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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Eine neue Karte des deutschen Reichs

geographische Institut in Florenz vor einigen Jahren in 21 Blättern ver¬
öffentlicht hat. Im deutschen Reiche ist, dank unsern frühern politischen
Zuständen, ein einheitliches amtliches Werk dieser Art bis jetzt nicht vor¬
handen; das einzige Karteuwerk, das in gleicher Ausführung das ganze Reich
umfaßt und seiner Vollendung wenigstens nicht mehr gar zu fern steht, ist
die "Karte des deutschen Reichs" im Maßstab 1 : 100000 und in 674 Blättern.
Von Karten kleinern Maßstabs ist wohl noch die Reymannische im halben
Maßstab da, die seit zwanzig Jahren ebenfalls von Staats wegen fortgesetzt
wird, deren ältere Blätter aber heutigen Ansprüchen kaum genügen, während
die Vollendung der ganzen Karte noch in weitem Felde steht. Fertige amt¬
liche Generalkarteu und Übersichtskarten in deu Maßstäben 1:200000 bis
500000 besitzen nur die einzelnen süddeutschen Staaten; z. B. hat Württem¬
berg schon vor Jahrzehnten eine Generalkarte im Maßstab 1 : 200000 und
in 4 Blättern erhalten, die gegenwärtig durch eine schöne neue Karte in dem¬
selben Maßstab und 6 Blättern ersetzt wird, wobei nur leider fraglich ist, ob
auch die Jüngern von uns den Abschluß erleben werden, und daneben giebt
es noch ein gutes Übersichtsblatt in halb so großem Maßstab. Der preußische
Generalstab hat freilich schon vor mehr als vierzig Jahren eine Militärkarte
von Zentralenropa in 1 : 500000 begonnen, die ans Z0 Blätter berechnet war,
aber nur zu einem Viertel dieses geplanten Umfangs gediehen ist.

Diese Lücke haben nun Perthes und Vogel und ihre Mitarbeiter aus¬
gefüllt, und Reich und Volk haben Grund, mit dieser "Methode" zufrieden zu
sein. Seien wir froh, daß wir, in der Zeit der Vcrstnatlichuugen, ein
Privatinstitnt haben, das eine solche Aufgabe auf sich nehmen und in der
Weise, wie es hier geschehen ist, durchführen konnte und wollte.

Eine Karte ist von zwei Standpunkten aus zu beurteilen: nach der Rich¬
tigkeit ihrer Darstellung und nach der Lesbarkeit. Deutlichkeit und Schön¬
heit ihrer Darstellung.

Während bei einem Plan in großem Maßstab, z.B. 1:2000, der noch
alle, auch die kleinsten Eigentumsstücke an Grund und Boden deutlich aus¬
einander halten und die Oberflächenformen durch Höhenlinien von ganz be¬
liebig weit zu treibender Genauigkeit darstellen kanii, nur die geometrische Nich¬
tigkeit in Betracht kommt, und dieser Wertmesser, von Einzelheiten, wie den
notwendig zu breit darzustellenden Straßen u. s. w. abgesehen, im ganzen auch
noch z. B. für topographische Karten größten Maßstabs (1 : 25000) ausreicht,
verlangt die "Richtigkeit" einer Karte kleinern Maßstabs noch andre Dinge:
es handelt sich vor allem um richtige Verallgemeinerung der zu feinen Linieu-
krümmuugeu und richtige Auswahl des Lagenplans im Wege- und Flußnetz
und ganz besonders um richtige Verallgemeinerung der in Karten größern
Maßstabs enthaltnen feinen Modelliruug der Bodeuformcn. Wenige Leser
haben wohl eine richtige Vorstellung davon, welche Arbeit eine in dieser Be-


Eine neue Karte des deutschen Reichs

geographische Institut in Florenz vor einigen Jahren in 21 Blättern ver¬
öffentlicht hat. Im deutschen Reiche ist, dank unsern frühern politischen
Zuständen, ein einheitliches amtliches Werk dieser Art bis jetzt nicht vor¬
handen; das einzige Karteuwerk, das in gleicher Ausführung das ganze Reich
umfaßt und seiner Vollendung wenigstens nicht mehr gar zu fern steht, ist
die „Karte des deutschen Reichs" im Maßstab 1 : 100000 und in 674 Blättern.
Von Karten kleinern Maßstabs ist wohl noch die Reymannische im halben
Maßstab da, die seit zwanzig Jahren ebenfalls von Staats wegen fortgesetzt
wird, deren ältere Blätter aber heutigen Ansprüchen kaum genügen, während
die Vollendung der ganzen Karte noch in weitem Felde steht. Fertige amt¬
liche Generalkarteu und Übersichtskarten in deu Maßstäben 1:200000 bis
500000 besitzen nur die einzelnen süddeutschen Staaten; z. B. hat Württem¬
berg schon vor Jahrzehnten eine Generalkarte im Maßstab 1 : 200000 und
in 4 Blättern erhalten, die gegenwärtig durch eine schöne neue Karte in dem¬
selben Maßstab und 6 Blättern ersetzt wird, wobei nur leider fraglich ist, ob
auch die Jüngern von uns den Abschluß erleben werden, und daneben giebt
es noch ein gutes Übersichtsblatt in halb so großem Maßstab. Der preußische
Generalstab hat freilich schon vor mehr als vierzig Jahren eine Militärkarte
von Zentralenropa in 1 : 500000 begonnen, die ans Z0 Blätter berechnet war,
aber nur zu einem Viertel dieses geplanten Umfangs gediehen ist.

