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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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leinwnud "Karl der Kühne leitet das Blutbad in der Kirche zu Nesle," ein
historisches Kostümsti'ick von virtuoser Kraft der Farbe. Es kommt in den
Räumen der Münchner Ausstellung nicht so zur Geltung wie in dem großen
Treppenhause des Palais de l'Jndustrie, wo es eine prächtige Dekoration ab¬
gab. Von einer Künstlerkraft ersten Ranges zeugt das andre Gemälde: ?roxv"
Ag,1und>s; ein Trompeter des dreißigjährigen Kriegs scherzt mit einer derben, voll¬
busigen Küchenfee, die in einer Schenke beschäftigt ist, mit blutigen Händen
einen Hahn zu rupfen. Die Kraft und Pracht der Farben und die ganze
Gesundheit des Bildes können sich mit Jordaens besten Werken messen. Eine
hübsche Episode aus der französischen Revolution behandelt in gefälligem Vor¬
trug das Gemälde von I. P. Laurens. Die Witwe des Generals de Bon-
champs aus der Vendee ist begnadigt worden und schickt ihre kleine sieben¬
jährige Tochter, den Begnadigungsbrief vom Revolutionstribunal zu Nantes
zu holen. Die Schreckensmänner, in guter Laune, machen die Herausgabe
des Briefes davon abhängig, daß die Kleine ihr schönstes Lied singe. So¬
fort bereit, stimmt das Kind an: Vivs I"z roi, ^ das 1a rvxuvIiWS. Die
düstern Männer wissen nicht recht, was sie sür ein Gesicht dazu machen sollen,
geben aber schließlich lächelnd das Papier heraus. Auch die kräftig charcckte-
risirteu Bildnisse eines Mönches von Conon und eines Geigers von Brozik
gehören ganz der ältern Weise an. Ebenso das Bildnis einer alten Dame
von Bonnae; aber bei aller Achtung vor der künstlerischen Kraft dieses be¬
rühmten Meisters stört uns in dem Gemälde doch die harte Zeichnung. Hei¬
lige Gegenstände stellen zwei Bilder dar: Paul Leroys "Abend in Nazareth"
(Maria, eine Orientalin, sitzt auf dem Dach ihres Hauses) und P. Alb.
Laurens "Gang der heiligen Frauen zu dem Grabe Christi." Laurens ist in
der blassen, flachen und dämmrigen Art seiner Malerei moderner als Leroh,
aber beide sind Beispiele dafür, wie die Franzosen die Erzählungen der Bibel
in freier, poetischer Weise zu verwerten lieben. Unter den Bildnissen gehört
zu den Modernen Snlahado mit dem Porträt des Malers Atrien Demont.
Es ist ein schöner Künstlerkopf, der uns in echt poetischer Weise vorgeführt
wird. Von Demont selbst hängt im Nebenraum ein Gemälde: über eine
Wiese wandelt in der Abenddämmerung eine weibliche Gestalt, die die Nebel
des Taus ergreift und zum Schleier verdichtet, mit dem sie ihre Gestalt
umhüllt. Solcher poetische" Erfindungen bringen die Salonausstellungen in
jedem Jahre eine ganze Menge. Auch Maignans Gemälde gehört dazu, das
die Klänge einer Sturmglocke als nackte männliche Gestalten darstellt, die
von der schwingenden Glocke laut schreiend nach allen Winden eilen. Die
heftig bewegten Akte sind mit großem Geschick gezeichnet.

(Schluß folgt)


leinwnud „Karl der Kühne leitet das Blutbad in der Kirche zu Nesle," ein
historisches Kostümsti'ick von virtuoser Kraft der Farbe. Es kommt in den
Räumen der Münchner Ausstellung nicht so zur Geltung wie in dem großen
Treppenhause des Palais de l'Jndustrie, wo es eine prächtige Dekoration ab¬
gab. Von einer Künstlerkraft ersten Ranges zeugt das andre Gemälde: ?roxv»
Ag,1und>s; ein Trompeter des dreißigjährigen Kriegs scherzt mit einer derben, voll¬
busigen Küchenfee, die in einer Schenke beschäftigt ist, mit blutigen Händen
einen Hahn zu rupfen. Die Kraft und Pracht der Farben und die ganze
Gesundheit des Bildes können sich mit Jordaens besten Werken messen. Eine
hübsche Episode aus der französischen Revolution behandelt in gefälligem Vor¬
trug das Gemälde von I. P. Laurens. Die Witwe des Generals de Bon-
champs aus der Vendee ist begnadigt worden und schickt ihre kleine sieben¬
jährige Tochter, den Begnadigungsbrief vom Revolutionstribunal zu Nantes
zu holen. Die Schreckensmänner, in guter Laune, machen die Herausgabe
des Briefes davon abhängig, daß die Kleine ihr schönstes Lied singe. So¬
fort bereit, stimmt das Kind an: Vivs I«z roi, ^ das 1a rvxuvIiWS. Die
düstern Männer wissen nicht recht, was sie sür ein Gesicht dazu machen sollen,
geben aber schließlich lächelnd das Papier heraus. Auch die kräftig charcckte-
risirteu Bildnisse eines Mönches von Conon und eines Geigers von Brozik
gehören ganz der ältern Weise an. Ebenso das Bildnis einer alten Dame
von Bonnae; aber bei aller Achtung vor der künstlerischen Kraft dieses be¬
rühmten Meisters stört uns in dem Gemälde doch die harte Zeichnung. Hei¬
lige Gegenstände stellen zwei Bilder dar: Paul Leroys „Abend in Nazareth"
(Maria, eine Orientalin, sitzt auf dem Dach ihres Hauses) und P. Alb.
Laurens „Gang der heiligen Frauen zu dem Grabe Christi." Laurens ist in
der blassen, flachen und dämmrigen Art seiner Malerei moderner als Leroh,
aber beide sind Beispiele dafür, wie die Franzosen die Erzählungen der Bibel
in freier, poetischer Weise zu verwerten lieben. Unter den Bildnissen gehört
zu den Modernen Snlahado mit dem Porträt des Malers Atrien Demont.
Es ist ein schöner Künstlerkopf, der uns in echt poetischer Weise vorgeführt
wird. Von Demont selbst hängt im Nebenraum ein Gemälde: über eine
Wiese wandelt in der Abenddämmerung eine weibliche Gestalt, die die Nebel
des Taus ergreift und zum Schleier verdichtet, mit dem sie ihre Gestalt
umhüllt. Solcher poetische» Erfindungen bringen die Salonausstellungen in
jedem Jahre eine ganze Menge. Auch Maignans Gemälde gehört dazu, das
die Klänge einer Sturmglocke als nackte männliche Gestalten darstellt, die
von der schwingenden Glocke laut schreiend nach allen Winden eilen. Die
heftig bewegten Akte sind mit großem Geschick gezeichnet.

(Schluß folgt)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/48>, abgerufen am 04.07.2024.