Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Quittungssteuer
v V. Baldr on

Mi allen uengeplanten Steuern wird vielleicht keine in höherm
Maße den Widerwillen weiter Kreise auf sich ziehen, als die
Quittungsstener, nicht sowohl wegen der Höhe der durch sie
herbeigeführten Belastung, als vielmehr wegen ihrer in alle
bürgerlichen Verhältnisse eingreifenden vexatorischen Natur.

Indirekte Steuern sind sehr verständig, wenn sie auf Gegenstände gelegt
werden, in deren Gebrauch sich jeder einzelne ohne wesentlichen Schaden mehr
oder minder beschränken kann. In dem Gebrauch solcher Gegenstände besteuert
alsdann der Gebrauchende sich selbst in dem ihm gut dünkenden Maße. In
diesem Sinne sind Tabak, Branntwein und Bier wahrhaft mustergiltige Gegen¬
stände der Besteuerung. Aber auch gegen eine Besteuerung von Wein und
Zucker ist nichts einzuwenden. Den Abschluß von Rechtsgeschäften zu be¬
steuern ist gerechtfertigt, wem, der Staat selbst zu den Rechtsgeschäften seinen
Beistand leistet und dafür Kosten aufwenden muß (wie z. B. in Grundbuchs-
sacheu), oder wenn es sich um Rechtsgeschäfte handelt, deren Abschluß aus
wirtschaftlichen Gründen der Staat zu erschweren für gut hält. Dagegen haben
die sogenannten Umschlagsstcueru, wie sie in Preußen in der Form der auf
Privaturkunden aller Art gelegten Stempel erhoben werden, keine vernünftige
Grundlage. Wenn ich, um überhaupt zu existiren, mir eine Wohnung miete,
wie rechtfertigt es sich, daß sofort der Staat hinzutritt und sagt: "Für diesen
Mietvertrag muß ich eine Steuer haben"? Diese ganze Art der Besteuerung
hat keinen höhern Gedanken für sich, als daß sich der Staat für berechtigt
hält, überall da, wo sich Geld zeigt, die Hand auszustrecken und sich davon
etwas auszukitten. Von allen Umschlagssteuern widerstrebt aber die Quit-
tungsstcuer am meisten dein natürlichen Gefühl, weil es sich dabei uicht um


Grenzboten IV 1893 6!!


Die Quittungssteuer
v V. Baldr on

Mi allen uengeplanten Steuern wird vielleicht keine in höherm
Maße den Widerwillen weiter Kreise auf sich ziehen, als die
Quittungsstener, nicht sowohl wegen der Höhe der durch sie
herbeigeführten Belastung, als vielmehr wegen ihrer in alle
bürgerlichen Verhältnisse eingreifenden vexatorischen Natur.

Indirekte Steuern sind sehr verständig, wenn sie auf Gegenstände gelegt
werden, in deren Gebrauch sich jeder einzelne ohne wesentlichen Schaden mehr
oder minder beschränken kann. In dem Gebrauch solcher Gegenstände besteuert
alsdann der Gebrauchende sich selbst in dem ihm gut dünkenden Maße. In
diesem Sinne sind Tabak, Branntwein und Bier wahrhaft mustergiltige Gegen¬
stände der Besteuerung. Aber auch gegen eine Besteuerung von Wein und
Zucker ist nichts einzuwenden. Den Abschluß von Rechtsgeschäften zu be¬
steuern ist gerechtfertigt, wem, der Staat selbst zu den Rechtsgeschäften seinen
Beistand leistet und dafür Kosten aufwenden muß (wie z. B. in Grundbuchs-
sacheu), oder wenn es sich um Rechtsgeschäfte handelt, deren Abschluß aus
wirtschaftlichen Gründen der Staat zu erschweren für gut hält. Dagegen haben
die sogenannten Umschlagsstcueru, wie sie in Preußen in der Form der auf
Privaturkunden aller Art gelegten Stempel erhoben werden, keine vernünftige
Grundlage. Wenn ich, um überhaupt zu existiren, mir eine Wohnung miete,
wie rechtfertigt es sich, daß sofort der Staat hinzutritt und sagt: „Für diesen
Mietvertrag muß ich eine Steuer haben"? Diese ganze Art der Besteuerung
hat keinen höhern Gedanken für sich, als daß sich der Staat für berechtigt
hält, überall da, wo sich Geld zeigt, die Hand auszustrecken und sich davon
etwas auszukitten. Von allen Umschlagssteuern widerstrebt aber die Quit-
tungsstcuer am meisten dein natürlichen Gefühl, weil es sich dabei uicht um


