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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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sondern anch in viel wichtigern, ja in den wichtigsten Angelegenheiten des
Lebens. Maßlose, weder durch Mitleid, noch durch irgend eine andre mensch¬
liche Tugend eingeschränkte Ansammlung von Geld, Ausbeutung des Volks
durch Schacher und Wucher, renommistische Zurschaustellung des Reichtums
in eilten Dingen des Lebens, die nicht innerlich sind, brutale Nichtachtung der
Ehre und ebenso brutale Unterdrückung der Rechte andrer kann man nicht
gerade bescheiden nennen. Sollen wir noch andre ebenso unliebenswürdige
Eigenschaften Israels nennen, Eigenschaften, die schon den Ägyptern unleidlich
waren und den heiligen Zorn ihrer eignen Propheten erregten? Wir können
aller andern entraten, mir an die jüdische Unduldsamkeit andern Bekenntnissen
gegenüber mag hier noch einmal erinnert werden. Der Freisinn pflegt über
diesen Punkt mit Stillschweigen hinwegzugehen, weil bekanntlich den Weisen
der Welt die Thatsache eine Thorheit ist. Aber sie wird hierdurch nicht aus
dem Wege geschafft, auch verliert sie deshalb uicht an Bedeutung. Denn es
kann nicht geleugnet werden, daß allen Bethätigungen christlichen Lebens der
eine Teil der Judenschaft mit Hohn und Spott, der andre mit einer Feind¬
schaft begegnet, der es nur an der Möglichkeit fehlt, alsbald die Verfolgung
mit der Schärfe des Schwerts zu beginnen.

Die Juden müssen bescheidner werden, hat Stöcker gesagt. Vielleicht ist
an diesen Worten uur die Bescheidenheit des Ausdrucks zu tadeln. Was Hütte
er im übrigen sagen sollen? Sollte er sagen, sie müßten demütiger, gerechter,
maßvoller, weniger eitel, sie müßten enthaltsamer in ihren Lüsten und in der
Anhäufung von Geld werden, sie müßten vor allem auch zurückhaltender in
der Betonung ihres nationalen und sittlichen Wertes werden? Gewiß, alles
dieses und noch mehr hätte er sagen können, aber man wollte eine bündige
Antwort, und in dem Begriffe "bescheiden" liegt alles andre umschlossen.
sprachlich ist der Hofprediger den Herren vom Freisinn ohne Zweifel über,
denn sonst hätten sie sich doch wohl besonnen, bevor sie sich einer so unzeit¬
gemäßer Spottlust überließen. Man darf sich den Stöckerschen Ausdruck dreist
zu eigen machen. Die Juden müssen wirklich bescheidner werden. Das deutsche
Volk steht vor der Wahl, entweder Zwang auf die fremden Eindringlinge zu
legen oder sich selbst aufzugeben.

Aber was für einen Zwang? Der Freisinn möchte ohne Zweifel gar zu
gern, daß wir dabei an mittelalterliche Judenverfolgung dächte". Aber wir
thun ihm den Gefallen nicht. Nicht einmal das ist unsre Meinung, die liberale
Gesetzgebung wieder aufzuheben und den Juden die ihnen vom Staate ge¬
währleisteten Rechte zu nehmen. In den aufgeregtem Elementen des Anti¬
semitismus, denen das Herz mit dem Kopfe dcwonlänft, mögen solche Ge¬
danken rumoren, aber man braucht gar kein Mitglied dieses Bundes zu sein,
um seinen Mitgliedern die Versicherung geben zu können, daß es nicht das ist,
was als dauernde Frucht ans der Bewegung übrigbleiben wird. Der Libera-


sondern anch in viel wichtigern, ja in den wichtigsten Angelegenheiten des
Lebens. Maßlose, weder durch Mitleid, noch durch irgend eine andre mensch¬
liche Tugend eingeschränkte Ansammlung von Geld, Ausbeutung des Volks
durch Schacher und Wucher, renommistische Zurschaustellung des Reichtums
in eilten Dingen des Lebens, die nicht innerlich sind, brutale Nichtachtung der
Ehre und ebenso brutale Unterdrückung der Rechte andrer kann man nicht
gerade bescheiden nennen. Sollen wir noch andre ebenso unliebenswürdige
Eigenschaften Israels nennen, Eigenschaften, die schon den Ägyptern unleidlich
waren und den heiligen Zorn ihrer eignen Propheten erregten? Wir können
aller andern entraten, mir an die jüdische Unduldsamkeit andern Bekenntnissen
gegenüber mag hier noch einmal erinnert werden. Der Freisinn pflegt über
diesen Punkt mit Stillschweigen hinwegzugehen, weil bekanntlich den Weisen
der Welt die Thatsache eine Thorheit ist. Aber sie wird hierdurch nicht aus
dem Wege geschafft, auch verliert sie deshalb uicht an Bedeutung. Denn es
kann nicht geleugnet werden, daß allen Bethätigungen christlichen Lebens der
eine Teil der Judenschaft mit Hohn und Spott, der andre mit einer Feind¬
schaft begegnet, der es nur an der Möglichkeit fehlt, alsbald die Verfolgung
mit der Schärfe des Schwerts zu beginnen.

