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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Hans Sachs und sein Kätzchen

kurze Erwähnung bei Nagler,") der das Bild offenbar gar nicht gesehen hat,
beruht nnr auf Schönemann.

Dieses Bild, schon seit längerer, aber nicht näher zu bestimmender Zeit
im Besitze der Wolfenbütteler Bibliothek, ist ans Holz gemalt, 54 Centimeter
breit und 47 Centimeter hoch. DerMaler hat'.darauf sich selbst dargestellt, wie
er beschäftigt ist, den ihm gegenüber sitzenden Dichter möglichst naturgetreu auf
die Leinewand oder das Holzbrett zu bringen. Hans Sachs sitzt links von
dem Beschauer, in grauem, pelzverbrümten Hausrock mit Weißen Ärmeln und
weißer Halskrause, an einem Schreibtische, die Feder in der Hand, aber er
schreibt nicht, fondern wendet das nach vorn gehaltene Gesicht mit dem
spärlichen Weißen Haupthaar und dem langen weißen, unten spitz zulaufenden
Bart zu zwei Dritteln dem Beschauer zu. Der Gesichtsausdruck ist sinnend
und wohlwollend, und die klugen blauen Augen schauen unter den struppigen
weißen Augenbrauen so hell und klar in die Welt, als wenn nicht über achtzig
Jahre an ihnen vorübergezogen wären. Auf dem Tische, der das Schreibepult
trägt, steht ein Tintenfaß mit eingetauchter Feder, links davon liegt ein aufge¬
schlagnes Buch, rechts ein Papierblatt, auf dem geschrieben steht: "Zway moral
81 lar alte Warte ich Hans Sachs in diser Gestalt Von Endres Herneisen
abgemalt." Auf dem Pult aber, an dem sich der Dichter anschickt zu schreiben,
spaziert mit erhobnen Schwanz ein graues Kätzchen einher.

Dem Meistersänger gegenüber, rechts auf dein Bilde, erblickt man den
Maler auf einem hölzernen Schemel, um dessen Sitzrand die Worte: "Endres
Herneisen. 1576." herumlaufen. Er ist bei seiner Arbeit beschäftigt, wendet
aber gleichfalls sein Gesicht dem Beschauer zu, sodaß er ein genaues Gegen¬
stück zu seinem Gegenüber bildet, dessen Züge er wiederzugeben und der Nach¬
welt zu überliefern bemüht ist. Gekleidet ist er in die damals gebräuchliche
spanische Tracht, schwarzes Wams und enganschließende Hosen von gleicher
Farbe. Auf dem von braunem Bart umsäumten und von einer weißen Hals¬
krause umschlossenen Haupte trägt er ein schwarzes, nach vorn in eiuer Schneppe
auslaufendes Barett. In der linken Hand hält er die mit einer Anzahl von
Pinseln gespickte Palette, während die rechte Hand mit einem Pinsel die letzten
Striche an dem vor ihm auf dem Tische stehenden verkleinerten Porträt des
Dichters ausführt. Dieses kleinere Porträt ist eine genaue Wiedergabe des
größern, nur mit etwas verdrießlicherm oder doch ernsteren Gesichtsausdruck.
Auf ihm hat der Künstler gerade über dein Kopfe von Hans Sachs sein Mono¬
gramm , darüber die Jahreszahl 1574 angebracht. Die Umgebung, in
die die beiden Personen gestellt sind, bildet das Wohngemach Hans Sachsens.
Wollte man auch annehmen, daß der Maler beabsichtigt hätte, in den beiden
Personen seines Bildes gewissermaßen Typen der durch sie vertretnen Nich-



Monogrcmimisten, 1, a. a. O,
Hans Sachs und sein Kätzchen

kurze Erwähnung bei Nagler,") der das Bild offenbar gar nicht gesehen hat,
beruht nnr auf Schönemann.

Dieses Bild, schon seit längerer, aber nicht näher zu bestimmender Zeit
im Besitze der Wolfenbütteler Bibliothek, ist ans Holz gemalt, 54 Centimeter
breit und 47 Centimeter hoch. DerMaler hat'.darauf sich selbst dargestellt, wie
er beschäftigt ist, den ihm gegenüber sitzenden Dichter möglichst naturgetreu auf
die Leinewand oder das Holzbrett zu bringen. Hans Sachs sitzt links von
dem Beschauer, in grauem, pelzverbrümten Hausrock mit Weißen Ärmeln und
weißer Halskrause, an einem Schreibtische, die Feder in der Hand, aber er
schreibt nicht, fondern wendet das nach vorn gehaltene Gesicht mit dem
spärlichen Weißen Haupthaar und dem langen weißen, unten spitz zulaufenden
Bart zu zwei Dritteln dem Beschauer zu. Der Gesichtsausdruck ist sinnend
und wohlwollend, und die klugen blauen Augen schauen unter den struppigen
weißen Augenbrauen so hell und klar in die Welt, als wenn nicht über achtzig
Jahre an ihnen vorübergezogen wären. Auf dem Tische, der das Schreibepult
trägt, steht ein Tintenfaß mit eingetauchter Feder, links davon liegt ein aufge¬
schlagnes Buch, rechts ein Papierblatt, auf dem geschrieben steht: „Zway moral
81 lar alte Warte ich Hans Sachs in diser Gestalt Von Endres Herneisen
abgemalt." Auf dem Pult aber, an dem sich der Dichter anschickt zu schreiben,
spaziert mit erhobnen Schwanz ein graues Kätzchen einher.

