Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Die Moderne in der Wissenschaft einem Motto aus Wagners Parsifal: "Zum Raum wird hier die Zeit."*) Da reißt es wieder an der Klingel, und das Mädchen bringt mir aber¬ Ich werfe das Paket aufs Sofa und lese in dem andern Exemplar Ich blättere weiter, da sällt mein Auge aus einen Holzschnitt aus dem Der Ring des Frangipani. Ein Erlebnis von Henry Thode. Frankfurt a. M..
Heinrich Keller, 189S. Die Moderne in der Wissenschaft einem Motto aus Wagners Parsifal: „Zum Raum wird hier die Zeit."*) Da reißt es wieder an der Klingel, und das Mädchen bringt mir aber¬ Ich werfe das Paket aufs Sofa und lese in dem andern Exemplar Ich blättere weiter, da sällt mein Auge aus einen Holzschnitt aus dem Der Ring des Frangipani. Ein Erlebnis von Henry Thode. Frankfurt a. M..
Heinrich Keller, 189S. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219025"/> <fw type="header" place="top"> Die Moderne in der Wissenschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_56" prev="#ID_55"> einem Motto aus Wagners Parsifal: „Zum Raum wird hier die Zeit."*)<lb/> Auf dem dritten Blatte steht eine Widmung: „Der Einen zu eigen! 12. Ok¬<lb/> tober 1894," auf dem vierten kommt endlich das Inhaltsverzeichnis. Ich<lb/> überfliege es schnell. Einleitung: Wie ich den Ring erhielt. 1. Kapitel: Die<lb/> Deutschen in Pordenone. 2. Kapitel: Das Geschlecht der Frangipani. Z. Ka¬<lb/> pitel: Christoph Frangipani im Kampfe mit Venedig. 4. Kapitel —</p><lb/> <p xml:id="ID_57"> Da reißt es wieder an der Klingel, und das Mädchen bringt mir aber¬<lb/> mals ein Paket aus der Buchhandlung. Ich habe nämlich zwei. In der<lb/> einen kaufe ich aus alter Anhänglichkeit noch von meiner Studentenzeit her,<lb/> obwohl sie seitdem schon viermal den Inhaber gewechselt hat, und obwohl sie<lb/> mir nur wenig Ansichtsendungen machen kann; in der andern kaufe ich, weil<lb/> sie mir fast alles zuschickt, was mich interessirt. Bisweilen kommt es aber<lb/> vor, daß mir beide an einem Tage dasselbe Buch schicken. Das ist dann ge¬<lb/> wöhnlich etwas besondres; sie haben sich beide gesagt: Halt! das ist was für<lb/> ihn! Und richtig — das Format kam mir schon verdächtig vor —-: wie ich<lb/> die Faktur besehe, steht wieder drauf: 1 Thode, Ring des Frangipani. 12 Mark.</p><lb/> <p xml:id="ID_58"> Ich werfe das Paket aufs Sofa und lese in dem andern Exemplar<lb/> weiter: 4. Kapitel: Die Längs von Wellenburg. S.Kapitel: Die Kämpfe im<lb/> Friaul 1514. 6. Kapitel: In der Torresella. 7. Kapitel: Getäuschte Hoff¬<lb/> nungen. 8. Kapitel: Mit Willen dein eigen. 9. Kapitel: Der Verlorne Ring.<lb/> 10. Kapitel: Gelenkes Leid. 11. Kapitel: Bereit, das äußerste zu erdulden.<lb/> 12. Kapitel: Christophs Ende. Schluß: In Obervellach.</p><lb/> <p xml:id="ID_59"> Ich blättere weiter, da sällt mein Auge aus einen Holzschnitt aus dem<lb/> Weißkunig — ich kenne ihn, denn ich habe den schönen Folianten oft in<lb/> der Hand gehabt —, weiterhin auf einen Ausschnitt aus einem alten gestochnen<lb/> Stadtplan von Venedig, im Vordergründe der Dogenpalast und die Piazza,<lb/> dann aus ein herrliches Bildnis des Dogen Leonardo Loredcmo nach einem<lb/> Gemälde von Giovanni Bellini, dann auf eine in Holz geschnittene Krönung<lb/> Maria aus einem Gebetbuch von 1518, dann auf Dürers Kaiser Max, dann auf<lb/> ein schönes Altarbild des Holländers Jan schoret: die Heilige Familie,<lb/> mit dein heiligen Christoph und der heiligen Apollonia in den beiden Flügel¬<lb/> bildern. Kein Zweifel: trotz der romanhaften Kapitelüberschriften habe ich<lb/> keinen Roman vor mir, sondern eine wissenschaftliche Monographie. Der<lb/> Gegenstand scheint der deutschen und der italienischen Geschichte im Anfange<lb/> des sechzehnten Jahrhunderts anzugehören, und hie und da scheint die Kunst¬<lb/> geschichte hereinzuspielen. Aber zum Teufel! Da steht ja über jedem Kapitel<lb/> ein Motto aus einer Wagnerschen Oper: ans dem Tannhäuser, dem Lohengrin,<lb/> dem Tristan, dem Rheingold, der Walküre, der Götterdämmerung. Hat das<lb/> etwas mit dem Inhalt des Buches zu thun, oder ist es bloße Narretei?