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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Wie verschieden auch die staatsrechtliche Stellung dieser Länder sein mag,
von denen einige, wie Kanada und Neufundland, Australien, Neuseeland und
die Kapkolonie, sich selbst regieren, andre, wie Indien und seine Dependenzen von
Aden bis zu den Schanländern im Innern von Hinterindien, besondre abhängige
Regierungen habe", endlich die zahllosen kleinen unmittelbar nnter der Krone
stehenden als Kronkolonien, Protektorate, Dependenzen: in dem System der
englischen Weltpolitik ist ihre Stelle ganz gleich. Die kleinsten sind politisch so
wichtig wie die größten; mau denke an Gibraltar, Singapur oder Hongkong.
Von einem zum andern sind die Fäden der Seeherrschnft gesponnen, zu denen
die der Laudherrschaft in deu uoch freien Gebieten Afrikas und Asiens hinzu¬
kommen sollen, wo sie noch nicht angeknüpft sind.

Ans großen Landbesitz waren Englands Kvloniengründungeu ursprünglich
gar nicht angelegt. Handel und Seeherrschaft waren die ersten Ziele. Ein-
wandrung und Kolonisation wurde in manchen Gebieten, wie in den Hnd-
svnsbailünderu, lange Zeit gar nicht gestattet. Das Bedürfnis der an¬
wachsenden und wanderlustigen Jnselbevölkernng hat erst den Landhunger ge¬
schaffen, der die alte phönizische Beschränkung auf Inseln und Küsten durch¬
brach und bei dem zunehmenden nachdrängen der Answandrung und dem
Selteumerden besiedluugsfähiger Erdstriche zum Heißhunger wurde, der in allen
Teilen der Erde freies Lund für noch ungeborne Geschlechter von Engländern
sichern null.

In der Gründung von Handelskvlvnieu und festen Seeplätzen, wie sie
England schon im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts begann, lag so viel
kühner Unternehmungsgeist, und dieses Bestreben hatte damals noch so wenig
Wettbewerber, daß man diesen Besitz als wohlverdient ansehen mag. Er schloß
ja andre Festsetzungen nicht ans, wie die Geschichte Frankreichs, Hollands,
Schwedens, Spaniens und Rußlands in Nordamerika zeigt, obwohl er viele
davon bald zurückdrängte oder verschlang. Anders ist es mit dem Anspruch
auf die Besetzung der zur Ansiedlung oder zur Anlage von Pflanzungen
Passenden Landflächen unsrer Erde, der bei der Beschränktheit dieser Gebiete
einer Ausschließung der Mitbewerber gleichkommt. Lasse" sich diese die Zurück¬
drängung gefallen, so unterzeichnen sie ihre eigue Degradiruug, ihre Ein¬
schließung in ihre alten beschränkten Gebiete, und übergeben förmlich die Welt¬
herrschaft an England und seine Tochtcrvvltcr. Sein Vorgehen in Afrika zeigt,
wie planmäßig die an den verschiedensten Punkten angelegten Siedlungen und
Stützpunkte verbunden werden, wie ganze Strvmsysteme, Niger-Berne, Nil,
Sambesi, umfaßt und zu deu Lebensadern und Herrschaftswegeu wachsender
Gebiete gemacht werden. Die Idee der das Land durchschneidenden Streifen
vom Kap bis Ägypten und von der Nigermündung bis zum obern Nil wieder¬
holt einfach den Plan, nach dem Kanada und Australien augelegt wurden: von
Meer zu Meer. Freie Verbindungen zu schaffen, auf englischem Boden mit eng-


Grenzbvten z ^gg

Wie verschieden auch die staatsrechtliche Stellung dieser Länder sein mag,
von denen einige, wie Kanada und Neufundland, Australien, Neuseeland und
die Kapkolonie, sich selbst regieren, andre, wie Indien und seine Dependenzen von
Aden bis zu den Schanländern im Innern von Hinterindien, besondre abhängige
Regierungen habe», endlich die zahllosen kleinen unmittelbar nnter der Krone
stehenden als Kronkolonien, Protektorate, Dependenzen: in dem System der
englischen Weltpolitik ist ihre Stelle ganz gleich. Die kleinsten sind politisch so
wichtig wie die größten; mau denke an Gibraltar, Singapur oder Hongkong.
Von einem zum andern sind die Fäden der Seeherrschnft gesponnen, zu denen
die der Laudherrschaft in deu uoch freien Gebieten Afrikas und Asiens hinzu¬
kommen sollen, wo sie noch nicht angeknüpft sind.

Ans großen Landbesitz waren Englands Kvloniengründungeu ursprünglich
gar nicht angelegt. Handel und Seeherrschaft waren die ersten Ziele. Ein-
wandrung und Kolonisation wurde in manchen Gebieten, wie in den Hnd-
svnsbailünderu, lange Zeit gar nicht gestattet. Das Bedürfnis der an¬
wachsenden und wanderlustigen Jnselbevölkernng hat erst den Landhunger ge¬
schaffen, der die alte phönizische Beschränkung auf Inseln und Küsten durch¬
brach und bei dem zunehmenden nachdrängen der Answandrung und dem
Selteumerden besiedluugsfähiger Erdstriche zum Heißhunger wurde, der in allen
Teilen der Erde freies Lund für noch ungeborne Geschlechter von Engländern
sichern null.