Dem Meistersänger gegenüber, rechts auf dein Bilde, erblickt man den
Maler auf einem hölzernen Schemel, um dessen Sitzrand die Worte: „Endres
Herneisen. 1576." herumlaufen. Er ist bei seiner Arbeit beschäftigt, wendet
aber gleichfalls sein Gesicht dem Beschauer zu, sodaß er ein genaues Gegen¬
stück zu seinem Gegenüber bildet, dessen Züge er wiederzugeben und der Nach¬
welt zu überliefern bemüht ist. Gekleidet ist er in die damals gebräuchliche
spanische Tracht, schwarzes Wams und enganschließende Hosen von gleicher
Farbe. Auf dem von braunem Bart umsäumten und von einer weißen Hals¬
krause umschlossenen Haupte trägt er ein schwarzes, nach vorn in eiuer Schneppe
auslaufendes Barett. In der linken Hand hält er die mit einer Anzahl von
Pinseln gespickte Palette, während die rechte Hand mit einem Pinsel die letzten
Striche an dem vor ihm auf dem Tische stehenden verkleinerten Porträt des
Dichters ausführt. Dieses kleinere Porträt ist eine genaue Wiedergabe des
größern, nur mit etwas verdrießlicherm oder doch ernsteren Gesichtsausdruck.
Auf ihm hat der Künstler gerade über dein Kopfe von Hans Sachs sein Mono¬
gramm , darüber die Jahreszahl 1574 angebracht. Die Umgebung, in
die die beiden Personen gestellt sind, bildet das Wohngemach Hans Sachsens.
Wollte man auch annehmen, daß der Maler beabsichtigt hätte, in den beiden
Personen seines Bildes gewissermaßen Typen der durch sie vertretnen Nich-



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[0179] Hans Sachs und sein Kätzchen kurze Erwähnung bei Nagler,") der das Bild offenbar gar nicht gesehen hat, beruht nnr auf Schönemann. Dieses Bild, schon seit längerer, aber nicht näher zu bestimmender Zeit im Besitze der Wolfenbütteler Bibliothek, ist ans Holz gemalt, 54 Centimeter breit und 47 Centimeter hoch. DerMaler hat'.darauf sich selbst dargestellt, wie er beschäftigt ist, den ihm gegenüber sitzenden Dichter möglichst naturgetreu auf die Leinewand oder das Holzbrett zu bringen. Hans Sachs sitzt links von dem Beschauer, in grauem, pelzverbrümten Hausrock mit Weißen Ärmeln und weißer Halskrause, an einem Schreibtische, die Feder in der Hand, aber er schreibt nicht, fondern wendet das nach vorn gehaltene Gesicht mit dem spärlichen Weißen Haupthaar und dem langen weißen, unten spitz zulaufenden Bart zu zwei Dritteln dem Beschauer zu. Der Gesichtsausdruck ist sinnend und wohlwollend, und die klugen blauen Augen schauen unter den struppigen weißen Augenbrauen so hell und klar in die Welt, als wenn nicht über achtzig Jahre an ihnen vorübergezogen wären. Auf dem Tische, der das Schreibepult trägt, steht ein Tintenfaß mit eingetauchter Feder, links davon liegt ein aufge¬ schlagnes Buch, rechts ein Papierblatt, auf dem geschrieben steht: „Zway moral 81 lar alte Warte ich Hans Sachs in diser Gestalt Von Endres Herneisen abgemalt." Auf dem Pult aber, an dem sich der Dichter anschickt zu schreiben, spaziert mit erhobnen Schwanz ein graues Kätzchen einher. Dem Meistersänger gegenüber, rechts auf dein Bilde, erblickt man den Maler auf einem hölzernen Schemel, um dessen Sitzrand die Worte: „Endres Herneisen. 1576." herumlaufen. Er ist bei seiner Arbeit beschäftigt, wendet aber gleichfalls sein Gesicht dem Beschauer zu, sodaß er ein genaues Gegen¬ stück zu seinem Gegenüber bildet, dessen Züge er wiederzugeben und der Nach¬ welt zu überliefern bemüht ist. Gekleidet ist er in die damals gebräuchliche spanische Tracht, schwarzes Wams und enganschließende Hosen von gleicher Farbe. Auf dem von braunem Bart umsäumten und von einer weißen Hals¬ krause umschlossenen Haupte trägt er ein schwarzes, nach vorn in eiuer Schneppe auslaufendes Barett. In der linken Hand hält er die mit einer Anzahl von Pinseln gespickte Palette, während die rechte Hand mit einem Pinsel die letzten Striche an dem vor ihm auf dem Tische stehenden verkleinerten Porträt des Dichters ausführt. Dieses kleinere Porträt ist eine genaue Wiedergabe des größern, nur mit etwas verdrießlicherm oder doch ernsteren Gesichtsausdruck. Auf ihm hat der Künstler gerade über dein Kopfe von Hans Sachs sein Mono¬ gramm , darüber die Jahreszahl 1574 angebracht. Die Umgebung, in die die beiden Personen gestellt sind, bildet das Wohngemach Hans Sachsens. Wollte man auch annehmen, daß der Maler beabsichtigt hätte, in den beiden Personen seines Bildes gewissermaßen Typen der durch sie vertretnen Nich- Monogrcmimisten, 1, a. a. O,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/179>, abgerufen am 23.07.2024.