennt, ehe er die Grenzen
gefunden hat. Unsre heutigen Freisinnigen können das preußische Junkertum
nicht schonungsloser beurteilen, als es Huber, der Prophet eines konservativen
Evangeliums, gethan hat; der Kreuzzeitung und dem Neichsboten empfehlen
wir namentlich die Anmerkung auf Seite 358 als gerade in diesem Augenblick
höchst zeitgemäßen Meditationsstoff.

Das zweite, worin wir Huber nicht beistimmen, ist seine mystische Auffassung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219375"/>
          <fw type="header" place="top"> Victor Alan Huber</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124"> Versammlung sein und darf vor allem nicht das Recht der Budgetbewilligung<lb/>
haben. Das Verhältnis zwischen Fürst und Volk findet sein Vorbild in der<lb/>
Ehe: es mag unzählige Pantoffelhelden geben; das entspricht nicht dem Be¬<lb/>
griff der Ehe, aber hebt ihn auch nicht ans; wird dagegen das Weib dem<lb/>
Manne durch das Gesetz gleichgestellt und das biblische &#x201E;Er soll dein Herr<lb/>
sein" förmlich aufgehoben, so ist damit das Wesen der christlichen Ehe zerstört.<lb/>
Auch die Aristokratie darf kein besondrer Stand sein, darf dem Monarchen<lb/>
gegenüber keine Vorrechte beanspruchen; sie soll das potenzirte Volk sein, dessen<lb/>
edelste Charaktereigenschaften im höchsten Grade zeigen, ihm in allem Guten<lb/>
vorangehen und dazu behilflich sein. Den Konstitutionalismus verfolgt Huber<lb/>
mit unversöhnlicher Feindschaft; er sieht in diesem System nichts andres als<lb/>
eine Republik, die sich den Schein der Monarchie anlügt, und die Herrschaft<lb/>
von Interessengruppen, die anstatt das Volk zu vertreten, es nur unterdrücken,<lb/>
solange sie aber noch mit dem Monarchen um die Herrschaft ringen, diesen<lb/>
zu Unterdrückungsmaßregeln und Freiheitsbeschränkungen nötigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1126"> Hubers Ideal ist auch das unsre, mit zwei Einschränkungen. Erstens<lb/>
fällt es uns nicht ein, wie es Huber seinerzeit that, das Ideal verwirklichen<lb/>
zu wollen. Wir gebrauchen es nur als Maßstab für die Kritik der bestehenden<lb/>
Verfassung; wir zeigen daran nur von Zeit zu Zeit, wie weit sich diese von<lb/>
ihrem vernünftigen Zweck entfernt, indem die Volksvertretung bald gar keine<lb/>
wirkliche Volksvertretung ist, bald heilsamen Entschließungen des Monarchen<lb/>
im Wege steht, ohne die Volksfreiheit wirksam zu schützen, die viel besser ge¬<lb/>
wahrt sein würde, wenn, wie Huber will, zwar der Monarch in seinem Ge¬<lb/>
biete unumschränkt, dieses aber enger begrenzt wäre, als es jetzt ist, indem die<lb/>
kleinen Gesellschaftskreise, die sich selbst verwaltenden Gemeinden und Korpo¬<lb/>
rationen, vor ungehöriger Einmischung der Staatsbeamten sicher sein würden.<lb/>
Huber mußte zu seinem Schmerz selbst sehr bald die Erfahrung machen, daß<lb/>
zur Verwirklichung seines Ideals nicht weniger als alles fehlte; weder den<lb/>
König fand er, den er brauchte, noch das Volk, und statt der Aristokratie ein<lb/>
Junkertum, das, wie er öfter klagt, die Monarchie beim Volke verhaßt machte.<lb/>
Seine Bemühungen um die Begründung einer wahrhaft konservativen Partei<lb/>
in Preußen waren die reine Donquixoterie, womit wir keinen Tadel aus¬<lb/>
sprechen wollen; die Grenzen, innerhalb deren ein Ideal verwirklicht werden<lb/>
kann, wollen eben erfahren sein, und es ist keine Schande für einen edeln<lb/>
Mann, wenn er sich bei seinen Versuchen den Kopf einrennt, ehe er die Grenzen<lb/>
gefunden hat. Unsre heutigen Freisinnigen können das preußische Junkertum<lb/>
nicht schonungsloser beurteilen, als es Huber, der Prophet eines konservativen<lb/>