In der Gründung von Handelskvlvnieu und festen Seeplätzen, wie sie
England schon im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts begann, lag so viel
kühner Unternehmungsgeist, und dieses Bestreben hatte damals noch so wenig
Wettbewerber, daß man diesen Besitz als wohlverdient ansehen mag. Er schloß
ja andre Festsetzungen nicht ans, wie die Geschichte Frankreichs, Hollands,
Schwedens, Spaniens und Rußlands in Nordamerika zeigt, obwohl er viele
davon bald zurückdrängte oder verschlang. Anders ist es mit dem Anspruch
auf die Besetzung der zur Ansiedlung oder zur Anlage von Pflanzungen
Passenden Landflächen unsrer Erde, der bei der Beschränktheit dieser Gebiete
einer Ausschließung der Mitbewerber gleichkommt. Lasse» sich diese die Zurück¬
drängung gefallen, so unterzeichnen sie ihre eigue Degradiruug, ihre Ein¬
schließung in ihre alten beschränkten Gebiete, und übergeben förmlich die Welt¬
herrschaft an England und seine Tochtcrvvltcr. Sein Vorgehen in Afrika zeigt,
wie planmäßig die an den verschiedensten Punkten angelegten Siedlungen und
Stützpunkte verbunden werden, wie ganze Strvmsysteme, Niger-Berne, Nil,
Sambesi, umfaßt und zu deu Lebensadern und Herrschaftswegeu wachsender
Gebiete gemacht werden. Die Idee der das Land durchschneidenden Streifen
vom Kap bis Ägypten und von der Nigermündung bis zum obern Nil wieder¬
holt einfach den Plan, nach dem Kanada und Australien augelegt wurden: von
Meer zu Meer. Freie Verbindungen zu schaffen, auf englischem Boden mit eng-


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[0209] Wie verschieden auch die staatsrechtliche Stellung dieser Länder sein mag, von denen einige, wie Kanada und Neufundland, Australien, Neuseeland und die Kapkolonie, sich selbst regieren, andre, wie Indien und seine Dependenzen von Aden bis zu den Schanländern im Innern von Hinterindien, besondre abhängige Regierungen habe», endlich die zahllosen kleinen unmittelbar nnter der Krone stehenden als Kronkolonien, Protektorate, Dependenzen: in dem System der englischen Weltpolitik ist ihre Stelle ganz gleich. Die kleinsten sind politisch so wichtig wie die größten; mau denke an Gibraltar, Singapur oder Hongkong. Von einem zum andern sind die Fäden der Seeherrschnft gesponnen, zu denen die der Laudherrschaft in deu uoch freien Gebieten Afrikas und Asiens hinzu¬ kommen sollen, wo sie noch nicht angeknüpft sind. Ans großen Landbesitz waren Englands Kvloniengründungeu ursprünglich gar nicht angelegt. Handel und Seeherrschaft waren die ersten Ziele. Ein- wandrung und Kolonisation wurde in manchen Gebieten, wie in den Hnd- svnsbailünderu, lange Zeit gar nicht gestattet. Das Bedürfnis der an¬ wachsenden und wanderlustigen Jnselbevölkernng hat erst den Landhunger ge¬ schaffen, der die alte phönizische Beschränkung auf Inseln und Küsten durch¬ brach und bei dem zunehmenden nachdrängen der Answandrung und dem Selteumerden besiedluugsfähiger Erdstriche zum Heißhunger wurde, der in allen Teilen der Erde freies Lund für noch ungeborne Geschlechter von Engländern sichern null. In der Gründung von Handelskvlvnieu und festen Seeplätzen, wie sie England schon im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts begann, lag so viel kühner Unternehmungsgeist, und dieses Bestreben hatte damals noch so wenig Wettbewerber, daß man diesen Besitz als wohlverdient ansehen mag. Er schloß ja andre Festsetzungen nicht ans, wie die Geschichte Frankreichs, Hollands, Schwedens, Spaniens und Rußlands in Nordamerika zeigt, obwohl er viele davon bald zurückdrängte oder verschlang. Anders ist es mit dem Anspruch auf die Besetzung der zur Ansiedlung oder zur Anlage von Pflanzungen Passenden Landflächen unsrer Erde, der bei der Beschränktheit dieser Gebiete einer Ausschließung der Mitbewerber gleichkommt. Lasse» sich diese die Zurück¬ drängung gefallen, so unterzeichnen sie ihre eigue Degradiruug, ihre Ein¬ schließung in ihre alten beschränkten Gebiete, und übergeben förmlich die Welt¬ herrschaft an England und seine Tochtcrvvltcr. Sein Vorgehen in Afrika zeigt, wie planmäßig die an den verschiedensten Punkten angelegten Siedlungen und Stützpunkte verbunden werden, wie ganze Strvmsysteme, Niger-Berne, Nil, Sambesi, umfaßt und zu deu Lebensadern und Herrschaftswegeu wachsender Gebiete gemacht werden. Die Idee der das Land durchschneidenden Streifen vom Kap bis Ägypten und von der Nigermündung bis zum obern Nil wieder¬ holt einfach den Plan, nach dem Kanada und Australien augelegt wurden: von Meer zu Meer. Freie Verbindungen zu schaffen, auf englischem Boden mit eng- Grenzbvten z ^gg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/209>, abgerufen am 23.07.2024.