Grenzboten IV 1893 6!!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216229"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_215723/figures/grenzboten_341857_215723_216229_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Quittungssteuer<lb/>
v<note type="byline"> V. Baldr</note> on </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1888"> Mi allen uengeplanten Steuern wird vielleicht keine in höherm<lb/>
Maße den Widerwillen weiter Kreise auf sich ziehen, als die<lb/>
Quittungsstener, nicht sowohl wegen der Höhe der durch sie<lb/>
herbeigeführten Belastung, als vielmehr wegen ihrer in alle<lb/>
bürgerlichen Verhältnisse eingreifenden vexatorischen Natur.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1889" next="#ID_1890"> Indirekte Steuern sind sehr verständig, wenn sie auf Gegenstände gelegt<lb/>
werden, in deren Gebrauch sich jeder einzelne ohne wesentlichen Schaden mehr<lb/>
oder minder beschränken kann. In dem Gebrauch solcher Gegenstände besteuert<lb/>
alsdann der Gebrauchende sich selbst in dem ihm gut dünkenden Maße. In<lb/>
diesem Sinne sind Tabak, Branntwein und Bier wahrhaft mustergiltige Gegen¬<lb/>
stände der Besteuerung. Aber auch gegen eine Besteuerung von Wein und<lb/>
Zucker ist nichts einzuwenden. Den Abschluß von Rechtsgeschäften zu be¬<lb/>
steuern ist gerechtfertigt, wem, der Staat selbst zu den Rechtsgeschäften seinen<lb/>
Beistand leistet und dafür Kosten aufwenden muß (wie z. B. in Grundbuchs-<lb/>
sacheu), oder wenn es sich um Rechtsgeschäfte handelt, deren Abschluß aus<lb/>
wirtschaftlichen Gründen der Staat zu erschweren für gut hält. Dagegen haben<lb/>
die sogenannten Umschlagsstcueru, wie sie in Preußen in der Form der auf<lb/>
Privaturkunden aller Art gelegten Stempel erhoben werden, keine vernünftige<lb/>
Grundlage. Wenn ich, um überhaupt zu existiren, mir eine Wohnung miete,<lb/>
wie rechtfertigt es sich, daß sofort der Staat hinzutritt und sagt: &#x201E;Für diesen<lb/>
Mietvertrag muß ich eine Steuer haben"? Diese ganze Art der Besteuerung<lb/>
hat keinen höhern Gedanken für sich, als daß sich der Staat für berechtigt<lb/>
hält, überall da, wo sich Geld zeigt, die Hand auszustrecken und sich davon<lb/>
etwas auszukitten. Von allen Umschlagssteuern widerstrebt aber die Quit-<lb/>
tungsstcuer am meisten dein natürlichen Gefühl, weil es sich dabei uicht um</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1893 6!!</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0505] [Abbildung] Die Quittungssteuer v V. Baldr on Mi allen uengeplanten Steuern wird vielleicht keine in höherm Maße den Widerwillen weiter Kreise auf sich ziehen, als die Quittungsstener, nicht sowohl wegen der Höhe der durch sie herbeigeführten Belastung, als vielmehr wegen ihrer in alle bürgerlichen Verhältnisse eingreifenden vexatorischen Natur. Indirekte Steuern sind sehr verständig, wenn sie auf Gegenstände gelegt werden, in deren Gebrauch sich jeder einzelne ohne wesentlichen Schaden mehr oder minder beschränken kann. In dem Gebrauch solcher Gegenstände besteuert alsdann der Gebrauchende sich selbst in dem ihm gut dünkenden Maße. In diesem Sinne sind Tabak, Branntwein und Bier wahrhaft mustergiltige Gegen¬ stände der Besteuerung. Aber auch gegen eine Besteuerung von Wein und Zucker ist nichts einzuwenden. Den Abschluß von Rechtsgeschäften zu be¬ steuern ist gerechtfertigt, wem, der Staat selbst zu den Rechtsgeschäften seinen Beistand leistet und dafür Kosten aufwenden muß (wie z. B. in Grundbuchs- sacheu), oder wenn es sich um Rechtsgeschäfte handelt, deren Abschluß aus wirtschaftlichen Gründen der Staat zu erschweren für gut hält. Dagegen haben die sogenannten Umschlagsstcueru, wie sie in Preußen in der Form der auf Privaturkunden aller Art gelegten Stempel erhoben werden, keine vernünftige Grundlage. Wenn ich, um überhaupt zu existiren, mir eine Wohnung miete, wie rechtfertigt es sich, daß sofort der Staat hinzutritt und sagt: „Für diesen Mietvertrag muß ich eine Steuer haben"? Diese ganze Art der Besteuerung hat keinen höhern Gedanken für sich, als daß sich der Staat für berechtigt hält, überall da, wo sich Geld zeigt, die Hand auszustrecken und sich davon etwas auszukitten. Von allen Umschlagssteuern widerstrebt aber die Quit- tungsstcuer am meisten dein natürlichen Gefühl, weil es sich dabei uicht um Grenzboten IV 1893 6!!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/505
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/505>, abgerufen am 27.06.2024.