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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Auch ein Einbänder

lediglich ein mir, daß es Dir nicht zugekommen. Habe deßhalb herzlichen Danck
und sei milde in der Gesinnung gegen einen der allezeit durch den Unstern seines
Geschickes ein schlechter Zahler gewesen. Sehr leid thut es mir, daß ich mit
Vogts nicht näher zusammen gekommen bin. Der Teufel hat hier mit tausend¬
facher Beschäftigung, oft um die kleinsten Dinge dergestalt sein Spiel, daß man
zu dem nicht kommt, was die Seele wünscht. Grüße sie herzlich vou mir.




Auch ein Ginbänder

s war ein süßes klagendes Tönen, welches mit dem helltrüben Licht
des Mondes sich (!) verschlang, daß der Ton zu einer müden
Farbe wurde und das Licht in ein musikalisches Klingen sich (!)
auflöste.

So steht zu lesen in einer Liebesgeschichte des Herrn Julius
Hart, der er deu Titel "Sehnsucht" gegeben hat. Wenn der Verfasser der
"Sprachdnmmheiten" Lust und Zeit hätte, so könnte er auf wenigen Seiten
noch viele Stellen finden, die den angeführten Worten an Überspannung des
Ausdrucks und Gesuchtheit der Bilder um nichts nachstehen. Aber er wird
sich wohl hüten, in dem leeren Zeug hcrumzukramen.

Der Name Julius Harls steht in der Reihe der Journalisten, die in
Berlin den geistigen Bedarf des Volks Herrichten, nicht unten an. Seit Grün¬
dung der Täglichen Rundschau war er in Sachen der Litteratur und Kunst
ein thätiger Förderer dieser Zeitung. Besonders in der Bekämpfung des Klassi¬
zismus hat er Großes geleistet, er stand da unter den Rufern im Streit in
vorderster Reihe. Wenn Friedrich Lange, der Herausgeber der Rundschau, und
Verfasser des gleich nach seiner Geburt selig entschlafnen "Lothar," der Lehrer¬
schaft in der Schule auf den Dienst paßte und ihr den Stand aus der Jacke
klopfte, so kritisirte Julius Hart die Erzeugnisse der Schulmeister, Ac sich in
Gestalt vou Dramen oder andern Dichtungen an die Öffentlichkeit wagten, und
wehe ihnen, wenn sie in der von Lessing und andern überlieferten Form noch
etwas Tüchtiges zu leisten vermeinten! Was wie Schillersche "Rhetorik"
aussah, verursachte ihm Kopfschmerz, ein Monolog nach dem alten Rezept
Bauchgrimmen und Übelkeit, und wer gar seinem Dialog die Form des fünf¬
füßigen Jambus gab, deu hätte er am liebsten als öffentlichen Krankheits¬
erreger denunzirt.

In dem Neste der Täglichen Rundschau oder wenigstens nicht weit davon
ist auch das jüngste litterarische Küken, die "Moderne," aus dem El gekrochen,


Auch ein Einbänder

lediglich ein mir, daß es Dir nicht zugekommen. Habe deßhalb herzlichen Danck
und sei milde in der Gesinnung gegen einen der allezeit durch den Unstern seines
Geschickes ein schlechter Zahler gewesen. Sehr leid thut es mir, daß ich mit
Vogts nicht näher zusammen gekommen bin. Der Teufel hat hier mit tausend¬
facher Beschäftigung, oft um die kleinsten Dinge dergestalt sein Spiel, daß man
zu dem nicht kommt, was die Seele wünscht. Grüße sie herzlich vou mir.




Auch ein Ginbänder

s war ein süßes klagendes Tönen, welches mit dem helltrüben Licht
des Mondes sich (!) verschlang, daß der Ton zu einer müden
Farbe wurde und das Licht in ein musikalisches Klingen sich (!)
auflöste.

So steht zu lesen in einer Liebesgeschichte des Herrn Julius
Hart, der er deu Titel „Sehnsucht" gegeben hat. Wenn der Verfasser der
„Sprachdnmmheiten" Lust und Zeit hätte, so könnte er auf wenigen Seiten
noch viele Stellen finden, die den angeführten Worten an Überspannung des
Ausdrucks und Gesuchtheit der Bilder um nichts nachstehen. Aber er wird
sich wohl hüten, in dem leeren Zeug hcrumzukramen.

Der Name Julius Harls steht in der Reihe der Journalisten, die in
Berlin den geistigen Bedarf des Volks Herrichten, nicht unten an. Seit Grün¬
dung der Täglichen Rundschau war er in Sachen der Litteratur und Kunst
ein thätiger Förderer dieser Zeitung. Besonders in der Bekämpfung des Klassi¬
zismus hat er Großes geleistet, er stand da unter den Rufern im Streit in
vorderster Reihe. Wenn Friedrich Lange, der Herausgeber der Rundschau, und
Verfasser des gleich nach seiner Geburt selig entschlafnen „Lothar," der Lehrer¬
schaft in der Schule auf den Dienst paßte und ihr den Stand aus der Jacke
klopfte, so kritisirte Julius Hart die Erzeugnisse der Schulmeister, Ac sich in
Gestalt vou Dramen oder andern Dichtungen an die Öffentlichkeit wagten, und
wehe ihnen, wenn sie in der von Lessing und andern überlieferten Form noch
etwas Tüchtiges zu leisten vermeinten! Was wie Schillersche „Rhetorik"
aussah, verursachte ihm Kopfschmerz, ein Monolog nach dem alten Rezept
Bauchgrimmen und Übelkeit, und wer gar seinem Dialog die Form des fünf¬
füßigen Jambus gab, deu hätte er am liebsten als öffentlichen Krankheits¬
erreger denunzirt.

In dem Neste der Täglichen Rundschau oder wenigstens nicht weit davon
ist auch das jüngste litterarische Küken, die „Moderne," aus dem El gekrochen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/72>, abgerufen am 22.07.2024.