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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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ein noch in der Zukunft wirkendes Geschäft handelt, vielmehr mit der Quit¬
tung ein Rechtverhältnis zur endgiltigen Erledigung gebracht wird. Aller¬
dings hat schon früher einmal in Preußen eine Quittnngssteuer bestanden.
Aber sie begann erst bei Zahlungen von mehr als fünfzig Thalern und war
auch nicht auf alle Quittungen gelegt, sondern nur auf gewisse Arten, die
öffentlich hervortraten. Das war gewiß eine recht ungerechte Steuer. Aber
sie griff doch nicht so störend in die bürgerlichen Verhältnisse ein, wie die
neugeplante Steuer, die mit wenigen Ausnahmen alle Zahlungen von mehr
als zwanzig Mark ergreifen soll. Jene ältere Qnittuugssteuer wurde auch be¬
reits durch Gesetz vom 26. März 1873 infolge eines Beschlusses des Abgeord¬
netenhauses aufgehoben.

Prüfen wir einmal die Bedeutung der Quittungsstener in wirtschaftlicher
und rechtlicher Beziehung. Die Steuer wird gelegt auf die Tilgung einer
Schuld und die Beschaffung eines sichernden Beweismittels sür diese Tilgung.
Sind das nun Akte, die die Gesetzgebung durch Auslegung einer Steuer zu
erschweren die Aufgabe hätte?

Daß bei dein Austausch der Güter Schulden überhaupt eingegangen werde",
ist in unser" wirtschaftlichen Berhältnissen völlig unvermeidlich. Jede eiuge-
gangne Schuld kann man als eine Spannung zwischen Gläubiger und Schuldner
bezeichnen, die nach Lösung ringt. Die Zahlung bewirkt diese Lösung. Mit
ihr tritt das natürliche Verhältnis wieder ein. daß jeder sein Vermögen un¬
belastet besitzt. Die Zahlung einer Schuld ist also el" vom wirtschaftlichen
Standpunkte durchaus zu begünstigender Akt.

Den Schuldner trifft zugleich der Nachteil, daß er dem klagenden Gläu¬
biger gegenüber die Zahlung der Schuld beweisen muß. Damit nun der Gläu¬
biger eine bereits bezahlte Schuld nicht noch einmal einfordere, hat sich die
Rechtssitte gebildet, daß der Schuldner nur in Austausch gegen eine die Zah¬
lung bekundende Quittung zu zahlen braucht. Die Zahlung ist freilich wirksam
auch ohne Quittung. Der Schuldner kann sie, wenn er vom Gläubiger noch¬
mals belangt wird, auch durch andre Beweismittel darthun oder dem Gläu¬
biger deu Eid zuschieben. Fehlt es aber an Beweisen, und schwört der Gläu¬
biger den Eid, so muß der Schuldner noch einmal zahlen. Es liegt daher
im Interesse der Rechtssicherheit und dient zur Vermeidung schlimmer Pro¬
zesse, daß sich der zahlende Schuldner eine Quittung geben läßt. Die Ertei¬
lung einer Quittung ist ein vom rechtlichen Standpunkte durchaus zu begünsti¬
gender Akt.

Diese wirtschaftlich und rechtlich zu begünstigenden Akte will nun der
Staat dadurch erschweren, daß er auf sie eine Steuer legt. Was besteuert
denn der Staat mit dieser Steuer? Nichts andres als die Rechtssicherheit,
die die erteilte Quittung dem Schuldner gewähren soll. Was würde man
dazu sagen, wenn der Staat die Sicherung andrer Lebensgüter in gleicher


ein noch in der Zukunft wirkendes Geschäft handelt, vielmehr mit der Quit¬
tung ein Rechtverhältnis zur endgiltigen Erledigung gebracht wird. Aller¬
dings hat schon früher einmal in Preußen eine Quittnngssteuer bestanden.
Aber sie begann erst bei Zahlungen von mehr als fünfzig Thalern und war
auch nicht auf alle Quittungen gelegt, sondern nur auf gewisse Arten, die
öffentlich hervortraten. Das war gewiß eine recht ungerechte Steuer. Aber
sie griff doch nicht so störend in die bürgerlichen Verhältnisse ein, wie die
neugeplante Steuer, die mit wenigen Ausnahmen alle Zahlungen von mehr
als zwanzig Mark ergreifen soll. Jene ältere Qnittuugssteuer wurde auch be¬
reits durch Gesetz vom 26. März 1873 infolge eines Beschlusses des Abgeord¬
netenhauses aufgehoben.

Prüfen wir einmal die Bedeutung der Quittungsstener in wirtschaftlicher
und rechtlicher Beziehung. Die Steuer wird gelegt auf die Tilgung einer
Schuld und die Beschaffung eines sichernden Beweismittels sür diese Tilgung.
Sind das nun Akte, die die Gesetzgebung durch Auslegung einer Steuer zu
erschweren die Aufgabe hätte?

Daß bei dein Austausch der Güter Schulden überhaupt eingegangen werde»,
ist in unser» wirtschaftlichen Berhältnissen völlig unvermeidlich. Jede eiuge-
gangne Schuld kann man als eine Spannung zwischen Gläubiger und Schuldner
bezeichnen, die nach Lösung ringt. Die Zahlung bewirkt diese Lösung. Mit
ihr tritt das natürliche Verhältnis wieder ein. daß jeder sein Vermögen un¬
belastet besitzt. Die Zahlung einer Schuld ist also el» vom wirtschaftlichen
Standpunkte durchaus zu begünstigender Akt.

Den Schuldner trifft zugleich der Nachteil, daß er dem klagenden Gläu¬
biger gegenüber die Zahlung der Schuld beweisen muß. Damit nun der Gläu¬
biger eine bereits bezahlte Schuld nicht noch einmal einfordere, hat sich die
Rechtssitte gebildet, daß der Schuldner nur in Austausch gegen eine die Zah¬
lung bekundende Quittung zu zahlen braucht. Die Zahlung ist freilich wirksam
auch ohne Quittung. Der Schuldner kann sie, wenn er vom Gläubiger noch¬
mals belangt wird, auch durch andre Beweismittel darthun oder dem Gläu¬
biger deu Eid zuschieben. Fehlt es aber an Beweisen, und schwört der Gläu¬
biger den Eid, so muß der Schuldner noch einmal zahlen. Es liegt daher
im Interesse der Rechtssicherheit und dient zur Vermeidung schlimmer Pro¬
zesse, daß sich der zahlende Schuldner eine Quittung geben läßt. Die Ertei¬
lung einer Quittung ist ein vom rechtlichen Standpunkte durchaus zu begünsti¬
gender Akt.

Diese wirtschaftlich und rechtlich zu begünstigenden Akte will nun der
Staat dadurch erschweren, daß er auf sie eine Steuer legt. Was besteuert
denn der Staat mit dieser Steuer? Nichts andres als die Rechtssicherheit,
die die erteilte Quittung dem Schuldner gewähren soll. Was würde man
dazu sagen, wenn der Staat die Sicherung andrer Lebensgüter in gleicher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/506>, abgerufen am 22.06.2024.