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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Hans Sachs und sein Kätzchen

Weise wieder auflebten, wie in dem Meistergesänge das Minnelied, selbstver¬
ständlich in wesentlich veränderten Formen. Die Fechtschule steht dem Turnier
gegenüber wie der Meister- dem Minnegesang, und es war nur natürlich, das;
die Fechtbrüder, wie sie in ihrer Kunst ihren ritterlichen Vorbildern nach¬
eiferten, sich auch gleich ihnen im Versemachen und Reimeschmieden versuchten.
Es hat sich eine große Anzahl solcher Fechtschulreime erhalten, die jedoch auf
litterarische Bedeutung nicht den geringsten Anspruch macheu können.

Hans Sachs stand nun mit den Marxbrüdern auf dem besten Fuße, wie
aus seinem Gedicht: "Fechtspruch, Ankunft und Freyheit der (Feast-) Kunst"
hervorgeht, das ein großes Loblied auf die "Se. Marxeu Bruderschafft" ist,
und das sich wiederum diese zu Nutzen machte, wie unter anderm der "Ehrcu-
tittel der Ritterlichen Freyen Kunst, gestellet durch Christian Rofener, Meister
des Schwertes," aus dem Jahre 1589 zeigt, wo die 250 Verse des Hans
Sachs ohne weiteres und ohne Angabe seiner Autorschaft abgedruckt und von
dem genannten Meister des Schwertes als dessen Eigentum in Anspruch ge¬
nommen werden. *) Die Bedeutung der Anspielung auf unserm Bilde beruht
in dem Umstände, daß der Kaiser el" Privileg verliehen hatte, wonach "die¬
jenigen, welche die ritterliche Kunst (das Fechten) gelernt und gebrauche", was
Marxbrüder sein, einen offenen Helm neben einem starken Lewen führen möchten,"
nämlich den geflügelten Löwen des heiligen Markus, ihres Schutzpatrons.
Dieses ihr Wappentier wurde begreiflicherweise zur Zielscheibe des Spottes
ihrer Nebenbuhler in der edeln Fechtkunst, der Viterbrüder oder Federfechter.
Dies geht aus der Schilderung eines großen Schaufechtens zwischen Marx¬
brüdern und Federfechtern von Frischlin hervor, wo es heißt: Ho8 (die Marx¬
brüder) vulgo <üg,tit)8, illos (die Federfechter) vo^rimninL <>i<und xönnig'öroL,
eine Stelle, die der Magister Veger so übersetzt: "Die Marxbrüder nennens
die Katzen."*")

Hieraus erklärt sich die Situation auf unserm Bilde von selbst. Der
greise Dichter weist mit liebenswürdigem Humor die Zumutung zurück, sich
mit seinem vierbeinigen Hausgenossen, dem grauen Kcitzlein, auf einem Bilde
abkonterfeien zu lassen; man könnte ja sonst darauf verfallen, ihn, den hin¬
fälligen alten Mann, für einen jener wetterharten, kraftstrotzenden Raufbolde
der Markusbrüderschaft zu halten. So zeigt uns der Maler in seinem Bilde,
daß sich der vielgefeierte Dichter bis in sein hohes Alter hinein den frischen,
schalkhaften und treffenden Witz bewahrt hatte, der ihm eigen war.

Es bleibt noch übrig, ein Wort über die Entstehungszeit des Bildes zu
sagen. Von den drei Zeitangaben auf dem Bilde stimmen zwei insofern überein,




") S. Waßmaunsdorff, Sechs Fechtschnlcn, 48 ff. Herr G. Habich hatte die Gute, mich
auf dies Buch aufmerksam zu machen.
Waßmanusdorff, a. a. O. 17.
Hans Sachs und sein Kätzchen

Weise wieder auflebten, wie in dem Meistergesänge das Minnelied, selbstver¬
ständlich in wesentlich veränderten Formen. Die Fechtschule steht dem Turnier
gegenüber wie der Meister- dem Minnegesang, und es war nur natürlich, das;
die Fechtbrüder, wie sie in ihrer Kunst ihren ritterlichen Vorbildern nach¬
eiferten, sich auch gleich ihnen im Versemachen und Reimeschmieden versuchten.
Es hat sich eine große Anzahl solcher Fechtschulreime erhalten, die jedoch auf
litterarische Bedeutung nicht den geringsten Anspruch macheu können.

Hans Sachs stand nun mit den Marxbrüdern auf dem besten Fuße, wie
aus seinem Gedicht: „Fechtspruch, Ankunft und Freyheit der (Feast-) Kunst"
hervorgeht, das ein großes Loblied auf die „Se. Marxeu Bruderschafft" ist,
und das sich wiederum diese zu Nutzen machte, wie unter anderm der „Ehrcu-
tittel der Ritterlichen Freyen Kunst, gestellet durch Christian Rofener, Meister
des Schwertes," aus dem Jahre 1589 zeigt, wo die 250 Verse des Hans
Sachs ohne weiteres und ohne Angabe seiner Autorschaft abgedruckt und von
dem genannten Meister des Schwertes als dessen Eigentum in Anspruch ge¬
nommen werden. *) Die Bedeutung der Anspielung auf unserm Bilde beruht
in dem Umstände, daß der Kaiser el» Privileg verliehen hatte, wonach „die¬
jenigen, welche die ritterliche Kunst (das Fechten) gelernt und gebrauche», was
Marxbrüder sein, einen offenen Helm neben einem starken Lewen führen möchten,"
nämlich den geflügelten Löwen des heiligen Markus, ihres Schutzpatrons.
Dieses ihr Wappentier wurde begreiflicherweise zur Zielscheibe des Spottes
ihrer Nebenbuhler in der edeln Fechtkunst, der Viterbrüder oder Federfechter.
Dies geht aus der Schilderung eines großen Schaufechtens zwischen Marx¬
brüdern und Federfechtern von Frischlin hervor, wo es heißt: Ho8 (die Marx¬
brüder) vulgo <üg,tit)8, illos (die Federfechter) vo^rimninL <>i<und xönnig'öroL,
eine Stelle, die der Magister Veger so übersetzt: „Die Marxbrüder nennens
die Katzen."*")

