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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Landarbeiterfragc

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man ja----------------1100. Und wie wemg erst vermag eme islizze, wie
die unsre, der lebendigen Wirklichkeit gerecht zu werden! Vielleicht stellen
wir gelegentlich einmal ein paar Stimmuugsbildcheu, deren die Berichte
des Vereins für Sozialpolitik nicht wenige darbieten, zusammen. Dies¬
mal kommt es uns nur darauf an, für die in der Frage einzunehmende Hal¬
tung eine Grundlage zu gewinnen, zu diesem Zweck aber war eine aus wenigen
verallgemeinernden und darum anfechtbaren Zügen bestehende trockne Skizze
unentbehrlich.

Indem wir uns nun anschicken, das so gewonnene Bild der Lage und die
erwähnten Reformvorschläge von unserm eignen Standpunkte aus zu beleuchte",
müssen wir zunächst die Bemerkung vorausschicken, daß wir selbstverständlich
nicht etwa die Entwicklung des letzten Jahrhunderts beklagen. Geschichtliche
Umwälzungen werde" vou dem Vernünftigen weder beklagt noch bejubelt,
sondern er bemüht sich, sie zu durchschaue", um die ihm daraus erwachsenden
Aufgaben und Pflichten zu erkennen. Außerdem sind zwei Ergebnisse dieser
Entwicklung: die Schaffung eines wohlhabenden, gebildeten Bauernstandes in
vielen Gegenden des nordöstlichen Deutschlands und die Vermehrung des Er¬
trages der Landwirtschaft durch bessere, von der Wissenschaft geforderte Be-
banungsarten, so erfreulich, daß, wenn nun einmal Segnungen nur durch ent¬
sprechende Übel erkauft werden können, die unbefriedigender Zustände eines
Teiles der heutige" Landarbeiter kein zu hoher Kaufpreis erscheinen. Dazu
sind die patriarchalischen Verhältnisse des vorigen Jahrhunderts, wie v. d. Goltz
nachweist, nichts weniger als gemütlich gewesen. Auch sehen wir die Sache
nicht von dem Standpunkte der Humanität und des Christentums an -- das
überlassen wir den hierzu Berufnen, den Geistlichen --, sondern mit den Männern
des Vereins für Sozialpolitik "ganz ausschließlich uuter dem Gesichtspunkte
der Staatsraison" (Bericht über die Generalversammlung, S. 74) und fragen
nicht: "Geht es ihnen ^den Arbeitern^ schlecht oder gut, wie ist ihnen zu
helfen?" Oder wenn wir hie und du solche Fragen auszuwerfen genötigt sind,
so geschieht es nicht lediglich den Arbeitern zu Gefallen, sondern um des
Wohles des Baterlandes willen. Eben deshalb können wir freilich nicht soweit
gehen, wie Dr. Kaerger, der (S. 96 des Berichts über die Generalversammlung)
meint, die sogenannte Arbeiterfrage sei eigentlich nur eine Uuternehmerfrage,
denn auch die Unternehmer, namentlich die verhältnismäßig wenigen Unter¬
nehmer, für die der Arbeitermangel eine ernstliche Verlegenheit bildet, ver¬
wechseln wir nicht mit Volk und Vaterland.

Um nnn die Sache vom Gesichtspunkte des Volkswohls aus -- denn
eine Staatsräson, die dieses nicht zum Ziele hat, lassen wir nicht gelten --
betrachten zu können, muß man zunächst alle allgemeinen Übelstände aus¬
scheiden, die in der Natur der menschlichen Gesellschaft liegen, daher so alt


Die Landarbeiterfragc

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man ja----------------1100. Und wie wemg erst vermag eme islizze, wie
die unsre, der lebendigen Wirklichkeit gerecht zu werden! Vielleicht stellen
wir gelegentlich einmal ein paar Stimmuugsbildcheu, deren die Berichte
des Vereins für Sozialpolitik nicht wenige darbieten, zusammen. Dies¬
mal kommt es uns nur darauf an, für die in der Frage einzunehmende Hal¬
tung eine Grundlage zu gewinnen, zu diesem Zweck aber war eine aus wenigen
verallgemeinernden und darum anfechtbaren Zügen bestehende trockne Skizze
unentbehrlich.