</p><lb/> <note xml:id="FID_7" place="foot"> Der Ring des Frangipani. Ein Erlebnis von Henry Thode. Frankfurt a. M..<lb/> Heinrich Keller, 189S.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
Die Moderne in der Wissenschaft
einem Motto aus Wagners Parsifal: „Zum Raum wird hier die Zeit."*)
Auf dem dritten Blatte steht eine Widmung: „Der Einen zu eigen! 12. Ok¬
tober 1894," auf dem vierten kommt endlich das Inhaltsverzeichnis. Ich
überfliege es schnell. Einleitung: Wie ich den Ring erhielt. 1. Kapitel: Die
Deutschen in Pordenone. 2. Kapitel: Das Geschlecht der Frangipani. Z. Ka¬
pitel: Christoph Frangipani im Kampfe mit Venedig. 4. Kapitel —
Da reißt es wieder an der Klingel, und das Mädchen bringt mir aber¬
mals ein Paket aus der Buchhandlung. Ich habe nämlich zwei. In der
einen kaufe ich aus alter Anhänglichkeit noch von meiner Studentenzeit her,
obwohl sie seitdem schon viermal den Inhaber gewechselt hat, und obwohl sie
mir nur wenig Ansichtsendungen machen kann; in der andern kaufe ich, weil
sie mir fast alles zuschickt, was mich interessirt. Bisweilen kommt es aber
vor, daß mir beide an einem Tage dasselbe Buch schicken. Das ist dann ge¬
wöhnlich etwas besondres; sie haben sich beide gesagt: Halt! das ist was für
ihn! Und richtig — das Format kam mir schon verdächtig vor —-: wie ich
die Faktur besehe, steht wieder drauf: 1 Thode, Ring des Frangipani. 12 Mark.
Ich werfe das Paket aufs Sofa und lese in dem andern Exemplar
weiter: 4. Kapitel: Die Längs von Wellenburg. S.Kapitel: Die Kämpfe im
Friaul 1514. 6. Kapitel: In der Torresella. 7. Kapitel: Getäuschte Hoff¬
nungen. 8. Kapitel: Mit Willen dein eigen. 9. Kapitel: Der Verlorne Ring.
10. Kapitel: Gelenkes Leid. 11. Kapitel: Bereit, das äußerste zu erdulden.
12. Kapitel: Christophs Ende. Schluß: In Obervellach.
Ich blättere weiter, da sällt mein Auge aus einen Holzschnitt aus dem
Weißkunig — ich kenne ihn, denn ich habe den schönen Folianten oft in
der Hand gehabt —, weiterhin auf einen Ausschnitt aus einem alten gestochnen
Stadtplan von Venedig, im Vordergründe der Dogenpalast und die Piazza,
dann aus ein herrliches Bildnis des Dogen Leonardo Loredcmo nach einem
Gemälde von Giovanni Bellini, dann auf eine in Holz geschnittene Krönung
Maria aus einem Gebetbuch von 1518, dann auf Dürers Kaiser Max, dann auf
ein schönes Altarbild des Holländers Jan schoret: die Heilige Familie,
mit dein heiligen Christoph und der heiligen Apollonia in den beiden Flügel¬
bildern. Kein Zweifel: trotz der romanhaften Kapitelüberschriften habe ich
keinen Roman vor mir, sondern eine wissenschaftliche Monographie. Der
Gegenstand scheint der deutschen und der italienischen Geschichte im Anfange
des sechzehnten Jahrhunderts anzugehören, und hie und da scheint die Kunst¬
geschichte hereinzuspielen. Aber zum Teufel! Da steht ja über jedem Kapitel
ein Motto aus einer Wagnerschen Oper: ans dem Tannhäuser, dem Lohengrin,
dem Tristan, dem Rheingold, der Walküre, der Götterdämmerung. Hat das
etwas mit dem Inhalt des Buches zu thun, oder ist es bloße Narretei?
Der Ring des Frangipani. Ein Erlebnis von Henry Thode. Frankfurt a. M..
Heinrich Keller, 189S.
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