Hieraus erklärt sich die Situation auf unserm Bilde von selbst. Der
greise Dichter weist mit liebenswürdigem Humor die Zumutung zurück, sich
mit seinem vierbeinigen Hausgenossen, dem grauen Kcitzlein, auf einem Bilde
abkonterfeien zu lassen; man könnte ja sonst darauf verfallen, ihn, den hin¬
fälligen alten Mann, für einen jener wetterharten, kraftstrotzenden Raufbolde
der Markusbrüderschaft zu halten. So zeigt uns der Maler in seinem Bilde,
daß sich der vielgefeierte Dichter bis in sein hohes Alter hinein den frischen,
schalkhaften und treffenden Witz bewahrt hatte, der ihm eigen war.

Es bleibt noch übrig, ein Wort über die Entstehungszeit des Bildes zu
sagen. Von den drei Zeitangaben auf dem Bilde stimmen zwei insofern überein,




") S. Waßmaunsdorff, Sechs Fechtschnlcn, 48 ff. Herr G. Habich hatte die Gute, mich
auf dies Buch aufmerksam zu machen.
Waßmanusdorff, a. a. O. 17.
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[0181] Hans Sachs und sein Kätzchen Weise wieder auflebten, wie in dem Meistergesänge das Minnelied, selbstver¬ ständlich in wesentlich veränderten Formen. Die Fechtschule steht dem Turnier gegenüber wie der Meister- dem Minnegesang, und es war nur natürlich, das; die Fechtbrüder, wie sie in ihrer Kunst ihren ritterlichen Vorbildern nach¬ eiferten, sich auch gleich ihnen im Versemachen und Reimeschmieden versuchten. Es hat sich eine große Anzahl solcher Fechtschulreime erhalten, die jedoch auf litterarische Bedeutung nicht den geringsten Anspruch macheu können. Hans Sachs stand nun mit den Marxbrüdern auf dem besten Fuße, wie aus seinem Gedicht: „Fechtspruch, Ankunft und Freyheit der (Feast-) Kunst" hervorgeht, das ein großes Loblied auf die „Se. Marxeu Bruderschafft" ist, und das sich wiederum diese zu Nutzen machte, wie unter anderm der „Ehrcu- tittel der Ritterlichen Freyen Kunst, gestellet durch Christian Rofener, Meister des Schwertes," aus dem Jahre 1589 zeigt, wo die 250 Verse des Hans Sachs ohne weiteres und ohne Angabe seiner Autorschaft abgedruckt und von dem genannten Meister des Schwertes als dessen Eigentum in Anspruch ge¬ nommen werden. *) Die Bedeutung der Anspielung auf unserm Bilde beruht in dem Umstände, daß der Kaiser el» Privileg verliehen hatte, wonach „die¬ jenigen, welche die ritterliche Kunst (das Fechten) gelernt und gebrauche», was Marxbrüder sein, einen offenen Helm neben einem starken Lewen führen möchten," nämlich den geflügelten Löwen des heiligen Markus, ihres Schutzpatrons. Dieses ihr Wappentier wurde begreiflicherweise zur Zielscheibe des Spottes ihrer Nebenbuhler in der edeln Fechtkunst, der Viterbrüder oder Federfechter. Dies geht aus der Schilderung eines großen Schaufechtens zwischen Marx¬ brüdern und Federfechtern von Frischlin hervor, wo es heißt: Ho8 (die Marx¬ brüder) vulgo <üg,tit)8, illos (die Federfechter) vo^rimninL <>i<und xönnig'öroL, eine Stelle, die der Magister Veger so übersetzt: „Die Marxbrüder nennens die Katzen."*") Hieraus erklärt sich die Situation auf unserm Bilde von selbst. Der greise Dichter weist mit liebenswürdigem Humor die Zumutung zurück, sich mit seinem vierbeinigen Hausgenossen, dem grauen Kcitzlein, auf einem Bilde abkonterfeien zu lassen; man könnte ja sonst darauf verfallen, ihn, den hin¬ fälligen alten Mann, für einen jener wetterharten, kraftstrotzenden Raufbolde der Markusbrüderschaft zu halten. So zeigt uns der Maler in seinem Bilde, daß sich der vielgefeierte Dichter bis in sein hohes Alter hinein den frischen, schalkhaften und treffenden Witz bewahrt hatte, der ihm eigen war. Es bleibt noch übrig, ein Wort über die Entstehungszeit des Bildes zu sagen. Von den drei Zeitangaben auf dem Bilde stimmen zwei insofern überein, ") S. Waßmaunsdorff, Sechs Fechtschnlcn, 48 ff. Herr G. Habich hatte die Gute, mich auf dies Buch aufmerksam zu machen. Waßmanusdorff, a. a. O. 17.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/181>, abgerufen am 23.07.2024.