Die Juden müssen bescheidner werden, hat Stöcker gesagt. Vielleicht ist
an diesen Worten uur die Bescheidenheit des Ausdrucks zu tadeln. Was Hütte
er im übrigen sagen sollen? Sollte er sagen, sie müßten demütiger, gerechter,
maßvoller, weniger eitel, sie müßten enthaltsamer in ihren Lüsten und in der
Anhäufung von Geld werden, sie müßten vor allem auch zurückhaltender in
der Betonung ihres nationalen und sittlichen Wertes werden? Gewiß, alles
dieses und noch mehr hätte er sagen können, aber man wollte eine bündige
Antwort, und in dem Begriffe „bescheiden" liegt alles andre umschlossen.
sprachlich ist der Hofprediger den Herren vom Freisinn ohne Zweifel über,
denn sonst hätten sie sich doch wohl besonnen, bevor sie sich einer so unzeit¬
gemäßer Spottlust überließen. Man darf sich den Stöckerschen Ausdruck dreist
zu eigen machen. Die Juden müssen wirklich bescheidner werden. Das deutsche
Volk steht vor der Wahl, entweder Zwang auf die fremden Eindringlinge zu
legen oder sich selbst aufzugeben.

Aber was für einen Zwang? Der Freisinn möchte ohne Zweifel gar zu
gern, daß wir dabei an mittelalterliche Judenverfolgung dächte». Aber wir
thun ihm den Gefallen nicht. Nicht einmal das ist unsre Meinung, die liberale
Gesetzgebung wieder aufzuheben und den Juden die ihnen vom Staate ge¬
währleisteten Rechte zu nehmen. In den aufgeregtem Elementen des Anti¬
semitismus, denen das Herz mit dem Kopfe dcwonlänft, mögen solche Ge¬
danken rumoren, aber man braucht gar kein Mitglied dieses Bundes zu sein,
um seinen Mitgliedern die Versicherung geben zu können, daß es nicht das ist,
was als dauernde Frucht ans der Bewegung übrigbleiben wird. Der Libera-


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[0615] sondern anch in viel wichtigern, ja in den wichtigsten Angelegenheiten des Lebens. Maßlose, weder durch Mitleid, noch durch irgend eine andre mensch¬ liche Tugend eingeschränkte Ansammlung von Geld, Ausbeutung des Volks durch Schacher und Wucher, renommistische Zurschaustellung des Reichtums in eilten Dingen des Lebens, die nicht innerlich sind, brutale Nichtachtung der Ehre und ebenso brutale Unterdrückung der Rechte andrer kann man nicht gerade bescheiden nennen. Sollen wir noch andre ebenso unliebenswürdige Eigenschaften Israels nennen, Eigenschaften, die schon den Ägyptern unleidlich waren und den heiligen Zorn ihrer eignen Propheten erregten? Wir können aller andern entraten, mir an die jüdische Unduldsamkeit andern Bekenntnissen gegenüber mag hier noch einmal erinnert werden. Der Freisinn pflegt über diesen Punkt mit Stillschweigen hinwegzugehen, weil bekanntlich den Weisen der Welt die Thatsache eine Thorheit ist. Aber sie wird hierdurch nicht aus dem Wege geschafft, auch verliert sie deshalb uicht an Bedeutung. Denn es kann nicht geleugnet werden, daß allen Bethätigungen christlichen Lebens der eine Teil der Judenschaft mit Hohn und Spott, der andre mit einer Feind¬ schaft begegnet, der es nur an der Möglichkeit fehlt, alsbald die Verfolgung mit der Schärfe des Schwerts zu beginnen. Die Juden müssen bescheidner werden, hat Stöcker gesagt. Vielleicht ist an diesen Worten uur die Bescheidenheit des Ausdrucks zu tadeln. Was Hütte er im übrigen sagen sollen? Sollte er sagen, sie müßten demütiger, gerechter, maßvoller, weniger eitel, sie müßten enthaltsamer in ihren Lüsten und in der Anhäufung von Geld werden, sie müßten vor allem auch zurückhaltender in der Betonung ihres nationalen und sittlichen Wertes werden? Gewiß, alles dieses und noch mehr hätte er sagen können, aber man wollte eine bündige Antwort, und in dem Begriffe „bescheiden" liegt alles andre umschlossen. sprachlich ist der Hofprediger den Herren vom Freisinn ohne Zweifel über, denn sonst hätten sie sich doch wohl besonnen, bevor sie sich einer so unzeit¬ gemäßer Spottlust überließen. Man darf sich den Stöckerschen Ausdruck dreist zu eigen machen. Die Juden müssen wirklich bescheidner werden. Das deutsche Volk steht vor der Wahl, entweder Zwang auf die fremden Eindringlinge zu legen oder sich selbst aufzugeben. Aber was für einen Zwang? Der Freisinn möchte ohne Zweifel gar zu gern, daß wir dabei an mittelalterliche Judenverfolgung dächte». Aber wir thun ihm den Gefallen nicht. Nicht einmal das ist unsre Meinung, die liberale Gesetzgebung wieder aufzuheben und den Juden die ihnen vom Staate ge¬ währleisteten Rechte zu nehmen. In den aufgeregtem Elementen des Anti¬ semitismus, denen das Herz mit dem Kopfe dcwonlänft, mögen solche Ge¬ danken rumoren, aber man braucht gar kein Mitglied dieses Bundes zu sein, um seinen Mitgliedern die Versicherung geben zu können, daß es nicht das ist, was als dauernde Frucht ans der Bewegung übrigbleiben wird. Der Libera-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/615>, abgerufen am 02.07.2024.