Evangeliums, gethan hat; der Kreuzzeitung und dem Neichsboten empfehlen<lb/>
wir namentlich die Anmerkung auf Seite 358 als gerade in diesem Augenblick<lb/>
höchst zeitgemäßen Meditationsstoff.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1127" next="#ID_1128"> Das zweite, worin wir Huber nicht beistimmen, ist seine mystische Auffassung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0373] Victor Alan Huber Versammlung sein und darf vor allem nicht das Recht der Budgetbewilligung haben. Das Verhältnis zwischen Fürst und Volk findet sein Vorbild in der Ehe: es mag unzählige Pantoffelhelden geben; das entspricht nicht dem Be¬ griff der Ehe, aber hebt ihn auch nicht ans; wird dagegen das Weib dem Manne durch das Gesetz gleichgestellt und das biblische „Er soll dein Herr sein" förmlich aufgehoben, so ist damit das Wesen der christlichen Ehe zerstört. Auch die Aristokratie darf kein besondrer Stand sein, darf dem Monarchen gegenüber keine Vorrechte beanspruchen; sie soll das potenzirte Volk sein, dessen edelste Charaktereigenschaften im höchsten Grade zeigen, ihm in allem Guten vorangehen und dazu behilflich sein. Den Konstitutionalismus verfolgt Huber mit unversöhnlicher Feindschaft; er sieht in diesem System nichts andres als eine Republik, die sich den Schein der Monarchie anlügt, und die Herrschaft von Interessengruppen, die anstatt das Volk zu vertreten, es nur unterdrücken, solange sie aber noch mit dem Monarchen um die Herrschaft ringen, diesen zu Unterdrückungsmaßregeln und Freiheitsbeschränkungen nötigen. Hubers Ideal ist auch das unsre, mit zwei Einschränkungen. Erstens fällt es uns nicht ein, wie es Huber seinerzeit that, das Ideal verwirklichen zu wollen. Wir gebrauchen es nur als Maßstab für die Kritik der bestehenden Verfassung; wir zeigen daran nur von Zeit zu Zeit, wie weit sich diese von ihrem vernünftigen Zweck entfernt, indem die Volksvertretung bald gar keine wirkliche Volksvertretung ist, bald heilsamen Entschließungen des Monarchen im Wege steht, ohne die Volksfreiheit wirksam zu schützen, die viel besser ge¬ wahrt sein würde, wenn, wie Huber will, zwar der Monarch in seinem Ge¬ biete unumschränkt, dieses aber enger begrenzt wäre, als es jetzt ist, indem die kleinen Gesellschaftskreise, die sich selbst verwaltenden Gemeinden und Korpo¬ rationen, vor ungehöriger Einmischung der Staatsbeamten sicher sein würden. Huber mußte zu seinem Schmerz selbst sehr bald die Erfahrung machen, daß zur Verwirklichung seines Ideals nicht weniger als alles fehlte; weder den König fand er, den er brauchte, noch das Volk, und statt der Aristokratie ein Junkertum, das, wie er öfter klagt, die Monarchie beim Volke verhaßt machte. Seine Bemühungen um die Begründung einer wahrhaft konservativen Partei in Preußen waren die reine Donquixoterie, womit wir keinen Tadel aus¬ sprechen wollen; die Grenzen, innerhalb deren ein Ideal verwirklicht werden kann, wollen eben erfahren sein, und es ist keine Schande für einen edeln Mann, wenn er sich bei seinen Versuchen den Kopf einrennt, ehe er die Grenzen gefunden hat. Unsre heutigen Freisinnigen können das preußische Junkertum nicht schonungsloser beurteilen, als es Huber, der Prophet eines konservativen Evangeliums, gethan hat; der Kreuzzeitung und dem Neichsboten empfehlen wir namentlich die Anmerkung auf Seite 358 als gerade in diesem Augenblick höchst zeitgemäßen Meditationsstoff. Das zweite, worin wir Huber nicht beistimmen, ist seine mystische Auffassung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/373
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/373>, abgerufen am 23.07.2024.