Diese Lücke haben nun Perthes und Vogel und ihre Mitarbeiter aus¬
gefüllt, und Reich und Volk haben Grund, mit dieser „Methode" zufrieden zu
sein. Seien wir froh, daß wir, in der Zeit der Vcrstnatlichuugen, ein
Privatinstitnt haben, das eine solche Aufgabe auf sich nehmen und in der
Weise, wie es hier geschehen ist, durchführen konnte und wollte.

Eine Karte ist von zwei Standpunkten aus zu beurteilen: nach der Rich¬
tigkeit ihrer Darstellung und nach der Lesbarkeit. Deutlichkeit und Schön¬
heit ihrer Darstellung.

Während bei einem Plan in großem Maßstab, z.B. 1:2000, der noch
alle, auch die kleinsten Eigentumsstücke an Grund und Boden deutlich aus¬
einander halten und die Oberflächenformen durch Höhenlinien von ganz be¬
liebig weit zu treibender Genauigkeit darstellen kanii, nur die geometrische Nich¬
tigkeit in Betracht kommt, und dieser Wertmesser, von Einzelheiten, wie den
notwendig zu breit darzustellenden Straßen u. s. w. abgesehen, im ganzen auch
noch z. B. für topographische Karten größten Maßstabs (1 : 25000) ausreicht,
verlangt die „Richtigkeit" einer Karte kleinern Maßstabs noch andre Dinge:
es handelt sich vor allem um richtige Verallgemeinerung der zu feinen Linieu-
krümmuugeu und richtige Auswahl des Lagenplans im Wege- und Flußnetz
und ganz besonders um richtige Verallgemeinerung der in Karten größern
Maßstabs enthaltnen feinen Modelliruug der Bodeuformcn. Wenige Leser
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[0635] Eine neue Karte des deutschen Reichs geographische Institut in Florenz vor einigen Jahren in 21 Blättern ver¬ öffentlicht hat. Im deutschen Reiche ist, dank unsern frühern politischen Zuständen, ein einheitliches amtliches Werk dieser Art bis jetzt nicht vor¬ handen; das einzige Karteuwerk, das in gleicher Ausführung das ganze Reich umfaßt und seiner Vollendung wenigstens nicht mehr gar zu fern steht, ist die „Karte des deutschen Reichs" im Maßstab 1 : 100000 und in 674 Blättern. Von Karten kleinern Maßstabs ist wohl noch die Reymannische im halben Maßstab da, die seit zwanzig Jahren ebenfalls von Staats wegen fortgesetzt wird, deren ältere Blätter aber heutigen Ansprüchen kaum genügen, während die Vollendung der ganzen Karte noch in weitem Felde steht. Fertige amt¬ liche Generalkarteu und Übersichtskarten in deu Maßstäben 1:200000 bis 500000 besitzen nur die einzelnen süddeutschen Staaten; z. B. hat Württem¬ berg schon vor Jahrzehnten eine Generalkarte im Maßstab 1 : 200000 und in 4 Blättern erhalten, die gegenwärtig durch eine schöne neue Karte in dem¬ selben Maßstab und 6 Blättern ersetzt wird, wobei nur leider fraglich ist, ob auch die Jüngern von uns den Abschluß erleben werden, und daneben giebt es noch ein gutes Übersichtsblatt in halb so großem Maßstab. Der preußische Generalstab hat freilich schon vor mehr als vierzig Jahren eine Militärkarte von Zentralenropa in 1 : 500000 begonnen, die ans Z0 Blätter berechnet war, aber nur zu einem Viertel dieses geplanten Umfangs gediehen ist. Diese Lücke haben nun Perthes und Vogel und ihre Mitarbeiter aus¬ gefüllt, und Reich und Volk haben Grund, mit dieser „Methode" zufrieden zu sein. Seien wir froh, daß wir, in der Zeit der Vcrstnatlichuugen, ein Privatinstitnt haben, das eine solche Aufgabe auf sich nehmen und in der Weise, wie es hier geschehen ist, durchführen konnte und wollte. Eine Karte ist von zwei Standpunkten aus zu beurteilen: nach der Rich¬ tigkeit ihrer Darstellung und nach der Lesbarkeit. Deutlichkeit und Schön¬ heit ihrer Darstellung. Während bei einem Plan in großem Maßstab, z.B. 1:2000, der noch alle, auch die kleinsten Eigentumsstücke an Grund und Boden deutlich aus¬ einander halten und die Oberflächenformen durch Höhenlinien von ganz be¬ liebig weit zu treibender Genauigkeit darstellen kanii, nur die geometrische Nich¬ tigkeit in Betracht kommt, und dieser Wertmesser, von Einzelheiten, wie den notwendig zu breit darzustellenden Straßen u. s. w. abgesehen, im ganzen auch noch z. B. für topographische Karten größten Maßstabs (1 : 25000) ausreicht, verlangt die „Richtigkeit" einer Karte kleinern Maßstabs noch andre Dinge: es handelt sich vor allem um richtige Verallgemeinerung der zu feinen Linieu- krümmuugeu und richtige Auswahl des Lagenplans im Wege- und Flußnetz und ganz besonders um richtige Verallgemeinerung der in Karten größern Maßstabs enthaltnen feinen Modelliruug der Bodeuformcn. Wenige Leser haben wohl eine richtige Vorstellung davon, welche Arbeit eine in dieser Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/635>, abgerufen am 04.07.2024.