Indem wir uns nun anschicken, das so gewonnene Bild der Lage und die
erwähnten Reformvorschläge von unserm eignen Standpunkte aus zu beleuchte»,
müssen wir zunächst die Bemerkung vorausschicken, daß wir selbstverständlich
nicht etwa die Entwicklung des letzten Jahrhunderts beklagen. Geschichtliche
Umwälzungen werde» vou dem Vernünftigen weder beklagt noch bejubelt,
sondern er bemüht sich, sie zu durchschaue», um die ihm daraus erwachsenden
Aufgaben und Pflichten zu erkennen. Außerdem sind zwei Ergebnisse dieser
Entwicklung: die Schaffung eines wohlhabenden, gebildeten Bauernstandes in
vielen Gegenden des nordöstlichen Deutschlands und die Vermehrung des Er¬
trages der Landwirtschaft durch bessere, von der Wissenschaft geforderte Be-
banungsarten, so erfreulich, daß, wenn nun einmal Segnungen nur durch ent¬
sprechende Übel erkauft werden können, die unbefriedigender Zustände eines
Teiles der heutige» Landarbeiter kein zu hoher Kaufpreis erscheinen. Dazu
sind die patriarchalischen Verhältnisse des vorigen Jahrhunderts, wie v. d. Goltz
nachweist, nichts weniger als gemütlich gewesen. Auch sehen wir die Sache
nicht von dem Standpunkte der Humanität und des Christentums an — das
überlassen wir den hierzu Berufnen, den Geistlichen —, sondern mit den Männern
des Vereins für Sozialpolitik „ganz ausschließlich uuter dem Gesichtspunkte
der Staatsraison" (Bericht über die Generalversammlung, S. 74) und fragen
nicht: „Geht es ihnen ^den Arbeitern^ schlecht oder gut, wie ist ihnen zu
helfen?" Oder wenn wir hie und du solche Fragen auszuwerfen genötigt sind,
so geschieht es nicht lediglich den Arbeitern zu Gefallen, sondern um des
Wohles des Baterlandes willen. Eben deshalb können wir freilich nicht soweit
gehen, wie Dr. Kaerger, der (S. 96 des Berichts über die Generalversammlung)
meint, die sogenannte Arbeiterfrage sei eigentlich nur eine Uuternehmerfrage,
denn auch die Unternehmer, namentlich die verhältnismäßig wenigen Unter¬
nehmer, für die der Arbeitermangel eine ernstliche Verlegenheit bildet, ver¬
wechseln wir nicht mit Volk und Vaterland.

Um nnn die Sache vom Gesichtspunkte des Volkswohls aus — denn
eine Staatsräson, die dieses nicht zum Ziele hat, lassen wir nicht gelten —
betrachten zu können, muß man zunächst alle allgemeinen Übelstände aus¬
scheiden, die in der Natur der menschlichen Gesellschaft liegen, daher so alt


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[0410] Die Landarbeiterfragc ^^^>^> <. - . ., . man ja----------------1100. Und wie wemg erst vermag eme islizze, wie die unsre, der lebendigen Wirklichkeit gerecht zu werden! Vielleicht stellen wir gelegentlich einmal ein paar Stimmuugsbildcheu, deren die Berichte des Vereins für Sozialpolitik nicht wenige darbieten, zusammen. Dies¬ mal kommt es uns nur darauf an, für die in der Frage einzunehmende Hal¬ tung eine Grundlage zu gewinnen, zu diesem Zweck aber war eine aus wenigen verallgemeinernden und darum anfechtbaren Zügen bestehende trockne Skizze unentbehrlich. Indem wir uns nun anschicken, das so gewonnene Bild der Lage und die erwähnten Reformvorschläge von unserm eignen Standpunkte aus zu beleuchte», müssen wir zunächst die Bemerkung vorausschicken, daß wir selbstverständlich nicht etwa die Entwicklung des letzten Jahrhunderts beklagen. Geschichtliche Umwälzungen werde» vou dem Vernünftigen weder beklagt noch bejubelt, sondern er bemüht sich, sie zu durchschaue», um die ihm daraus erwachsenden Aufgaben und Pflichten zu erkennen. Außerdem sind zwei Ergebnisse dieser Entwicklung: die Schaffung eines wohlhabenden, gebildeten Bauernstandes in vielen Gegenden des nordöstlichen Deutschlands und die Vermehrung des Er¬ trages der Landwirtschaft durch bessere, von der Wissenschaft geforderte Be- banungsarten, so erfreulich, daß, wenn nun einmal Segnungen nur durch ent¬ sprechende Übel erkauft werden können, die unbefriedigender Zustände eines Teiles der heutige» Landarbeiter kein zu hoher Kaufpreis erscheinen. Dazu sind die patriarchalischen Verhältnisse des vorigen Jahrhunderts, wie v. d. Goltz nachweist, nichts weniger als gemütlich gewesen. Auch sehen wir die Sache nicht von dem Standpunkte der Humanität und des Christentums an — das überlassen wir den hierzu Berufnen, den Geistlichen —, sondern mit den Männern des Vereins für Sozialpolitik „ganz ausschließlich uuter dem Gesichtspunkte der Staatsraison" (Bericht über die Generalversammlung, S. 74) und fragen nicht: „Geht es ihnen ^den Arbeitern^ schlecht oder gut, wie ist ihnen zu helfen?" Oder wenn wir hie und du solche Fragen auszuwerfen genötigt sind, so geschieht es nicht lediglich den Arbeitern zu Gefallen, sondern um des Wohles des Baterlandes willen. Eben deshalb können wir freilich nicht soweit gehen, wie Dr. Kaerger, der (S. 96 des Berichts über die Generalversammlung) meint, die sogenannte Arbeiterfrage sei eigentlich nur eine Uuternehmerfrage, denn auch die Unternehmer, namentlich die verhältnismäßig wenigen Unter¬ nehmer, für die der Arbeitermangel eine ernstliche Verlegenheit bildet, ver¬ wechseln wir nicht mit Volk und Vaterland. Um nnn die Sache vom Gesichtspunkte des Volkswohls aus — denn eine Staatsräson, die dieses nicht zum Ziele hat, lassen wir nicht gelten — betrachten zu können, muß man zunächst alle allgemeinen Übelstände aus¬ scheiden, die in der Natur der menschlichen Gesellschaft liegen, daher so alt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/410>, abgerufen am 22.07.2024.